Polen: Politik bei Schächtungsverbot einig

Der internationale Streit um das Schächtungsverbot in Polen hat die bisher verfeindeten Lager kurzzeitig vereint. Sowohl die Regierung als auch die Opposition stehen dem Verbot positiv gegenüber.

Premier Donald Tusk von der rechtsliberalen Regierungspartei Bürgerplattform (PO) hatte eine Erklärung des israelischen Außenministeriums, in der das Verbot der rituellen Schlachtung scharf kritisiert wurde, als unangemessen bezeichnet. Der Chef der nationalkonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, bezeichnete Tusks Reaktion als positiv. Er forderte, den israelischen Botschafter in das Außenministerium zu zitieren.

Donald Tusk

Reuters/Kacper Pempel

Polens Premierminister Donald Tusk

Scharfe Kritik aus Israel

Israel hatte das Verbot der Schächtung von Tieren in Polen als „völlig inakzeptabel“ kritisiert - mehr dazu in Schächtverbot in Polen: Juden und Muslime schockiert. Die Entscheidung füge der Wiederbelebung des jüdischen Lebens in Polen schweren Schaden zu.

Tusk meinte daraufhin, dass der „historische Kontext hier milde gesagt unpassend“ sei und ein Vergleich mit der derzeitigen Situation hinke. Am Dienstag erklärte Tusk, dass die Regierung aktuell keine neue Gesetzesinitiative in der Angelegenheit erwäge. Zunächst sollten Rechtsexperten des legislativen Zentrums der Regierung prüfen, ob die religiösen Minderheiten des Landes Schlachtungen dennoch nach jüdischen und muslimischen Vorschriften durchführen könnten - mehr dazu in Polen: Rechtsexperten überprüfen Schächtungen.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden in Polen, Piotr Kadlcik, forderte das Verfassungsgericht dazu auf, das Argument, die rituelle Schlachtung verstoße gegen das Tierschutzgesetz und verbiete diese, auch wenn sie durch das Gesetz über Beziehungen des Staates mit der Jüdischen Gemeinde zugelassen wäre, zu verifizieren.

Schlachthöfe fordern Entschädigung

Schlachthöfe, die sich mit der rituellen Schlachtung befassten, bereiteten unterdessen eine Sammelklage auf Entschädigung für das Verbot vor, berichtete die Tageszeitung „Rzeczpospolita“ (Mittwochsausgabe). Der Wert des Verkaufs von Fleisch aus ritueller Schlachtung betrug vorher bis zu 1,5 Milliarden Zloty (352,44 Mio. Euro) jährlich. Die Verluste der Branche werden auf einige hundert Millionen Zloty geschätzt.

Die Schächtung von Tieren ist in Polen seit Jahresanfang verboten. Das polnische Verfassungsgericht hatte im November 2012 die Tötung von Tieren ohne Betäubung als verfassungswidrig eingestuft, weil es sich um Tierquälerei handle. Das polnische Parlament hat am vergangenen Freitag ein von der Regierung vorgelegtes Gesetz, das eine rituelle Schlachtung von Tieren für religiöse Zwecke erlaubt hätte, abgelehnt, weil auch zahlreiche Abgeordnete der regierenden PO dagegen stimmten.

APA