Ukraine: Religionsgemeinschaften gegen Militäreinsatz

Ukrainische Religionsführer haben gegen eine russische Militärintervention protestiert. „Wir rufen die russische Regierung auf, zur Vernunft zu kommen und ihre Aggression gegen die Ukraine zu stoppen“, so der Appell.

Der gemeinsame Appell, veröffentlicht am Sonntag, beinhaltet auch die Forderung an die russische Regierung, „sofort alle russischen Truppen von ukrainischem Boden zurückzuziehen“. Unterschrieben haben den Aufruf unter anderen der orthodoxe Kiewer Patriarch Filaret, der Kiewer Großerzbischof der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche, Swjatoslaw Schewtschuk, der ukrainische Oberrabbiner Yaakov Bleich sowie die Spitzenvertreter protestantischer Kirchen.

Die Religionsführer fordern die USA, die EU und die Vereinten Nationen auf, die „ausländische Invasion und die brutale Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten zu stoppen“. Die russische Führung sei vor Gott für alle nicht wieder gut zu machenden Konsequenzen verantwortlich.

„Russische Kultur nicht unterdrückt“

Die Religionsführer betonen außerdem, die russische Sprache, Kultur und Kirche werde in der Ukraine nicht unterdrückt. „Wir bezeugen, dass alle Anstrengungen der russischen Propaganda, alle Ereignisse in der Ukraine als einen faschistischen Umsturz und einen Sieg von Extremisten darzustellen, absolut nicht der Wirklichkeit entsprechen“, heißt es in der Erklärung.

Eine Mutter mit Kindern, im Hintergrund Soldaten

Reuters/Vasily Fedosenko

Präsenz russischer Soldaten

Bereits am Freitagabend hatte sich der Interreligiöse Rat der Halbinsel Krim gegen eine Teilung der Ukraine gewandt. Die „territoriale Integrität“ des Staates müsse bewahrt werden, erklärte der vom örtlichen orthodoxen Metropoliten Lazar geleitete Rat. Das Gremium rief alle Beteiligten zur Besonnenheit auf und forderte eine friedliche Lösung der aktuellen Krise. In der Vergangenheit sei es durch vernünftige Kompromisse gelungen, auch schwierige Fragen ausgleichend zu regeln.

Unterschiedliche Religionen - gleiches Anliegen

Der evangelisch-lutherische Pfarrer der Krim-Stadt Simferopol, Markus Göring, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), es sei bemerkenswert, dass auch die orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats die Separatisten kritisch sehe. Dem Interreligiösen Rat der Krim gehören Vertreter von christlichen Kirchen, Muslimen und Juden an.

In der Ukraine gibt es eine orthodoxe Kirche sowohl des Kiewer und eine des Moskauer Patriarchats. Zu ihnen bekennen sich laut Umfragen ungefähr gleich viele Menschen. Die Kirche des Moskauer Patriarchats hat allerdings deutlich mehr Pfarren.

Patriarch Kyrill I. zu Hilfe gerufen

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. rief ebenfalls zu Frieden in der Ukraine auf. Es müsse alles getan werden, damit in der Ukraine keine weiteren unschuldigen Menschen getötet würden, schrieb der Patriarch am Sonntag an die ihm unterstehende ukrainisch-orthodoxe Kirche. Zugleich machte er „politische Streitigkeiten“ in Kiew dafür verantwortlich, dass der Fortbestand der Ukraine als einheitlicher Staat bedroht sei.

Kyrill I. sprach sich auch für die territoriale Integrität der Ukraine aus. Die Ukraine sei ein Land, das ihm „ganz besonders teuer im Herzen“ sei, sagte Kyrill laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax. „Doch die Existenz der Ukraine als integraler Staat ist in Gefahr“, warnte er. Der politische Konflikt zerreiße auch Menschen desselben Glaubens.

Die ukrainisch-orthodoxe Kirche hatte Kyrill I. aufgerufen, seine Stimme gegen eine Militärintervention in der Ukraine zu erheben. Der Patriarch solle die russische Armee stoppen und ein Blutvergießen in der Ukraine verhindern, zitierten ukrainische Medien den Kirchensprecher Georgia Kowalenko. Das kommissarische Oberhaupt der ukrainisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Onufri, bat Kyrill I. in einem Brief, für die „territoriale Integrität des ukrainischen Staates“ einzutreten. Wenn russische Truppen in der Ukraine einmarschierten, könne dies zu einer Konfrontation zwischen Ukrainern und Russen mit „katastrophalen Folgen“ führen.

Erzpriester rechtfertigt Militäreinsatz

Der Leiter der Abteilung des Moskauer Patriarchats für die Beziehungen zur Gesellschaft, Erzpriester Wsewolod Tschaplin, hatte am Samstagabend einen russischen Militäreinsatz in der Ukraine gerechtfertigt. Dabei handele es sich um eine Friedensmission zum Schutz russischer Bürger, sagte er der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

Der deutsche evangelische Pastor in Kiew, Ralf Haska, sprach sich für einen Appell des Weltkirchenrats (ÖRK) an den Moskauer Patriarchen aus. „Wenn der ÖRK Patriarch Kyrill auffordern würde, seinen Einfluss bei Russlands Präsident Waldimir Putin geltend zu machen, wäre das ein starkes Zeichen“, schrieb Haska auf seiner Facebook-Seite. Der ÖRK habe sich aber bisher zu der aktuellen Krise nicht zu Wort gemeldet.

Mahnende Worte von Papst Franziskus

Papst Franziskus hat am Sonntag die verschiedenen Parteien in der Ukraine zur Verständigung aufgerufen. Beim Angelus-Gebet appellierte das katholische Kirchenoberhaupt an die Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom, für die Ukraine zu beten, und drängte „alle Parteien im Land zusammenzuarbeiten, um das Unverständnis zu überwinden“. Zudem forderte er die „internationale Gemeinschaft auf, jede Initiative für Dialog und Harmonie“ zu unterstützen.

religion.ORF.at/KAP/APA/AFP

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