Kritik an vorläufigem Aus für Missbrauchsstudie

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat am Mittwoch das Ende der Zusammenarbeit mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer bekanntgeben. Kritik an dieser Entscheidung kommt aus Kirche und Politik.

„Meine erste Reaktion war: Das ist ein PR-GAU der Sonderklasse“, sagte der Münsteraner Theologe Klaus Müller gegenüber der dpa. Der Wissenschafter vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Universität Münster spricht aus, was sich wohl viele denken. Seit am Mittwoch bekanntwurde, dass die Deutsche Bischofskonferenz ihre Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) aufgekündigt hatte, gehen die Wogen in Deutschland hoch.

Anspruch der wissenschaftlichen Aufklärung

Dabei galt das Projekt, das die deutsche katholische Kirche vor rund eineinhalb Jahren präsentiert hatte, als äußerst ambitioniert. In einer großangelegten Studie sollten die sexuellen Übergriffe von Priestern und anderen Geistlichen vor allem aus den Jahren 1950 bis 1980 wissenschaftlich analysiert werden - mehr dazu in Deutsche katholische Kirche stoppt Missbrauchsstudie (religion.ORF.at; 09.01.2012)

Man wolle „der Wahrheit auf die Spur kommen“ und „eine ehrliche Aufklärung“, hatte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz und Trierer Bischof Stephan Ackermann 2011 erklärt. Die vorzeitige Beendigung des Vertrags mit dem Kriminologen und NKF-Direktor Pfeiffer bedeutet für das Projekt allerdings ein vorläufiges Ende.

Vorwurf der Zensur

Für Kritik an den deutschen Bischöfen sorgten vor allem die Vorwürfe von Pfeiffer gegenüber der Kirche. Der Verband der Diözesen Deutschlands habe nachträglich mitbestimmen wollen, welche Ergebnisse veröffentlicht werden, sagte der Kriminologe am Mittwoch der „Süddeutschen Zeitung“. Gegenüber dem deutschen Nachrichtensender NDR sprach Pfeiffer von Zensurbestrebungen seitens der DBK.

Christian Pfeiffer

dapd/Maja Hitij

Christian Pfeiffer wirft den deutschen Bischöfen versuchte Zensur vor.

Es sei vereinbart gewesen, dass sein Institut seine Texte der Kirche vor der Veröffentlichung vorlegen solle. Das sei bei solchen Forschungen „ganz üblich“. „Dann kamen plötzlich aus München/Freising, später auch aus Regensburg Gegenvorschläge“, sagte Pfeiffer. Diese „gipfelten“ in einem neuen Vertragsentwurf, laut dem eine Veröffentlichung der Texte nur nach schriftlicher Genehmigung der Kirche möglich gewesen wäre. "Das war Zensur, und dem haben wir uns nicht gebeugt“, so der Kriminologe.

Persönliche Gründe hinter Entscheidung

Die deutschen Bischöfe weisen die Anschuldigungen Pfeiffers zurück und scheinen auch gerichtlich gegen die Zensurvorwürfe des NKF-Direktors vorgehen zu wollen. Am Donnerstag soll Pfeiffer nach eigenen Angaben von der Kirche eine Unterlassungserklärung erhalten haben. Der Sprecher der DBK, Matthias Kopp, nannte den Vorwurf der Zensur im „Mannheimer Morgen“ (Donnerstag-Ausgabe) absurd. "Der Wechsel des Projektpartners, den wir jetzt vollziehen, hat ausschließlich persönliche Gründe im Zerwürfnis mit dem Projektleiter“, sagte Kopp.

Bischof Stephan Ackermann

dapd/Harald Tittel

Der Missbrauchsbeauftragte der DBK, Stephan Ackermann, kann Christian Pfeiffer nicht mehr vertrauen.

Auch Bischof Ackermann hatte am Mittwoch erklärt, dass die Kündigung des Vertrags „allein mit dem mangelnden Vertrauen in die Person von Professor Pfeiffer“ zusammenhänge. Vertrauen sei aber "für ein so umfangreiches und sensibles Projekt unverzichtbar“, so der Missbrauchsbeauftragte der DBK. Ein Knackpunkt war nach Darstellung von Ackermann die Anonymisierung von Daten, ein anderer die Frage der Veröffentlichung und der Bewertung der Erkenntnisse auf Augenhöhe. „Da gab es unterschiedliche Vorstellungen, die man aber hätte zusammenführen können“, so Ackermann.

Wenig Interesse an Aufklärung?

„Es kann nur daran liegen, dass die Seite der Bischöfe, die diese Form der Aufklärung für richtig halten, unter massivem Druck der konservativen Kräfte stehen“, äußert der Theologe Müller seine Zweifel an der Erklärung der DBK. Müller war bis 2012 zwölf Jahre in der Medien- und in der Pastoral-Kommission Berater der deutschen Bischöfe. Der Münsteraner Wissenschafter steht mit seiner Vermutung nicht alleine da.

Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warf der katholischen Kirche am Donnerstag im Deutschlandfunk vor, sie sei womöglich nicht an der vollständigen Aufklärung von Missbrauchsfällen interessiert. Die Entscheidung, die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut zu beenden, erwecke den Eindruck, als wollten Kirchenvertreter letztlich doch nicht alles unabhängig aufklären lassen, so Leutheusser-Schnarrenberger.

Auch die Laienorganisation „Wir sind Kirche“ kritisierte die DBK. „Die verschiedenen Einzelmaßnahmen der vergangenen drei Jahre können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutschen Bischöfe bisher wohl immer noch nicht zu einer unabhängigen Aufarbeitung und Ursachenforschung sexualisierter Gewalt bereit sind“, sagte Sprecher Christian Weisner am Mittwoch in München.

Projekt wird fortgesetzt

Christian Pfeiffer will das Forschungsprojekt nun auch ohne Unterstützung der Bischöfe fortsetzen. alleine fortsetzen. „Für die Opfer ist der Stopp der Studie sehr enttäuschend. Wir werden die Opfer bitten, mit uns weiter zusammenzuarbeiten“, sagte Pfeiffer der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag-Ausgabe).

Die deutschen Bischöfe wiederum sind auf der Suche nach einem neuen Projektpartner. Bischof Ackermann zeigte sich zuversichtlich, dass man „schon bald das Forschungsprojekt mit anderen Partnern in Angriff nehmen“ könne. Bereits in der nächsten Woche sollten dazu „die nötigen Gespräche“ geführt werden.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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