Missbrauchsstudie: Psychologe verteidigt Bischöfe

Der Wille der deutschen Bischöfe, sexuellen Kindesmissbrauch in der Kirche aufzuklären, stand zu keinem der Zeitpunkt in Frage, so der Leiter des Instituts für Psychologie der päpstlichen Universität Gregoriana, Hans Zollner.

Der deutsche Jesuit und und Vizerektor der Universität bekräftigte damit gegenüber „Radio Vatikan“ jüngste Signale der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), nach dem vorläufigen Scheitern eines Forschungsprojektes zu Kindesmissbrauch eine neue Studie starten zu wollen - mehr dazu in Deutsche katholische Kirche stoppt Missbrauchsstudie.

Durch das Scheitern der Studie sei „schwerer Schaden“ entstanden, sagte der Jesuitenpater: Mühsam aufgebautes Vertrauen sei erschüttert worden, die Enttäuschung der Opfer verständlich. „Es muss festgestellt werden, dass leider jetzt all die guten Dinge, die in den letzten zwei Jahren im Bereich der Aufarbeitung und im Bereich der Prävention geschehen sind, mit einem Fragezeichen versehen werden“, so Zollner. Er wünschte den Bischöfen, die ohnehin schon beschlossene Untersuchung schnell und unter klareren Bedingungen als bisher durchzuführen, um fragwürdig gewordenes Vertrauen wieder zu festigen.

Ackermann: Pfeiffer-Kündigung „Rückschlag“

Auch DBK-Missbrauchsbeauftragter Bischof Stephan Ackermann räumte am Montag gegenüber Spiegel online ein, dass die Kündigung des Vertrags von Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen ein „Rückschlag“ sei. Es gebe eine „massive Enttäuschung für die Opfer“, wie die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA am Dienstag berichtete.

Bischof Stephan Ackermann

dapd/Harald Tittel

DBK-Missbrauchsbeauftragter Bischof Stephan Ackermann: „Die Kündigung des Vertrags hat wirklich viel mit der Person Pfeiffer zu tun.“

Zugleich verteidigte Ackermann jedoch die Linie der deutschen Bischöfe: Die Aufarbeitung des Skandals sei nicht gescheitert, weil man das Projekt fortführen wolle. Ackermann verwies hier auf die im Dezember vorgestellte Studie des Essener Psychiaters Norbert Leygraf über Täter sowie den Abschlussbericht der Telefonhotline der Bischöfe, der am Donnerstag vorgestellt wird.

„Schmerzliche Wahrheiten“

Leygraf habe, so Ackermann, der Kirche „schmerzliche Wahrheiten“ präsentiert, es habe dennoch keinen Ärger mit den Wissenschaftlern gegeben. „Die Kündigung des Vertrags hat wirklich viel mit der Person Pfeiffer zu tun“, sagte der Bischof. Die Heranziehung Pfeiffers für das Projekt begründete der Trierer Bischof mit dem enormen Druck, unter dem die Kirche vor drei Jahren nach der Aufdeckung des Skandals gestanden sei. „Im Nachhinein kann man kritisch sagen: Wir hätten erst alle Vorklärungen treffen müssen, bevor wir eine Kooperation unterschreiben“, sagte er.

Christian Pfeiffer

dapd/Maja Hitij

Die Kündigung des Vertrags von Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen sei ein „Rückschlag“, gesteht die Kirche zu

Pfeiffers Vorwurf der Aktenvernichtung wies der DBK-Missbrauchsbeauftragte erneut zurück. Der Kriminologe habe Gerüchte in die Welt gesetzt, ohne konkrete Diözesen nennen zu können. Ackermann räumte ein, dass „unsere Aktenführung in früheren Jahren nicht dem Standard entspricht, den man heute erwartet“. Dennoch seien auch in früheren Jahren bei Sittlichkeitsverfahren der Tatbestand und das Urteil aufbewahrt worden: „So sieht es das Kirchenrecht vor. Also fallen keine Tat und kein Täter unter den Tisch.“

Zollner sieht korrektes Vorgehen

Auch Vizerektor Zollner sieht korrektes Vorgehen der Diözesen. Hätte Pfeiffer ein gesetzeskonformes Konzept vorgelegt, „hätte er sich natürlich an Vieles halten müssen, was jetzt so dargestellt wird, als ob die Kirche da ausgesprochene Sonderwünsche hätte. Das ist überhaupt nicht der Fall“, so Zollner. Er stellte sich hinter den Entzug des Forschungsauftrages, den die Bischofskonferenz unter anderem mit offenen datenschutzrechtlichen Fragen begründet hatte. Vor allem aber sei es um die normale dienstrechtliche Vorschrift der Sorgfalts- und Fürsorgepflicht gegangen, die Pfeiffer „offensichtlich in seinem Konzept nicht genügend gut erklären konnte“.

Mit „Zensurwünschen der Kirche“, wie Pfeiffer den Wunsch des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) vom Mai 2012 nach einer Vorab-Genehmigung der Studientexte bezeichnete, habe dies laut Zollner nichts zu tun: „Das kommt in jedem Bereich vor, in der Medizinforschung, in der Psychologieforschung. Das ist vollkommen normal, dass der Arbeitgeber oder der Auftraggeber - in diesem Fall - sich die Sachen vorlegen lassen will. Dass er aber dabei nicht eingreift und keine Zensur ausübt, ist auch normal. Es muss eben nur klar sein, was und wann veröffentlicht wird und vor allem, wie persönliche Daten gehandlet werden. Und hier konnte der Herr Pfeiffer nichts Schlüssiges vorlegen“, so Zollner.

„Weniger öffentlichkeitsorientiert“

Auch Leygraf, der Leiter der Täter-Studie, nahm die DBK am Montag gegen Zensurvorwürfe in Schutz. Der Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen sagte der KN in Essen, die Kirche habe in keiner Weise Einfluss auf den Abschlussbericht seines Forschungsprojekts genommen und keine Zensur ausgeübt. Das gelte auch für eine geplante Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift. Wie bei Drittmittelstudien üblich, seien die Ergebnisse der Studie den Auftraggebern aber vor der Veröffentlichung vorgestellt worden.

Mit Blick auf die Auseinandersetzung mit Pfeiffer riet Leygraf den Bischöfen, sie sollten für die Fortsetzung der Studie einen Kriminologen suchen, „der weniger öffentlichkeitsorientiert, aber dafür fundierter vorgeht“. Für die im Dezember veröffentlichte Studie Leygrafs wurden 78 Gutachten aus 21 deutschen Diözesen ausgewertet. Die Gutachten wurden zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2010 erstellt. Die meisten Vorfälle lagen mehrere Jahrzehnte zurück.

Leygraf bezeichnete die Beteiligung von 21 Diözesen als hoch. Die Studie hatte festgestellt, dass katholische Priester, die Minderjährige missbrauchen, in den seltensten Fällen in klinischem Sinne pädophil seien. Die Beweggründe für sexuelle Übergriffe ließen sich überwiegend dem „normalpsychologischen Bereich“ zuordnen.

KAP

Links:

  • Deutsche Bischofskonferenz (www.dbk.de/)
  • Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (www.kfn.de/)
  • Radio Vatikan