Kardinal im Web 2.0

Mit dem Internet-Projekt „fragdenkardinal“ testet die Erzdiözese Wien neue Social-Media-Strategien.

„Hier kannst Du ab 19. September 2012 Deine Frage an Kardinal Schönborn als Video hochladen, die Fragen anderer ansehen und sie liken“, heißt es auf der Projekt-Website. Einmal in der Woche soll dort auch eine Video-Antwort von Kardinal Schönborn zu sehen sein.

Nach Politikern und Prominenten scheinen nun auch die Kirchen vermehrt die Möglichkeiten des Internets für sich zu entdecken. Im US-Bundesstaat South Carolina möchte die katholische Kirche mit einer Kampagne auf Facebook und Twitter junge Männer zum Eintritt ins Priesterseminar bewegen, berichtete BBC. Auf Facebook ist „Jesus Daily“ mit fast 14 Millionen „Gefällt mir“-Angaben eine der beliebtesten Seiten. Und die Plakataktion der Diözese St.Pölten wurde noch vor dem öffentlichen Start zu einem Hit auf Facebook - mehr dazu in Geistliche und Laien auf Plakaten der Diözese St. Pölten (religion.ORF.at; 24.7.2012).

Platz für „unbequeme Fragen“

Die Erzdiözese Wien ist zwar ebenfalls auf Facebook und Twitter vertreten. Für ihr neuestes Projekt hat sie aber eine eigene Seite programmieren lassen, auf der Videos eingesandt, kommentiert und bewertet werden können. Im Gegensatz zu öffentlichen Videoplattformen wie Youtube wollen sich die Verantwortlichen so die Möglichkeit vorbehalten, „Untergriffiges wie wüste Beschimpfungen“ redaktionell auszusortieren.

Außerdem lege man Wert darauf, dass in den Videos auch wirklich Fragen gestellt werden. „Alles, wo wir das Fragezeichen nicht erkennen können, macht keinen Sinn“, sagt der Projektverantwortliche Nikolaus Haselsteiner im Gespräch mit religion.ORF.at.

Screenshot der Homepage www.fragdenkardinal.at

screenshot: www.fragdenkardinal.at

Noch findet sich auf der Homepage nur ein Teaser-Video.

Eingereicht werden können die Fragen an den Kardinal nur per Video. Für den Generalsekretär des Amts für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Erzdiözese Wien ist das aber kein Problem. „Natürlich schränkt das Medium ein wenig ein. Aber in ein, zwei oder drei Jahren wird es auch für die Golden-Ager völlig normal sein, ein Video ins Internet hochzuladen“, so Haselsteiner. Bis dahin sollen es vor allem junge Menschen aller Konfessionen und Religionen sein, die auf der Seite auch „unbequeme Fragen“ stellen und „heiße Eisen“ einbringen können.

Virales kirchliches Marketing

In der Öffentlichkeitsarbeit der Erzdiözese Wien scheint man große Hoffnungen in das „Web 2.0“ zu setzen. Das macht auch die Bewerbung der neuen Plattform klar. „Wir haben vor allem auf Guerilla-Marketing gesetzt“, sagt Haselsteiner und hofft, dass der Seite eine „virale Verbreitung“ zuteil wird. Das heißt, man vertraut vor allem auf Mund-zu-Mund- oder, besser gesagt, Bildschirm-zu-Bildschirm-Propaganda, die Plattformen wie Facebook möglich machen.

Ob die Strategie der Erzdiözese aufgeht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Ihr eigenes Bild werden sich User noch vor Ende September machen können. Dann soll bereits die erste Video-Antwort von Kardinal Schönborn online und kommentierbar sein. An einen Endtermin für das Projekt denkt man in der Erzdiözese jedenfalls noch nicht. Denn „Fragen“, so Haselsteiner, „kann man unendlich viele stellen“.

Martin Steinmüller, religion.ORF.at

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