Antisemitismus: „Schockwellen von Judenhass“

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, hat sich erneut über Judenfeindlichkeit in Deutschland beklagt. Auch Frankreich verzeichnet einen Anstieg an antisemitischen Übergriffen.

Die Juden hätten einen schlimmen Sommer hinter sich, sagte Graumann am Freitag im Inforadio des RBB. „Wir haben Schockwellen von Judenhass gehabt, Synagogen sind angegriffen worden, jüdische Menschen sind bedroht worden.“ Im Internet würden „bis heute kübelweise Häme und Hetze über uns ausgegossen“. Es habe aber auch „Gesten der Herzlichkeit“ gegeben, „das tut uns sehr gut“.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat für Sonntag zu einer zentralen Kundgebung gegen Antisemitismus am Brandenburger Tor eingeladen. Auf der Veranstaltung unter dem Motto „Steh auf! Nie wieder Judenhass!“ wird auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen, auch Deutschlands Bundespräsident Joachim Gauck nimmt daran teil. Die Kundgebung solle ein Signal sein, sagte Graumann im Inforadio: „Erstens, wir Juden sind getroffen; zweitens, wir lassen uns nicht unterkriegen, resignieren gilt nicht.“

„Deutliches Zeichen“ gegen Hass

Am Rande von Demonstrationen gegen den im Sommer eskalierten Konflikt im Gazastreifen waren auch hierzulande judenfeindliche Parolen laut geworden. „Wir müssen ein deutliches Zeichen dafür setzen, dass wir jegliche Aggression und Gewalt gegen unsere jüdischen Nachbarn ablehnen und geschlossen an ihrer Seite stehen“, erklärte der religionspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung (CDU), mit Blick auf die Kundgebung am Sonntag. Der Hass, der sich in den vergangenen Wochen gegen Juden gerichtet habe, sei beschämend und verstörend. „Hiergegen gilt es aufzustehen.“

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei einer Demo gegen Antisemitismus in Frankfurt

Reuters/Kai Pfaffenbach

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei einer Demo gegen Antisemitismus am 31. August in Frankfurt

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief seine Landsleute zu einem nachhaltigen Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus auf, die trotz „unserer dunklen Geschichte des 20. Jahrhunderts immer wieder ihr hässliches Haupt erheben“. Eine Großdemonstration wie am Sonntag sei zwar gut, „aber wir müssen auch an den anderen 364 Tagen gegen Antisemitismus kämpfen“, sagte er den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Freitag-Ausgabe). Es gelte aufzustehen, „in der Schule, im Verein und überall dort, wo Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder Religion diskriminiert werden“.

Mehr Übergriffe auch in Frankreich

In Frankreich hat sich nach Angaben des örtlichen Dachverbands jüdischer Einrichtungen (Crif) die antisemitischer Übergriffe im Vergleich zu 2013 seit Jahresbeginn 2014 fast verdoppelt. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres seien 529 antisemitische Vorfälle registriert worden, teilte der Verband Crif am Donnerstag mit. Im selben Zeitraum des Vorjahres seien es 276 derartige Fälle gewesen. Damit habe sich die Zahl der Übergriffe nahezu verdoppelt.

Zu der Art der Vorfälle zählen Crif zufolge Gewalt gegen Einzelpersonen, Brandstiftung und Vandalismus. Besorgniserregend sind Crif zufolge auch neue Formen der Gewalt gegen Juden, darunter Angriffe organisierter Banden, Anschläge auf Synagogen, Vandalismus gegen jüdische Geschäfte sowie „Terroranschläge“.

In Frankreich lebt die größte jüdische Gemeinde Europas, sie wird auf zwischen 500.000 und 600.000 Mitglieder geschätzt. Frankreich hat damit zugleich nach Israel und den USA die drittgrößte jüdische Bevölkerung der Welt. Erst vergangene Woche hatte die Jüdische Agentur für Israel mitgeteilt, dass in den ersten acht Monaten dieses Jahres so viele Juden aus Frankreich nach Israel ausgewandert sind wie aus keinem anderen Land der Welt.

religion.ORF.at/AFP

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