D: Islam-Theologe Khorchide bangt nicht um Lehrstuhl

Seit Monaten laufen muslimische Verbände in Deutschland Sturm gegen den österreichischen Wissenschaftler Mouhanad Khorchide, der an der Universität Münster islamische Theologie lehrt.

Seinen Hut werde der progressive Theologe aber nicht nehmen: „Ich habe Rückendeckung von der Politik, der Universität, meinen Studierenden und der muslimischen Basis“, sagt er am Mittwochabend im Gespräch mit der APA. Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) wirft dem Leiter des Zentrums für islamische Theologie etwa vor, nicht konfessionsgebunden zu arbeiten: Khorchide stelle Glaubensgrundsätze infrage. Die unter dem KRM versammelten Verbände fordern eine Neubesetzung des Postens.

Muslimische Verbände wollen Absetzung

Man komme aufgrund des Gutachtens zu dem Schluss, dass sein Buch „Theologie der Barmherzigkeit“ „weder mit dem dahinter stehenden wissenschaftlichen Anspruch, noch mit Khorchides Selbstverpflichtung zur bekenntnisgebunden Islamtheologie konform geht“, so eine Pressemeldung des Dachverbands - mehr dazu in D: Muslimische Verbände fordern Absetzung Khorchides.

Mouhanad Khorchide

AP/dapd/Volker Hartmann

Mouhanad Khorchide

Auch salafistische Kreise greifen den liberalen Khorchide scharf an. Prominentester Unterstützer des Zentrums ist der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck. Verstieße Khorchide tatsächlich gegen Glaubensgrundsätze, könnte ihm das gleiche Schicksal wie seinem Vorgänger Sven Kalisch drohen. Jener hatte die Existenz des muslimischen Propheten Mohammed angezweifelt. Die muslimischen Verbände machten Gebrauch von ihrem Vetorecht - und Kalisch musste gehen, schildert Khorchide.

„Ich rüttle aber nicht an Glaubensgrundsätzen“, sagt der Autor des umstrittenen Buches „Islam ist Barmherzigkeit“ entschieden. Er interpretiere den Islam lediglich auf wissenschaftlicher Basis. Zudem müsste die Universität Münster erst der Kritik und dem Veto der muslimischen Verbände stattgeben, um den pragmatisierten Theologen seines Amtes zu entheben. „Die Universität steht aber hinter mir“, so Khorchide.

„Sitze zwischen den Stühlen“

Ein Machtkampf über die Deutungshoheit des Islams und ein Ringen um die politische Anerkennung der muslimischen Gemeinden in Deutschland seien die treibenden Faktoren der hitzigen Debatte: „Ich sitze hier einfach zwischen den beiden Stühlen. Dass es hierbei wirklich um mich und mein Islamverständnis geht, glaube ich nicht“, sagte Khorchide.

Die muslimischen Verbände seien nicht sehr erfreut über den regen Zulauf zum Studiengang der Islamischen Theologie. Lieber würden sie die junge Generation in ihren eigenen Reihen sehen: Rund 1.200 Studierende haben sich laut Khorchide im Studienjahr 2013/14 für den Studiengang in Münster beworben. 400 studieren dort derzeit - ein Teil mit Aussicht darauf, später einmal als Imame zu fungieren.

Nicht interessiert an „Schlammschlacht“

Zudem kämpften die muslimischen Verbände für eine gesetzliche Anerkennung, die der Anerkennung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) gleicht. Deshalb nutzten sie ihn und seine Lehre als Anlass, um auf politischer Ebene Druck auszuüben, vermutet Khorchide.

An einer „Schlammschlacht“ mit den Verbänden sei Khorchide nicht interessiert. Er konzentriere sich weiterhin auf seine Arbeit, den Rest sollten sich die Politik und die Universität mit den Kritikern ausmachen. „Das ist nicht meine Suppe, da mische ich mich nicht ein“, erklärt er.

Insgesamt stehe die Islamische Theologie in Deutschland noch am Anfang: „Der Etablierungsprozess hat erst begonnen“, so Khorchide. „Und das ist ein Lernprozess für alle.“ Grenzen zwischen der Konfessionsbewahrung, dem Religionsverständnis der muslimischen Verbände und der Freiheit der Wissenschaft müssten noch ausgemacht werden. Und Khorchide stehe aufseiten der Wissenschaft, wo offen und kritisch diskutiert werde - ohne jedoch an Glaubensgrundsätzen zu rütteln, streicht er hervor.

Bald islamisch-theologischer Lehrstuhl in Österreich?

In Österreich laufen seinen Informationen nach bereits Verhandlungen zur Einrichtung eines islamisch-theologischen Lehrstuhls. Die Stelle sollte bald eingerichtet werden, zum Status quo könne er allerdings keine Angaben machen. Fest stehe lediglich, dass dieser Prozess viel langsamer laufe als in Deutschland.

Aus freien Stücken denke der Theologe keineswegs an einen Rückzug aus der Lehre: „Laufend bekomme ich Mails von Studierenden und Muslimen, die mich darum bitten weiterzumachen und nicht aufzugeben. Aus meiner Sicht lohnt es sich also jedenfalls, dem Druck von allen Seiten standzuhalten.“

religion.ORF.at/APA

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