Papst Franziskus feiert Freiluftmesse in Südkorea

In seiner Predigt wandte sich Papst Franziskus gegen Egoismus und unmenschliche Wirtschaftsformen. Koreas Katholiken seien „Erben einer edlen Tradition“, so der Papst.

Papst Franziskus hat den zweiten Tag seines Besuchs in Südkorea mit einer Messfeier unter freiem Himmel begonnen. Zehntausende Menschen strömten am Freitag zum WM-Stadion in der etwa 140 Kilometer südlich von Seoul entfernten Stadt Taejon, um zusammen mit dem 77-Jährigen den Gottesdienst am katholischen Feiertag Mariä Himmelfahrt zu feiern. 

Zu dem Gottesdienst im Fußball-WM-Stadion kamen nach Veranstalterangaben rund 50.000 Katholiken zusammen. Der Gottesdienst selbst fand auf Koreanisch und Latein statt. Die Predigt hielt Franziskus auf Italienisch.

Mit „Viva Papa“-Rufen wurde der Papst bereits bei der Ankunft vor den Toren des Stadions von wartenden Gläubigen und Schaulustigen frenetisch begrüßt. Immer wieder wurden ihm außerhalb und innerhalb der Arena Kleinkinder hingehalten, um sie zu segnen. Die Messfeier wurde vor dem Stadion auf großen Leinwänden übertragen.

Papst segnet Kinder

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Papst segnet Kinder

Aufruf zum Kampf gegen Materialismus

In seiner Predigt im Fußballstadion von Daejeon wandte sich Papst Franziskus gegen Egoismus und unmenschliche Wirtschaftsformen. „Mögen die Christen dieser Nation eine großherzige Kraft für die geistige Erneuerung in allen Gesellschaftsschichten sein“, so der Papst und fügte an: "Mögen sie die Verlockung eines Materialismus, der echte geistige und kulturelle Werte erstickt, und den Geist des uneingeschränkten Wettbewerbs, der Egoismus und Unfrieden erzeugt, bekämpfen.

Mögen sie auch unmenschliche Wirtschaftsmodelle, die neue Formen von Armut schaffen und Arbeiter an den Rand drängen, sowie die Kultur des Todes verwerfen, die das Bild Gottes, des Gottes des Lebens, entstellt und die Würde jedes Menschen - ob Mann, Frau oder Kind - verletzt."

Koreas Katholiken seien „Erben einer edlen Tradition“, so der Papst. Deshalb seien sie berufen, „diese Erbschaft zu pflegen und sie an die kommenden Generationen weiterzugeben“. Das erfordere von jedem eine Umkehr zu Gottes und eine „leidenschaftliche Sorge für die Armen, die Notleidenden und die Schutzlosen in unserer Gesellschaft.“

Hoffnung aus dem Evangelium schöpfen

Maria sei die „Mutter aller Hoffnungen“, so der Papst am Hochfest der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel. Sie habe an die Verheißung Gottes geglaubt, die Gläubigen sollten es ihr gleichtun.

Papst Franziskus hält eine Freiluftmesse

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Papst Franziskus bei der Freiluftmesse im Stadion von Taejon

Die Hoffnung aus dem Evangelium sei das „Gegenmittel gegen den Geist der Hoffnungslosigkeit, der wie ein Krebs zu wuchern scheint in Gesellschaften, die äußerlich wohlhabend sind, aber oft innere Traurigkeit und Leere erfahren“. Gerade von vielen Jugendlichen habe diese Hoffnungslosigkeit ihren Tribut gefordert, wies der Papst hin.

Papst tauft Vater von Fährunglücks-Opfer

An der Messe nahmen auch Überlebende und Angehörige von Opfern des koreanischen Fährunglücks vom April teil. Nach dem Gottesdienst betete Franziskus öffentlich für die Betroffenen. Dabei sprach er von einer „großen nationalen Katastrophe“. Beim Untergang der „Sewol“ vor der Südwestküste Koreas am 16. April waren 294 Menschen ertrunken, vor allem Jugendliche, die auf dem Weg zu einer Ferieninsel waren; zehn weitere gelten als vermisst. Einige Betroffene waren bereits bei der Ankunft des Papstes am Donnerstag in Seoul zugegen.

Papst Franziskus tauft am Samstag in Seoul einen Mann, dessen Kind beim Untergang der Fähre „Sewol“ vor der südkoreanischen Küste ums Leben kam. Der Vater Lee Ho-gin gehörte nach Angaben von Vatikansprecher Federico Lombardi zu zehn Überlebenden und Angehörigen von Opfern des Unglücks vom 16. April, die am Freitag mit Franziskus zusammengetroffen waren.

