Radikaler Strukturumbau in Erzdiözese Wien geplant

Zusammengelegte Pfarren und von Laien geleitete, kleine Gemeinden: Kardinal Christoph Schönborn hat am Mittwoch einen Radikalumbau seiner Diözese innerhalb der nächsten zehn Jahre angekündigt.

Mit der Ankündigung, den „größten Umbau in der Erzdiözese Wien seit Joseph II.," durchzuführen, trat Kardinal Christoph Schönborn beim traditionellen Medienempfang der Erzdiözese Wien am Mittwoch vor Journalisten. Demnach sollen in den nächsten zehn Jahren viele der 660 Pfarren in der Erzdiözese zu größeren Pfarrräumen zusammengelegt werden.

Kleine Seelsorgeeinheiten

Doch die eigentliche Neuerung sieht Schönborn in den zukünftigen kleinen Seelsorgeeinheiten, die in den Großpfarren entstehen sollen.

Das „Allgemeine Priestertum aller Getauften“

II. Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 10

„So sollen alle Jünger Christi ausharren im Gebet und gemeinsam Gott loben (vgl. Apg 2,42–47) und sich als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe darbringen (vgl. Röm 12,1); überall auf Erden sollen sie für Christus Zeugnis geben und allen, die es fordern, Rechenschaft ablegen von der Hoffnung auf das ewige Leben, die in ihnen ist.“

Kirche müsse wieder als „lebendige Gemeinschaft vor Ort“, und nicht als „Bauwerk mit leeren Kirchenbänken“ erlebbar werden, so eine der Prämissen des Teams, das den Strukturumbau mit dem Wiener Kardinal plant.

Das heißt, Pfarren sollen zukünftig aus vielen kleinen Gemeinschaften, Gruppen und Hauskirchen bestehen. Die Verantwortung für diese kleinen Gruppen möchte der Kardinal in die Hände von bewährten Frauen und Männern aus den Gemeinden selbst legen. Schönborn beruft sich dabei sich auf das II. Vatikanische Konzil. 48 Jahre nach der Verabschiedung der dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ sei es an der Zeit, die Texte des Konzils über das „Allgemeine Priestertum aller Getauften“ in die Tat umzusetzen, so der Kardinal.

Kardinal Christoph Schönborn beim traditionellen Medienempfang zu geplanten Strukturreformen in der Erzdiözese Wien.

APA/Herbert Pfarrhofer

Kardinal Christoph Schönborn beim Medienempfang zu den geplanten Strukturreformen in der Erzdiözese Wien

Starke Einbindung von Laien

Unterstützt werden sollen die kleinen Gemeinden und Gruppen von mehreren Priestern. Schönborn spricht von drei bis fünf aktiv in einer Pfarre eingesetzten Geistlichen. Einer von ihnen ist als Pfarrer dem Erzbischof letztverantwortlich. Prinzipiell soll aber die Leitung der Pfarre von Priestern und Laien gemeinschaftlich wahrgenommen werden.

Größte Diözese Österreichs

Die Erzdiözese Wien ist mit 1,3 Millionen Katholiken die größte Diözese Österreichs und eine der größten Europas. Sie umfasst nicht nur das Bundesland Wien, sondern auch die östliche Hälfte Niederösterreichs (Viertel Unter dem Wienerwald und Viertel Unter dem Manhartsberg) - und damit insgesamt 660 Pfarren mit 1.195 Priestern und 170 Diakonen.

Die Erzdiözese ist 9.100 Quadratkilometer groß. Sie ist territorial in drei Vikariate und 54 Dekanate (das sind Zusammenschlüsse von Pfarren) unterteilt. Für die drei Vikariate hat Erzbischof Schönborn Bischofsvikare eingesetzt: Dariusz Schutzki (Wien-Stadt), Rupert Stadler (Unter dem Wienerwald) und Weihbischof Stephan Turnovszky (Unter dem Manhartsberg). Generalvikar ist Nikolaus Krasa.

„Entlastung der administrativen Bürde“

Erzbischof Kardinal Schönborn erhofft sich durch die Umstrukturierung der Erzdiözese Wien auch eine „Entlastung der administrativen Bürde“. Durch die Schaffung großflächiger Pfarrgemeinden könnten sich Priester und Laien vermehrt der missionarischen Arbeit sowie der Seelsorge zuwenden. Auf wie viele neue Seelsorgebereiche die derzeit 660 Pfarren reduziert werden, könne man noch nicht sagen, sagte Generalvikar Krasa.

Seit mehreren Jahren arbeitet die Erzdiözese Wien bereits an den Plänen zum Umbau. Grund dafür sind laut Schönborn sowohl der Rückgang an Katholiken als auch jener der Priester. Ein „Erneuerungsprozess setzt Strukturen voraus, die der heutigen Zeit angepasst sind. Die Reform wird für einige einen Abschied von Liebgewonnenem bedeuten. Aber dieser Abschied soll auch ein Neuanfang sein", so der Wiener Kardinal.

Erzdiözese im „Reformstrom“

Die angekündigte Strukturreform in der Erzdiözese Wien ist für die katholische Kirche kein Einzelfall. Vielmehr gibt es ähnliche Reformprozesse auch in vielen anderen Diözesen in Europa. Das betonte die Wiener Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel im Gespräch mit Kathpress.

Die Erzdiözese Wien befinde sich damit in einem breiten Reformstrom, betonte Pastoralamtsleiterin Prüller-Jagenteufel gegenüber „Kathpress“. In einigen deutschen Diözesen würden ähnliche Prozesse bereits seit zehn bis 15 Jahren unternommen. Sie verwies als Beispiel auf die Erzdiözese Paderborn und ähnliche Reformmodelle in der Diözese Aachen.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at/KAP

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