D: Muslime organisieren Aktionstag gegen Extremismus

Die islamischen Verbände in Deutschland wollen am Freitag mit einem bundesweiten Aktionstag öffentlich Position gegen Rassismus und Fanatismus beziehen. Dies sei jedoch keine „Distanzierungsorgie“.

Gründe für den Aktionstag sind die Verbrechen islamistischer Terrorgruppen im Irak und in Syrien, aber auch die jüngsten Angriffe auf Moscheen in Deutschland. Die Aktion sei allerdings „keine Distanzierungsorgie“, betonte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die Muslime wollten jedoch nicht schweigen, „wenn der Islam gekidnappt wird, von Terroristen und Verbrechern“.

Als Organisator des Aktionstags tritt der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) auf - ein Zusammenschluss vier großer muslimischer Dachorganisationen. Neben dem ZMD sind der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), die Türkisch-Islamische Union (Ditib) sowie der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland mit insgesamt mehr als 2.000 Moscheen bundesweit vertreten.

Gemeinsam will man am Freitag gegen Hass und Unrecht auftreten, Rassismus anprangern und „Extremismus jeglicher Couleur eine Absage“ erteilen. Die Islam-Verbände betonten, sie hätten sich zu diesem erstmaligen Aktionstag in den Moscheen nicht etwa entschlossen, „um die Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft zu erfüllen“, sondern aus eigener Überzeugung.

Zentrale Kundgebungen in acht Städten

In den Freitagsgebeten und mit Mahnwachen sowie Kundgebungen nach den Gottesdiensten wollen die muslimischen Verbände so gegen Gewalt im Namen von Religion demonstrieren. In acht Städten, darunter Berlin, Hamburg, Stuttgart und Frankfurt am Main, sind zentrale Kundgebungen geplant. Zu den Ehrengästen gehört nach Angaben der Verbände auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, der in einer Moschee in Hannover zu Gast sein wird.

Beschädigte Moschee in Berlin Kreuzberg

APA/dpa

Beschädigte Moschee in Berlin Kreuzberg

Neben der Verurteilung der islamistischen Gewalt in Syrien und im Irak richteten sich die Verbände allerdings auch ausdrücklich gegen antiislamische Gewalt in Europa. In Deutschland waren zuletzt mehrere Moscheen Ziele von Anschlägen und Übergriffen. Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, sagte bei der Pressekonferenz am Dienstag, er sei enttäuscht von den Ermittlungen in diesen Fällen. Er hätte sich von der Gesellschaft und von der Politik nach diesen Übergriffen auch mehr Anteilnahme gewünscht.

Zentralsratspräsident Mazyek erwähnte allerdings die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin am vergangenen Sonntag positiv. Die Kanzlerin hatte dort erklärt, die Sicherheitsbehörden nähmen jeden Übergriff auf jüdische Einrichtungen sehr ernst. Das Gleiche gelte auch für Angriffe auf Moscheen. Das am vergangenen Freitag verhängte Verbot von IS in Deutschland begrüßten die Verbände ausdrücklich. „Das hätte schon früher kommen sollen“, sagte Mazyek.

Keine Chance gegen jugendliche Dschihadisten

Bei der Pressekonferenz brachten die Vertreter der Verbände überdies zum Ausdruck, dass sie nach eigener Einschätzung gegen jugendliche Dschihadisten allein kaum etwas ausrichten könnten. Diese Jugendlichen „kommen gar nicht in unsere Gemeinden“, so Mazyek. Die Moscheen der im KRM organisierten Verbände seien in den Augen radikalisierter Jugendlicher Orte eines „weichgespülten Islam“.

Auch in Österreich hatte sich zuletzt der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), Fuat Sanac, ähnlich geäußert. In extremistischen Kreisen werde sein Wort nicht gehört, sagte Sanac im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Profil“ - mehr dazu in IGGiÖ-Vorsitzender: Einfluss auf radikale Kreise begrenzt.

Seyfi Oeguetlue,  Aiman A. Mazyek, Ali Kizilkaya, Zekeriye Altug

APA/EPA/WOLFGANG KUMM

Seyfi Oeguetlue (Verband der Islamischen Kulturzentren), Aiman A. Mazyek (Zentralrat der Muslime in Deutschland), Ali Kizilkaya (Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland), Zekeriye Altug (Türkisch-Islamische Union)

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

„Viele dieser Jugendlichen sind nicht in unseren Gemeinden sozialisiert“, sagte auch Zekeriye Altug (Ditib). Die Moscheegemeinden hätten „gar keinen Kontakt zu solchen Jugendlichen, sonst könnten wir sie davon abbringen“.

Der Kampf gegen Extremismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sagte VIKZ-Generalsekretär Seyfi Ögütlü. „Jeder Jugendliche, der uns verloren geht, geht der ganzen Gesellschaft verloren.“ Die muslimischen Religionsgemeinschaften seien aber „überfordert“, wenn sie die Aufgabe allein aufgebürdet bekämen, eine meist durch soziale und gesellschaftliche Gründe bedingte Radikalisierung dieser Jugendlichen zu verhindern.

religion.ORF.at/dpa/AFP

Links: