Klasnic gegen „bezahlte Selbstmordhilfe“

Gegen kommerzielle Sterbehilfe in Österreich hat sich Waltraud Klasnic, Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich, ausgesprochen. „Wir brauchen keine gewerbsmäßig bezahlte Selbstmordhilfe.“

Ihr sei es „zu viel, dass jemand dafür bezahlt wird, dass er zum Selbstmord beiträgt“, so Klasnic im Interview mit der „Kleinen Zeitung“ am Wochenende. Sie äußerte sich im Blick auf die kürzlich erfolgte Zulassung kommerzieller Sterbehilfe in Deutschland.

„Mir ist es zu viel, dass man sagt: Ich sterbe morgen um 17.00 Uhr“, so Klasnic weiter. Aber sie habe Verständnis, wenn jemand nicht endlos leiden will. Deshalb habe man für Pflegeheime einen Vorsorgedialog entwickelt. Dafür wünsche sie sich eine Regelfinanzierung, „damit das jeder bekommt, der es braucht. Einen Gips bekommt ja im Bedarfsfall auch jeder.“

„Nicht mehr zur Last fallen“

Gefährlich werde die Debatte über Sterbehilfe etwa dort, „wo Ältere das Gefühl bekommen, ich will durch meinen Tod beim Sparen helfen und nicht mehr zur Last fallen“. Aber ehrlicherweise müsse man sagen, „dass es Schmerz und Leid gibt und dass man es palliativ auch zulassen muss, dass jemand schmerzfrei sterben darf“. Schmerzfrei sterben zu können sei ein Geschenk. Nur gebe es dafür schon heute ausreichend Möglichkeiten, so Klasnic: „Es gibt ja die Patientenverfügung und auch das Recht des Patienten, ein Medikament nicht anzunehmen.“

Waltraud Klasnic

APA/Roland Schlager

Waltraud Klasnic

Im Zusammenhang mit der Coronakrise mache ihr große Sorgen, dass Kranke nicht mehr in Pflegeheimen besucht werden können und „dass es dann schwierig wird, weil die Einsamkeit wächst“. Ein ebenso großes Problem: „Dass Sterbende nicht angemessen begleitet werden dürfen.“ Der Dachverband Hospiz Österreich habe deshalb einen Leitfaden veröffentlicht über Möglichkeiten der Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung ohne physischen Kontakt.

Den Opfern zuhören

Klasnic, sie ist auch Obfrau der kirchlichen Opferschutzkommission, nahm in dem Interview auch ausführlich zur kirchlichen Missbrauchsproblematik Stellung. In den zehn Jahren der Arbeit der Kommission sei ihr klar geworden, „dass es vor allem darum geht, Betroffenen zuzuhören, Geduld zu haben und ihnen Zeit zu schenken“.

Das sei wichtiger als die finanzielle Entschädigung. Klasnic: „Für viele Opfer war es das erste Mal, dass ihnen überhaupt jemand zugehört hat. Es geht ja überwiegend um lang zurückliegende Vorfälle. Viele der Beschuldigten leben nicht mehr. Aber die Opfer hatten oftmals noch nie jemandem über ihre Erlebnisse erzählt.“

Das Schwachsein und die Hilflosigkeit der Opfer gingen ihr besonders nahe, sagte Klasnic. Die Traumatisierung wirke das ganze Leben lang weiter. Viele Opfer seien später nicht partnerschaftsfähig gewesen, seien ständig suizidgefährdet „oder konnten in bestimmten Berufen nicht arbeiten, weil sie dort an ihre Kindheit erinnert wurden“.

Kindern wurde nicht geglaubt

Die Opfer hätten sich nicht wehren können, so Klasnic: „Entweder ging es um Kinder aus problematischen Elternhäusern, die in Heime eingewiesen wurden. Da hat dann niemand das weitere Schicksal der Kinder begleitend kontrolliert. Oder es waren Internate, die den Kindern eine besonders gute Ausbildung ermöglichen sollten. Dort gab es oft bessergestellte Eltern. Die haben einfach nicht daran gedacht, dass so etwas passieren kann.“

Zur Frage nach „typischen Opfern“ sagte Klasnic, dass häufig „die sogenannten braven und herzigen Kinder“ betroffen gewesen seien, „und jene, bei denen niemand nachgefragt hat. Wenn die Kinder von sich aus etwas gesagt haben, dann hat ihnen niemand geglaubt.“

Wachsamkeit auch in den Familien

Darauf angesprochen, ob es auch heute noch in kirchlichen Strukturen zu Missbrauch kommt, meinte die Kommissionsvorsitzende: „Es kommt zu Missbrauchsfällen in unserer Gesellschaft. Die Kirche ist davon ein kleiner Prozentsatz, es gab dort einen tief greifenden Kulturwandel. Ausschließen darf man nie etwas, aber wir wissen, dass 80 Prozent der Fälle in der Familie passieren.“

Sorgen bereitet Klasnic, dass es aufgrund der Coronavirus-Maßnahmen wohl in den Familien zu mehr häuslicher Gewalt kommt: „Ich fürchte, dass es in Familien böse Ereignisse gibt, dass es aber niemand merkt, weil ja niemand in die Wohnung seines Nachbarn kommt. Und die Kinder kommen momentan auch nicht hinaus.“

religion.ORF.at/KAP

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