Bei der Begegnung vor einer Messe in Daejeon habe Lee den Papst um die Taufe gebeten, und dieser habe zugestimmt, so Lombardi. Die Taufe soll demnach am Samstagmorgen in der Vatikanbotschaft in Seoul stattfinden, wo Franziskus während seines Besuchs residiert.

Papst fährt mit Zug zur Messe

Auf dem Weg zum Festgottesdienst in Daejeon hatte Papst Franziskus den Helikopter gegen die Bahn getauscht: Abweichend vom Programm legte er die 160 Kilometer von Seoul in die Technologie-Metropole im Hochgeschwindigkeitszug KTX zurück.

Wegen Nebels wäre eine pünktliche Ankunft mit dem Hubschrauber fraglich gewesen, sagte ein Sprecher des Organisationskomitees der Reise laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. Außerdem sei der Papst so näher an den Menschen. Franziskus reiste allerdings in einem separaten Waggon.

Erster Papstbesuch in Südkorea seit 25 Jahren

Auf dem Programm standen auch ein Mittagessen mit jungen Christen nach der Messe und weitere Begegnungen mit Jugendlichen am Schrein von Solmoe in Tangjin. Der Asiatische Jugendtag in Taejon ist der offizielle Anlass seines fünftägigen Besuchs.

Die Papst-Reise nach Südkorea:

15. August: Messe zu Mariä Himmelfahrt in Daejeon

16. August: Seligsprechungsmesse in Seoul

17. August: Abschlussmesse des Asiatischen Jugendtages in Haemi

18. August: Messe für Frieden und Versöhnung in Seoul

Es ist der erste Besuch eines Papstes in Südkorea seit 25 Jahren und der erste Pastoralbesuch von Franziskus in Asien. Am Samstag wird er in Seoul auch über 100 koreanische Märtyrer seligsprechen und am Montag eine Abschlussmesse für Frieden in der Region abhalten.

Katholiken weltweit begehen den 15. August als Hochfest der Aufnahme der Gottesmutter Maria in den Himmel. In Südkorea erinnert das Datum an die Ausrufung der Republik nach der Teilung des Landes 1948; auf den Tag drei Jahre zuvor war Korea von der japanischen Herrschaft befreit worden.

Franziskus reiste am Nachmittag zum Wallfahrtsheiligtum Solmoe weiter, wo eine Begegnung mit Teilnehmern des VI. Asiatischen Jugendtags vorgesehen ist.

Papst beklagt Selbstmorde unter Jugendlichen

Papst Franziskus hat die wachsende Selbstmordrate unter Jugendlichen in Südkorea beklagt. Über die Welt scheine sich eine „geistige Wüste“ auszubreiten, die jungen Menschen ihre Hoffnung und in „allzu vielen Fällen sogar ihr Leben“ nehme, sagte er am Freitag vor rund 6.000 Teilnehmern des 6. Asiatischen Jugendtages im südkoreanischen Wallfahrtsort Solmoe.

Jugendtreffen in Solmoe, Südkorea

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Papst Franziskus beim Jugendtreffen in Solmoe, Südkorea

Südkorea hat eine der höchsten Suizidraten weltweit. Nach aktuellen Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt sie bei 33,3 Personen pro 100.000 Einwohner. Entgegen dem internationalen Trend nehmen in Südkorea Selbsttötungen zu. Sie sind inzwischen die vierthäufigste Todesursache.

Immer häufiger nehmen sich in Südkorea auch ältere Menschen das Leben. Laut einem Bericht der Zeitung „Chosun Ilbo“ gab die südkoreanische Regierung über die vergangenen fünf Jahre umgerechnet 1,3 Milliarden Euro für die Verhütung von Verkehrsunfällen aus, hingegen nur 7,3 Millionen Euro für Suizidprävention.

Geistliche Armut inmitten von Reichtum

Inmitten von immensem materiellen Reichtum herrschten oft geistliche Armut, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit, so Franziskus in seiner Ansprache. Die Jugendlichen dürften sich ihre Hoffnung auf eine bessere Welt dadurch jedoch nicht rauben lassen, auch wenn es oft so scheine, als ob Gott „von der Bildfläche verschwunden“ sei. Die christliche Botschaft lehre, dass der Geist Jesu auch die scheinbar hoffnungslosesten Situationen zum Guten wenden könne, so Franziskus. Das „Unkraut des Egoismus, der Feindseligkeit und der Ungerechtigkeit“ sei allerdings nicht nur in ihrem Umfeld, sondern oft auch in ihren eigenen Herzen zu finden, sagte Franziskus.

