Papst: Beraterkommission war Idee des Konklaves

In seinem bisher ersten Interview als Papst hat Franziskus seine Sichtweise der geplanten Kurienreform, der Kirche und des ökumenischen Dialogs dargelegt.

Nachdem am Sonntagabend (Ortszeit) Auszüge des Gesprächs, das am Donnerstag der Vorwoche im Rahmen des Weltjugendtages in Rio de Janeiro geführt worden ist, veröffentlicht wurden, stellte der brasilianische Fernsehsender Globo am Montag das komplette Interview online zur Verfügung.

Wie Franziskus darin darlegte, sei der Impuls für die von ihm bestellte Beraterkommission für die Kurienreform aus dem Konklave im März gekommen: „In der Generalkongregation wurden eine Woche lang die Probleme klar angesprochen, um zu sehen, wie ist die Realität und welches Profil braucht der nächste Papst.“

Schon damals sei über einige notwendige Reformen gesprochen worden. „Man bat, dass der neue Papst eine Kommission von Externen bilden solle, damit diese die Probleme der Neuordnung der römischen Kurie erhebe“, so der Papst.

Kardinalshüte in einer Reihe beim Konklave

APA/EPA/Osservatore Romano

Schon während der Beratungen der Kardinäle vor dem Konklave im März sei die Idee einer Beraterkommission aufgekommen, sagt der Papst

Kommission arbeitet bereits

Tatsächlich hat Papst Franziskus nicht einmal einem Monat nach seinem Amtsantritt am 13. April eine Kardinalskommission zur Kurienreform eingesetzt - mehr dazu in Papst beginnt mit Kurienreform. Diese habe bereits ihre Arbeit aufgenommen und hole Meinungen von Bischöfen und Bischofskonferenzen ein, erklärte Franziskus. „Man sucht Reformideen - in der Dynamik des Synodalen.“ Die acht Mitglieder der Kommission (siehe Slideshow) hätten bereits viele Dokumente erhalten, „die wir unter uns austauschen“, so der Papst.

Allerdings forderte Franziskus auch Geduld für den Reformprozess ein. Zur ersten öffentlichen Sitzung der Kommission, die vom 1. bis 3. Oktober 2013 stattfinden soll, sagte er wörtlich: „Wenngleich man da einiges an Richtungweisendem sehen wird, glaube ich nicht, dass bei dieser Sitzung bereits etwas Definitives herauskommt, denn die Reform der Kurie ist eine sehr ernste Angelegenheit.“ Die vorliegenden Vorschläge müssten noch reifen: „Ich rechne damit, dass wir zwei oder drei weitere Sitzungen abhalten müssen, bevor man eine Reform bemerken wird.“

Inhaltlich gehe es in den sitzungen nicht nur um die „Vatileaks-Skandale, die die ganze Welt kennt“, betonte der Papst: Die Kirche müsse sich immer erneuern, sonst trete sie auf der Stelle. Manche in vergangenen Zeiten nützliche Dinge müsse man neu ordnen. „Die Kirche ist dynamisch und reagiert auf die Dinge des Lebens.“ Wie in jeder Organisation würden auch in der Kurie „einige Dinge gefallen, andere wiederum nicht“. Es gebe hier auch viele Heilige - „heilige Kardinäle, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien - Leute Gottes, die die Kirche lieben. Das sieht man nicht.“

„Konzil noch nicht voll umgesetzt“

In Bezug auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) sagte der Papst, dieses sei „noch nicht voll umgesetzt“, es inspiriere die Kirche jedoch weiterhin. „Die Umsetzung eines Konzils dauert 100 Jahre, also haben wir jetzt die Hälfte“, erklärte er.

Franziskus äußerte sich in diesem Zusammenhang auch über den Konzilspapst Johannes XXIII. sowie über Johannes Paul II. Beide seien „große Männer“ und Vorbilder für die Kirche. Sie stünden zueinander „in Kontinuität“, da sie beide ein Zeugnis der Erneuerung der Kirche gegeben hätten, ohne dabei die Kontinuität der kirchlichen Tradition aufzugeben. Auch Johannes Paul II. habe Türen geöffnet, indem er „die Koffer packte“ und durch seine zahlreichen Reisen „ein Missionar“ gewesen sei.

Es sei für ihn aufgrund dieser Parallelen „eine Freude, dass beide am gleichen Tag in derselben Zeremonie heiliggesprochen werden“, so der Papst. Voraussichtlich wird die Heiligsprechung im April 2014 stattfinden.

Kirche soll ärmer und mütterlicher sein

Er selbst glaube, so Franziskus, „dass Gott uns in diesem Moment um mehr Einfachheit bittet“. Die Kirche solle „schlichter, einfacher, auch ärmer“ sein, so der Papst, der auch auf seinen Konklave-Sitznachbarn Kardinal Claudio Hummes hinwies, der ihm unmittelbar nach der Wahl gesagt habe „Vergiss nicht auf die Armen!“ - „Eine Phrase, die mir so gut tat.“

Weiters müsse sich die katholische Kirche heute um mehr Nähe zu den Menschen bemühen. Die Kirche sei wie eine Mutter, die ihre Kinder liebe. „Wenn sie in tausend Dingen beschäftigt ist und nur noch Dokumente produziert, vernachlässigt sie das Mütterliche. Das ist dann wie eine Mutter, die mit ihren Kindern nur in Briefform kommuniziert.“ Ein Problem sei der Priestermangel in vielen Gegenden, in denen die Menschen dennoch auf der Suche seien und das Evangelium brauchten.

