„Vatileaks“: Prozess gegen Informatiker beginnt

In der sogenannten Vatileaks-Affäre hat am Montag ein zweiter Prozess begonnen. Der Informatiker Claudio Sciarpelletti wird beschuldigt, Paolo Gabriele beim Diebstahl geheimer Unterlagen unterstützt zu haben.

Der im Oktober zu 18 Monaten Haft verurteilte ehemalige Kammerdienser des Papstes, Paolo Gabriele, bestritt bislang, Komplizen gehabt zu haben. Der 48-jährige Angeklagte war ebenso wie Gabriele, der als Zeuge geladen ist, bei der Anhörung im Gericht des Kirchenstaates anwesend.

Im Schreibtisch des 48 Jahre alten Italieners im vatikanischen Staatssekretariat war am 25. Mai ein Briefumschlag mit der Aufschrift „P. Gabriele persönlich“ gefunden worden. Er enthielt eine Schmähschrift gegen den Kommandanten der vatikanischen Gendarmerie, Domenico Giani, sowie nicht vertrauliche Unterlagen. Sciarpelletti wurde daraufhin für einen Tag inhaftiert. In Vernehmungen machte er widersprüchliche Aussagen über die Herkunft des Kuverts.

Informatiker beteuert Unschuld

Sciarpellettis Verteidiger hob am ersten Verhandlungstag die Unschuld seines Mandanten hervor. Dieser würde nicht seine 20 Jahre währende Tätigkeit für den Heiligen Stuhl aufs Spiel setzen, um einem Mann wie Gabriele einen Gefallen zu tun. Mit diesem verbinde ihn keine enge Freundschaft.

Der Anwalt forderte die Rücknahme der Anklage. Die Beschreibung des Straftatbestands sei zu ungenau. Er versicherte zudem, dass sein Mandant mit der vatikanischen Justiz zusammenarbeite. Sein Antrag, den Telefon- und Email-Verkehr zwischen Sciarpelletti und Gabriele auszuwerten, lehnte das vatikanische Gericht ab.

Rätselhafte Beziehung

Die Beziehung zwischen Sciarpelletti und Gabriele bleibt rätselhaft. Der Computertechniker hatte erst von einem „guten Arbeitsverhältnis“ gesprochen, dann auch von Kontakten außerhalb der Arbeitszeit, die auch die Familien eingeschlossen hätten.

Gabriele selbst lieferte ebenfalls unterschiedliche Versionen. Aufhorchen ließ eine Bemerkung des Vorsitzenden Richters im Prozess gegen Gabriele. Er teilte mit, dass die in dessen Wohnung sichergestellten Computer, USB-Sticks und sonstige Dateien Gegenstand des Prozesses gegen Sciarpelletti seien.

Gericht schließt Verschwörung aus

Allen Unklarheiten und Ungereimtheiten zum Trotz wurde bereits Vorentscheidung getroffen. Die vatikanischen Richter schlossen im Prozess gegen Gabriele eine Verschwörung ausdrücklich aus. Es waren dieselben Richter, die auch über Sciarpelletti urteilen.

Die etwaige Schuld des Computerexperten sah das Gericht im Prozess gegen Gabriele bereits als so geringfügig an, dass es dem Antrag der Verteidigung stattgab, die Verfahren zu trennen. Auch der Untersuchungsrichter kam zu dem Ergebnis, es gebe keine „hinreichenden Beweise“ für eine Mittäterschaft Sciarpellettis. Ursprünglich war gegen den Italiener auch wegen Falschaussage und Verletzung des Dienstgeheimnisses ermittelt worden.

Bemühen um Aufklärung „nur mäßig“

Weil der Prozess gegen Gabriele wichtige Fragen offenließ, findet die Einschätzung des vatikanischen Staatssekretariates, das Verfahren sei transparent geführt worden, kaum Anhänger. Unter den Journalisten, die den Prozess beobachteten, herrschte vielmehr der Eindruck vor, dass sich das Vatikan-Gericht nicht mit letzter Konsequenz um eine Aufklärung bemüht habe. Dazu kommt, dass der Vorsitzende Richter, Giuseppe Dalla Torre, schon vor Tagen ankündigte, dass auch der Prozess gegen Sciarpelletti nur kurz sein werde.

Größte mediale Aufmerksamkeit dürfte die Befragung des Neffen von Erzbischof Carlo Maria Vigano erhalten. Denn mit der Veröffentlichung von Beschwerdebriefen Viganos an den Papst und an Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone in italienischen Medien nahm die „Vatileaks“-Affäre zu Jahresbeginn ihren Anfang. Nach Gabrieles Aussage war der Fall „Vigano“ unmittelbarer Auslöser für seinen Diebstahl.

KAP/AFP

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