Bischofsentführung: Auslandsgemeinden intervenieren

Auch die Auslandsgemeinden der Kirchen im arabischen Raum, Syro-Aramäer, Melkiten, Chaldäer, Kopten und Maroniten, versuchen über Politkontakte eine Befreiung der entführten syrischen Bischöfe zu erwirken.

Der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Butros Rai rief am Montag (Ortszeit) von Brasilien aus die Staaten der Welt zur Mithilfe bei der Freilassung der beiden in Syrien verschleppten Bischöfe auf. Die internationale Gemeinschaft müsse „den Krieg, den Terrorismus und die Gewalt im Nahen Osten“ beenden, verlangte er nach Angaben der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA bei einem Besuch der maronitischen Diaspora in Südamerika.

Der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Butros Rai

APA/EPA/Horacio Villalobos

Der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Butros Rai

„Zwei Erzbischöfe zu entführen, hat mit politischen Erwägungen nichts zu tun“, sagte der libanesische Kardinal. Er besuchte laut deutscher katholischer Nachrichtenagentur KNA die maronitischen Gemeinden in Südbrasilien und Uruguay.

Schicksal weiter unklar

Das Schicksal des syrisch-orthodoxen Metropoliten Mar Gregorios Johanna Ibrahim und des griechisch-orthodoxen Erzbischofs Bulos Jasidschi ist unterdessen weiter unklar. Die beiden waren am 22. April nahe Aleppo von Bewaffneten verschleppt worden. Bei dem Überfall wurde der Fahrer der beiden getötet. Laut der syrisch-orthodoxen Diözese soll es sich bei den Entführern um Tschetschenen im Sold der islamistischen Al-Nusra-Front handeln.

In einem Interview mit dem Stuttgarter Radiosender SWR wies der Salzburger Kirchenhistoriker und Vorsitzende der westösterreichischen Pro-Oriente-Sektion, Dietmar Winkler, darauf hin, dass Metropolit Mar Gregorios weltweit als Mann des Dialogs bekannt und vernetzt sei, weshalb „es völlig untypisch“ sei, dass er sich nicht meldete.

Lage in Syrien „völlig unübersichtlich“

Das zeige auch, dass die Lage in Syrien völlig unübersichtlich sei. Auch bei der Opposition wisse man nicht immer, wer mit und wer gegen wen kämpft. Das führe zu „größter Sorge“ um die beiden entführten Metropoliten: „Wenn man jemanden entführt, dann stellt man früher oder später Forderungen. Das ist bisher offenbar nicht geschehen.“

Man müsse auch erkennen, dass der Konflikt in Syrien längst nicht einfach nur ein Bürgerkrieg sei, sondern einen religiösen Hintergrund habe, unterstrich Winkler. Allerdings handle es sich in erster Linie um einen innermuslimschen Hintergrund, es gehe um die Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten.

Christen zwischen den Fronten

In Syrien sei eine schiitische Abspaltung - die Alawiten - an der Macht gewesen, so der Kirchenhistoriker. Der schiitische Iran wolle sich als Regionalmacht positionieren und über Irak, Syrien und die libanesische schiitische Hisbollah den Zugang zum Mittelmeer freihalten. Die sunnitischen arabischen Staaten würden dem entgegenhalten, vor allem Saudi-Arabien, von wo aus muslimische Kämpfer - „Dschihadisten“ - finanziert würden.

Der syrisch-orthodoxe Metropolit von Aleppo, Mar Gregorios Yohanna Ibrahim

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Mar Gregorios Johanna Ibrahim

„Die Christen geraten hierbei zwischen die Fronten. Und mit der Entführung der prominenten Bischöfe hat dies eine neue Dimension erreicht“, so Winkler. Die Flüchtlingsströme von Muslimen und Christen aus Syrien seien bereits jetzt enorm, vor allem in den benachbarten Libanon, dessen Aufnahmekapazitäten am Limit sind.

Dazu der Salzburger Pro-Oriente-Vorsitzende weiter: „Selbstverständlich haben die Christen eine Perspektive im Nahen Osten, denn sie gehören gerade dahin. Dort hat das Christentum seine Wiege, dort fanden die ersten Konzilien statt, dort überdachten die frühen Kirchenväter den christlichen Glauben, dort liegen die Wurzeln des Christentum, von dort aus hat sich das Christentum in verschiedenen Traditionssträngen nach Ost und West ausgebreitet“. Christen seien lange vor der Ankunft des Islam in der Region gewesen und hätten auch später wesentlich zur Kultur und Wissenschaft der islamischen Zivilisation beigetragen.

Christen als Ausgleichsmoment

In jüngerer Zeit habe sich zudem auch immer wieder gezeigt, dass die Christen ein wesentliches Ausgleichsmoment im Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten sein können, so Winkler: „Die Christen im Orient gehören von uns mit allem Einsatz unterstützt, eben auch zum Wohle der muslimischen Gesellschaften. Weitblickende Muslime, wie etwa der Grußmufti von Syrien, haben das längst erkannt.“

Mar Bulos Jasidschi

APA/EPA/SANA

Mar Bulos Jasidschi

Winkler erinnerte daran, dass die Christen im Orient seit der Ankunft des Islam im 7. Jahrhundert mit den Muslimen - im Auf und Ab, zwischen fruchtbarem Austausch und Konflikten - zusammengelebt haben. Sie hätten daher „1.300 Jahre Dialogerfahrung“.

Pluralität „ein Schatz“

Dazu komme, dass das orientalische Christentum selbst vielfältig ist und sich in verschiedenen, sehr reichen Spiritualitäten, theologischen und liturgischen Traditionen darstellt, unter anderem in der syro-aramäischen, der griechischen, der koptischen Tradition, aus denen auch christlich-arabische Traditionen herauswuchsen. Das sei „eine christliche Pluralität und ein Schatz, den der christliche Orient dem übrigen Christentum vermitteln kann“.

Schon heute lebten mehr orientalische Christen außerhalb des Nahen Ostens als in ihren Mutterländern, sagte der Experte des Christentums der syrischen Tradition: „Wenn die Christen vertrieben würden, dann heißt das nicht nur Verlust und Zerstörung von uralten kirchlichen Traditionen und unschätzbarem liturgischen und spirituellen Kulturgut, sondern auch für diese Christen den Verlust ihrer Wurzeln, ohne die sie ihre Traditionen im Westen nicht leben können.“

religion.ORF.at/KAP

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