Papst Franziskus im Auto

Reuters/Ricardo Moraes

Papst Franziskus wählte in Brasilien immer wieder ein „normales“ Auto, eines das auch „ein einfacher Angestellter“ haben könnte, wie er sagt

Pfarrer-Autos sollen bescheiden sein

Seine vielbeachtete Wahl des Auto-Modells während der Brasilienreise - der Papst war hier in einem Fiat-Minivan unterwegs - wie auch im Vatikan kommentierte der Papst mit den Worten, dass dies ein Auto sei, wie es „ein einfacher Angestellter“ haben könne: „Ich glaube, da können wir Zeugnis von Einfachheit und sogar von Armut geben. Unser Volk fordert von den Priestern Armut - in gutem Sinn. Es verletzt sein Herz, wenn wir Geistlichen am Geld kleben. Das wäre schlecht.“

Wenn ein Priester stets das neueste Auto und eine teure Automarke fahre, sei dies „kein gutes Vorbild“, so der Papst. Er selbst habe die Priester bereits als Erzbischof von Buenos Aires um Verhältnismäßigkeit gebeten: Einerseits sei für Pfarrer ein eigenes Auto wichtig, denn „in der Pfarre gibt es tausend Dinge zu tun“. Andererseits solle es aber auch ein bescheidenes Auto sein.

Flucht vor der Einsamkeit

Seine Entscheidung, im Vatikan weiterhin im Gästehaus Santa Marta zu wohnen habe indes nur indirekt mit der geforderten Armut zu tun: „Die päpstlichen Gemächer sind zwar groß, aber nicht luxuriös oder so schön und kunstvoll wie die Empfangsräume im Untergeschoß.“ Vielmehr gehe seine Entscheidung auf seine persönliche Wesensart zurück und habe „psychiatrische Gründe“, so Franziskus mit humorvollem Unterton: Er wolle die Einsamkeit meiden, bei der er sonst einem Psychiater „viel Geld“ geben müsse.

Vor allem wolle er in Santa Marta „unter Leuten sein“, so der Papst. Besonders schätze er das Frühstück, Mittag- und Abendessen im Speisesaal mit den Gästen, die stets „unterschiedliche Leute“ seien. „Das tut mir gut.“

Ökumene: Nähe und Einsatz für andere

Zum Dialog zwischen den Konfessionen betonte der Papst, es sei weltweit eine „Kultur der Begegnung“ notwendig, die „Nähe und das aus sich Herausgehen“ beinhalte, um dadurch die großen Probleme der Gegenwart zu lösen.

„Wichtig ist, dass sich alle für die anderen einsetzen und den Egoismus überwinden, gemäß den Werten ihres eigenen Glaubens. Wir müssen uns alle treffen, um für die anderen zu arbeiten“. Die Konfessionen dürften sich untereinander nicht auf Kosten anderer streiten. Zuerst komme der Einsatz für andere, „erst dann sprechen wir über Glaubensthemen und suchen nach gegenseitigem Verständnis.“

Sei etwa ein Jugendlicher in Not - durch Hunger oder fehlenden Zugang zu Bildung - müsse das Interesse vorrangig darin liegen, „dass er keinen Hunger mehr hat und Bildung bekommt. Ob ihm dies Katholiken, Protestanten, Orthodoxe oder Juden geben, interessiert mich nicht“, so der Papst.

„Ich glaube, die verschiedenen Konfessionen können nicht ruhig schlafen gehen, wenn ein einziges Kind an Hunger stirbt und ohne Bildung ist oder ein alter Mensch keine Gesundheitsversorgung bekommt.“ Zwar seien die Konfessionen keine Wohltätigkeitsvereine, doch „zumindest in unserem christlichen Verständnis werden wir für unsere Werke der Nächstenliebe gerichtet werden“.

„Sind Sie zufrieden?“

Auch die Sozialproteste in Brasilien, das Papamobil, sein Leben im vatikanischen Gästehaus und die Vernachlässigung alter Menschen sprach der Papst in dem insgesamt 43-minütigen Gespräch mit dem Journalisten Gerson Camarotti an.

Franziskus sprach dabei Spanisch, wie zuletzt mehrmals bei den Ansprachen am Weltjugendtag, und seine Antworten endeten immer wieder mit Phrasen wie „Sind Sie zufrieden mit dieser Antwort?“, einmal auch: „Kann ich darüber noch ein bisschen länger sprechen?“ Wie Camarotti gegenüber „GlobeNews“ bekanntgab, habe sich der Papst vor keiner Frage gedrückt.

KAP

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