Papst legt sich mit Mafia an: „Sie sind exkommuniziert“

Mit seiner ungewöhnlich scharfen Verurteilung der Mafia sowie der Erklärung, deren Mitglieder seien „exkommuniziert“, sorgt Papst Franziskus in Italien, aber auch international für Schlagzeilen.

250.000 Menschen waren am Samstag bei der Freiluft-Messe auf einem Platz bei Cassano allo Ionio in Kalabrien dabei, als der Papst zum wiederholten Mal von einem vorab verbreiteten Redemanuskript abwich und mit dem organisierten Verbrechen hart ins Gericht ging. Die Mafia sei ein „Übel, das bekämpft werden muss“, sagte Franziskus. „Jene, die dieser Straße des Bösen folgen, wie die Mafiosi, sind nicht in Gemeinschaft mit Gott, sie sind exkommuniziert.“

Der Papst bezog sich besonders auf die kalabrische Mafia-Organisation ’Ndrangheta. Diese ist inzwischen die reichste Mafia-Organisation. Sie profitiert vor allem von der Vermarktung von Kokain aus Südamerika. Die Region Kalabrien dient ihr dabei als Drehkreuz für den Drogenverkehr aus Südamerika nach Europa.

Papst Franziskus mit Weihrauchfass vor einer Statue

Reuters/Giampiero Sposito

Bei der Freiluft-Messe in Kalabrien brach der Papst zum wiederholten Mal aus seiner vorbereiteten Rede aus

Es war der erste Besuch des Papstes in Kalabrien, einer der ärmsten italienischen Regionen. In Kalabrien ist derzeit mehr als die Hälfte der Jugendlichen unter 25 Jahren arbeitslos. Nach Angaben der Organisation Save the Children in Italien werden mehr als ein Drittel der Familien in der Region von der Mafia kontrolliert.

Lob aus der Politik

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi begrüßte die Papst-Worte, die am Wochenende auch international für großes Echo sorgten. Die Botschaft sei stark und deutlich. „Nun ist es an den Menschen guten Willens, sich nicht dieser Kultur der Illegalität zu beugen“, schrieb Renzi auf Facebook

Die Präsidentin der Antimafia-Kommission des italienischen Parlaments, Rosy Bindi, erklärte, Franziskus habe klargestellt, dass ein Zusammenleben mit der Mafia nicht möglich sei. Der Papst ziehe eine deutliche Linie zwischen den Gläubigen und den Mafiosi. Die organisierte Kriminalität könne aber nur besiegt werden, wenn dafür auch ihre wirtschaftlichen Strukturen zerschlagen würden.

Menschenmassen

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Etwa eine Viertelmillion Menschen kamen zu dem Gottesdienst in einer der ärmsten Regionen Italiens

Erstmals „Exkommunikation“

Wie „Kathpress“ berichtete, hatten bereits Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. und Johannes Paul II. das organisierte Verbrechen in Italien angeprangert, niemals aber in so harschen Worten. Die berühmteste Kampfansage an die Mafia war die Rede von Johannes Paul II. 1993 im Tal der Tempel von Agrigent: „Mafiosi bekehrt euch. Der Tag des Gerichts wird kommen, an dem ihr für eure Missetaten Rechenschaft ablegen müsst“, schrie er damals auf Sizilien geradezu. Benedikt XVI. hatte 2010 in Palermo in ruhigerem Ton klargestellt, dass die Mafia „unvereinbar mit dem Evangelium ist“.

Die nun erfolgte Verurteilung der Mafia durch Franziskus sei allerdings das erste Mal, dass ein katholisches Kirchenoberhaupt tatsächlich in diesem Zusammenhang von „Exkommunikation“ gesprochen habe, sagte der Vatikan-Experte Luigi Accatolli dem Fernsehsender TV2000. In der Tageszeitung „Corriere della Sera“ schrieb Accatolli außerdem, dass 2010 der Vorschlag, einen Passus über die „Exkommunikation“ von Mafiosi in ein Dokument über Süditalien einzufügen, von der Mehrheit der italienischen Bischöfe abgelehnt worden sei.

Der Gründer der Maifa-Opfer-Organisation Libera, der Priester Luigi Ciotti, erklärte die Aussage zur Exkommunizierung des Papstes als Aufruf an die Kirche, mit dem Schweigen zu brechen. Bisweilen gebe es in der Kirche Mitwisser von Straftaten der Mafia, die ihre Hände in Unschuld wüschen, so Ciotti.

„Niemals wieder darf ein Kind solche Qualen erleiden“

Vor der Freiluft-Messe besuchte Franziskus ein Gefängnis bei Cassano allo Ionio. Dort wies er auf die Leiden von Kindern unter der Brutalität der Mafia hin. Er bezog sich auf den gewaltsamen Tod des dreijährigen Nicola „Coco“ Campolongo, dessen Ermordung im Januar landesweit für Empörung gesorgt hatte.

„Niemals wieder darf ein Kind solche Qualen erleiden“, sagte der Papst laut einem Vatikansprecher. Die Leiche des Kleinkindes war zusammen mit dem toten Großvater und dessen Lebensgefährtin in einem ausgebrannten Auto entdeckt worden. Sie waren zuvor regelrecht hingerichtet worden, der kleine Junge saß noch angeschnallt in seinem Kindersitz. Hintergrund der Tat waren Streitigkeiten um Drogenschulden. Nur zwei Monate später wurde in der nahen Region Puglia ein weiteres dreijähriges Kind ermordet.

Papst Franziskus wird von Menschen auf einem Balkon bejubelt

Reuters/Giampiero Sposito

Schon bei seiner Tour durch Cassano allo Ionio wurde Papst Franziskus von den Menschen gefeiert

Unter den Gefangenen in der Haftanstalt Castrovillari sind zahlreiche Mafia-Mitglieder, darunter neben „Cocos“ Vater weitere Familienmitglieder der Getöteten, die alle wegen Drogendelikten inhaftiert sind. Die Mutter war während der Bluttat ebenfalls in Haft, steht inzwischen aber unter Hausarrest. „Ich bete ständig für ihn. Verzweifelt nicht“, sagte der Papst, der mit rund 200 Häftlingen des Gefängnisses sprach.

„Nähe des Papstes in allen Teilen der Welt“

Es sei sein Anliegen, die „Nähe des Papstes und der Kirche gegenüber allen Männern und Frauen, die im Gefängnis sind, in allen Teilen der Welt“ zum Ausdruck zu bringen, sagte Franziskus. Auch er mache „Fehler“ und müsse „Buße tun“. Zugleich betonte er, wie wichtige eine gesellschaftliche Reintegration von ehemaligen Straftätern sei.

Seit seinem Amtsantritt besuchte der 77-jährige Franziskus bereits mehrfach Gefängnisse, am Gründonnerstag kurz nach seiner Wahl nahm er in einem Gefängnis in Rom eine symbolische Fußwaschung an jugendlichen Straftätern vor.

Seit seinem Amtsantritt besuchte Franziskus bereits mehrfach Gefängnisse, am Gründonnerstag kurz nach seiner Wahl nahm er in einem Gefängnis in Rom eine symbolische Fußwaschung an jugendlichen Straftätern vor. Eine Messe, zu der rund 100'000 Gläubige erwartet wurden, sollte den Besuch in Kalabrien abschließen.

religion.ORF.at/BSD/SDA/AFP/KAP

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