Friedensgebet: Debatte bei Islamexperten und Rabbinern

Über ungünstige Nebeneffekte des Friedenstreffens des Papstes mit Israels Altpräsident Schimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gibt es Diskussionen unter Experten und Kritikern.

In den Gesprächen von Vatikan-Experten, Islamkritikern und innerhalb des Italienischen Jüdischen Gemeindendachverbands (Unione delle Comunita Ebraiche Italiane/UCEI) geht es dabei einerseits um die Begebenheit am Rand der Gebete um Frieden, als einer der Vertreter der islamischen Delegation über das Programm hinausgehend auf Arabisch die letzten drei Verse aus der zweiten Sure des Koran rezitierte. Hierin heißt es: „Verzeih uns (Allah), vergib uns und erbarm dich unser! Du bist unser Schutzherr. Hilf uns gegen das Volk der Ungläubigen!“ Andererseits stößt man sich an der innerjüdischen Haltung zu dem Event.

„Ungläubige“-Zitat regt auf

Mehrere Beobachter sahen die Worte des islamischen Vertreters als Angriff auf die beiden anderen Religionen. Die österreichische Radio-Vatikan-Redakteurin Gudrun Sailer befragte den Islamwissenschaftler P. Felix Körner, einen Jesuiten, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom lehrt. Ihm zufolge ging es bei den „Ungläubigen“ in diesem Fall um „Menschen, die den einen Gott nicht anerkennen; wenn also in dieser Koranstelle von den Ungläubigen die Rede ist, gegen die wir um Gottes Hilfe bitten, dann sind hier ganz klar nicht die Juden und auch nicht die Christen gemeint, die natürlich die Einheit Gottes anerkennen“.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, Papst Franziskus und der israelische Präsident Schimon Peres

APA/EPA/Ricardo de Luca

V. l. n. r.: Israels Präsident Peres, Palästinenser-Präsident Abbas und der Papst

Es müsse zudem klar sein, dass in den Vatikanischen Gärten die Religionen nicht zusammengekommen seien, um zusammen zu beten, so Körner: „Sondern jeder hat in der eigenen Weise Gebetstexte vorgetragen. Die anderen blieben meditierend, still, hörend, aufmerksam dabei, aber sprachen nicht Gebete, die die anderen mitsprechen sollten. Insofern ist auch eine Koranrezitation bei einem solchen Treffen durchaus legitim, nachvollziehbar, verständlich und anzuerkennen.“

Islamexperte: Platzierung der Koranstelle „doof“

Demgegenüber übte der islamkritische, ägyptisch-deutsche Politologe Hamed Abdel-Samad auf Facebook Kritik und sprach von einem „Friedensgebet“, das keines gewesen sei. „Man darf den Koran nicht zerstückeln, der Kontext dieser Stelle war die Vertreibung aus Mekka“, sagte der in Wien lehrende Islamwissenschaftler Ednan Aslan gegenüber der „Presse“ (Donnerstag-Ausgabe). Ausgerechnet diese Koranstelle an das Ende eines interreligiösen Friedensgebets zu stellen, finde er allerdings „doof“. In den vom Imam rezitierten Versen werde auch die Gleichwertigkeit aller Propheten betont.

Die Antwort auf das päpstliche Friedenstreffen offenbarte Risse unter den italienischen Juden, denn Roms Oberrabbiner Riccardo di Segni fehlte bei dem Event. Di Segni, der wohl prominenteste Rabbiner des Landes, war eingeladen worden, um die Gebete mit den israelischen und palästinensischen Präsidenten zu besuchen, sagte aber unter Berufung auf „andere Verpflichtungen“ außerhalb der Stadt ab.

Promi-Oberrabbiner fehlte

Seine Abwesenheit wurde von der italienischen nationalen Medien, die nur selten jüdische Themen abdecken, breit kommentiert. Dabei oblag es der einflussreichen konservativen Zeitung „Il Foglio“, Di Segni für seine Entscheidung zu loben. Bereits in der Juni-Ausgabe der „Pagine Ebraiche“ hatte Di Segni die gemeinsamen Gebetstreffen für den Frieden kritisiert. Was der Papst jetzt im Vatikan plane, sei „rätselhaft und sogar gefährlich“.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, Papst Franziskus und der israelische Präsident Schimon Peres

AP/Gregorio Borgia

Das Gebet in den Vatikanischen Gärten sorgt für Diskussionen

Insbesondere wandte der Oberrabbiner ein, dass Peres, ein säkularer Politiker, zu einer religiösen Veranstaltung eingeladen werde. „Peres scheint mir nicht ein regelmäßiger Besucher der Orte des Gebets zu sein. Ich wäre überrascht, wenn er jetzt einer werden würde, weil der Papst ihn dazu ermutigt“, wird Di Segni zitiert. In dem Interview in „Il Foglio“ sagte Di Segni jedoch, er hätte die Veranstaltung besucht, wenn er nicht andere Verpflichtungen hätte. Er hätte aber hingewiesen, dass er der Einladung Peres’ und nicht der des Papstes gefolgt sei.

Italienisches Rabbinat geteilter Meinung

Zentraler Kritikpunkt Di Segnis ist die seiner Meinung nach parteiische Haltung der katholischen Kirche im Nahostkonflikt, weshalb der Vatikan nicht als Ort der Neutralität, auch für eine Gebetsveranstaltung, gelten könne. Di Segni erinnert, dass die Ortskirche des Heiligen Landes von Palästinensern dominiert werde. Das italienische Rabbinat ist allerdings geteilter Meinung, was die Beziehungen mit der katholischen Kirche und die Positionierung Di Segnis betrifft. Die Zahl der Rabbiner, die mit Di Segni nicht übereinstimmen, wird größer, und die Gegner werden lautstärker.

Wortführer der Gegner ist laut israelischer Zeitung „Haaretz“ Oberrabbiner Joseph Levi von Florenz. Levi war anwesend bei dem Gebet am Pfingstsonntag. Im Gegensatz zu seinem römischen Kollegen lobte er die Bemühungen des Papstes, den interreligiösen Dialog zu fördern. „Wenn wir nicht auf die Signale reagieren, die vom Papst geschickt werden, wäre das ein Fehler“, sagte der toskanische Oberrabbiner demnach.

religion.ORF.at/KAP

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