Israel: 750.000 bei Begräbnis von Rabbi Ovadja Josef

Es war das größte Begräbnis in Israels Geschichte: Hunderttausende Israelis gaben dem wichtigsten spirituellen Führer der orientalischen Juden am Montag das letzte Geleit.

Rabbi Ovadja Josef, das geistliche Oberhaupt der strengreligiösen Schas-Partei, starb am Montag im Alter von 93 Jahren. Nach Medienberichten nahmen 750.000 Menschen an seinem Begräbniszug teil, der durch die Stadt Jerusalem führte. Die Polizei bestätigte mindestens 600.000 Teilnehmer.

Ultraorthodoxe jüdische Männer beim Begräbnis von Rabbi Ovadia Josef

APA/EPA/Jim Hollander

Laut Medienberichten nahmen 750.000 Menschen an Rabbi Ovadja Josefs Begräbnis teil

Angesichts der großen Menschenmassen bei dem Begräbnis sperrte die Polizei zahlreiche Straßen. Mehrere Hundert Menschen wurden in dem Gedränge nach Medienberichten leicht verletzt. Der Trauerzug begann im Stadtzentrum nahe der Porat-Josef-Jeschiwa und führte zum Sanhedria-Friedhof weiter nördlich, wo auch Josefs Frau begraben liegt. Sein Sohn, Israels Oberrabbiner Jizchak Porat, sagte bei der Traueransprache weinend: „Es gab nie jemanden wie ihn, und es wird nie wieder jemanden geben wie ihn.“

Der mit Josef befreundete Staatspräsident Schimon Peres (90) unterbrach spontan ein Treffen mit dem tschechischen Staatschef Milos Zeman, um sich an Josefs Sterbebett im Jerusalemer Vorort Ein Kerem zu begeben.

Deri: „Er war unser Vater“

Zahlreiche Angehörige und Anhänger des Rabbiners drängten sich in dessen letzten Stunden im Krankenhaus. Gemeinsam mit religiösen Juden im ganzen Land hatten sie bis zuletzt inständig für Josefs Gesundheit gebetet. Unter Tränen gab der politische Vorsitzende der Schas-Partei, Ari Deri, den Radiosendern Interviews. „Wir sind alleine ohne ihn, er war unser Vater“, sagte er.

Begräbnis von Rabbi Ovadia Josef

APA/EPA/Abir Sultan

Ultraorthodoxe tragen die Leiche des Rabbis in die Porat-Josef-Jeshiwa

Auch Palästinenserpräsident Machmud Abbas nutzte den Besuch von Knesset-Abgeordneten in Ramallah, um sein Beileid auszudrücken. Zu Beginn der 2000er-Jahre hatte Josef für einen Eklat gesorgt, als er Palästinenser und Araber als „Ameisen“ und „Schlangen“ bezeichnete. Während er sich zu Beginn der 1980er-Jahre für territoriale Zugeständnisse an Palästinenser ausgesprochen hatte, bezog er in den vergangenen Jahren zunehmend nationalistischere Positionen.

Großer politischer Einfluss

Der 1920 in Bagdad geborene Josef hatte sich als jüdischer Religionsgelehrter einen Namen gemacht. In den vergangenen Jahrzehnten galt er als sehr einflussreich in der israelischen Politik. Seine strengreligiöse Schas-Partei, gegenwärtig in der Opposition, war oft Zünglein an der Waage bei der Regierungsbildung.

Begräbnis von Rabbi Ovadia Josef

APA/EPA/Jim Hollander

In dem Gedränge wurden Hunderte verletzt

Josefs Auslegung des jüdischen Religionsgesetzes galt als sehr fortschrittlich. Er erlaubte etwa nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 den Witwen von mehreren Hundert vermissten Soldaten, wieder zu heiraten. Er erkannte außerdem Einwanderer aus Äthiopien als jüdisch an.

Netanjahu: „Tiefe Trauer“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte „tiefe Trauer“ über den Tod des Religionsführers. Er sei „einer der größten Gelehrten unserer Generation“ gewesen. „Er war durchdrungen von Liebe für die Thora und das Volk“, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros. Die Gespräche mit Josef seien für ihn immer sehr lehrreich gewesen.

Ultraorthodoxe jüdische Männer trauern beim Begräbnis von Rabbi Ovadia Josef

Reuetrs/Baz Ratner

Ultraorthodoxe Männer trauern um Rabbi Ovadja Josef

Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit empfing der Rabbiner, dessen Sohn Jizchak Ende Juli zum sephardischen Großrabbiner gewählt wurde, auch in den letzten Jahren regelmäßig die Spitzenpolitiker aller Lager. Bei den jüngsten israelischen Parlamentswahlen hatte die Schas-Partei elf der 120 Knesset-Sitze erhalten, musste aber erstmals seit vielen Jahren auf den Oppositionsbänken Platz nehmen.

religion.ORF.at/APA/dpa/AFP

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