Der Papst appellierte an die Jugendlichen, eine Welt aufzubauen, „wo wir alle in Frieden und Freundschaft zusammenleben“. Das „Unkraut des Egoismus, der Feindseligkeit und der Ungerechtigkeit“ sei nicht nur in ihrem Umfeld, sondern oft auch in ihren eignen Herzen zu finden. Er forderte sie auf, „hinauszugehen auf die Straßen und Gassen dieser Welt und an den Türen der Herzen anderer zu klopfen mit der Einladung, ihn in ihrem Leben willkommen zu heißen“.

Teilnehmer aus 22 Ländern

Begrüßt wurde Franziskus zu dem Treffen stellvertretend von Jugendlichen aus Kambodscha, Hongkong und Südkorea. Anschließend führten Teilnehmer des Jugendtags ein Musical über das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn auf.

Jugendtreffen in Daejeon

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Jugendliche begrüßen den Papst beim Jugendtreffen

Der VI. Asiatische Jugendtag ist der offizielle Anlass seiner fünftägigen Reise. Im Wallfahrtsort Solmoe rund 100 Kilometer der Hauptstadt Seoul haben sich nach Angaben der Veranstalter 6.000 Teilnehmer aus 22 Ländern zu einem Programm aus Gebet, Diskussionen und kulturellen Veranstaltungen versammelt.

„Ich habe ein armseliges Englisch“

„Ich habe ein großes Problem: Ich habe ein armseliges Englisch“: Mit diesem Eingeständnis hat sich Papst Franziskus am Freitag in Südkorea bei den Teilnehmern des sechsten Asiatischen Jugendtages dafür entschuldigt, dass er ins Italienische wechselt, um ihre Fragen zu beantworten.

Ein Dolmetscher übersetzte seine Äußerungen für die 6.000 Jugendlichen im Wallfahrtsort Solmoe fortan vom Italienischen ins Koreanische. Für einen Aufruf zum Gebet reichte das päpstliche Englisch schließlich jedoch wieder: „Silence! We pray!“ (Ruhe, wir beten!).

Papst Franziskus scherzt beim Treffen mit Jugendlichen

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Papst Franziskus scherzt beim Treffen mit Jugendlichen

Franziskus hatte am Donnerstag zu Beginn seiner fünftägigen Südkorea-Reise in Seoul erstmals seit seinem Amtsantritt im März vergangenen Jahres eine Rede in englischer Sprache gehalten. In der vergangenen Woche hatte er vor 50.000 deutschen Ministranten auf dem Petersplatz erstmals auf Deutsch gepredigt.

Franziskus hatte seine Ansprachen und Predigten während seines Besuchs im Heiligen Land auf Italienisch gehalten. In Brasilien hatte er im vergangenen Jahr während des Weltjugendtages seine Muttersprache Spanisch gesprochen.

Medienfokus auf Versöhnungsappell

Der tags zuvor erfolgte Aufruf des Papstes zur Aussöhnung zwischen Nord- und Südkorea steht im Mittelpunkt der Berichte und Kommentare südkoreanischer Zeitungen am Freitag. Fast alle Blätter widmen ihre Titelseite dem ersten Besuchstag von Franziskus in Südkorea. Dessen Hauptprogrammpunkt war der Empfang durch Staatspräsidentin Park Geun-hye. Am gleichen Tag unternahm Nordkorea fünf Tests mit Kurzstreckenraketen.

„Dong-A-Ilbo“, mit einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren die größte Tageszeitung Koreas, titelt über einem Bild von Papst Franziskus und Staatspräsidentin Park Geun-hye: „Papst Franziskus: Ich bete für die koreanische Wiedervereinigung.“ In einem Leitartikel heißt es: „Es ist bedauerlich, dass Nordkorea während des Papstbesuchs weitere Raketentests durchführt. Und ganz besonders, wenn der Papst nach Korea kommt und uns dazu ermutigt, am Friedensprozess festzuhalten.“

Auch die ebenfalls auflagenstarke „Joongang-Ilbo“ geht auf das Thema Aussöhnung ein. „Um die Teilung Koreas zu überwinden, müsst ihr miteinander reden“, fasst das Blatt den Appell des Papstes bei seiner Rede vor Politikern und Diplomaten im Präsidentenpalast zusammen.

Weiter heißt es im Leitartikel: „Beim Treffen mit Präsidentin Park unterstrich der Papst die enge Verbindung zwischen dem Frieden auf der Halbinsel und dem Weltfrieden. Die Gnade Gottes sei mit Korea, sagt er. Die Worte des Papstes über diplomatische Bemühungen sind eine Ermutigung. Wir sollten über seine Botschaft nachdenken.“

religion.ORF.at/KAP/DPA

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