Flüchtlingsunglück: Caritas und Diakonie fordern Hilfe

Caritas-Präsident Michael Landau fordert nach der neuerlichen Flüchtlingstragödie im Mittelmeer die Rückkehr zum EU-Programm Mare Nostrum. Die Diakonie fordert „sichere Korridore nach Europa“, um Menschen auf der Flucht vor dem Ertrinken zu bewahren.

Zudem brauche es ein Resettlement-Programm und die Möglichkeit einer sicheren und legalen Antragsstellung für Asyl. „Die EU darf nicht nur für Grenzschutz sorgen. Sie muss auch Boote zur Rettung zur Verfügung stellen“, sagte Landau. Es habe viel weniger Tote durch Ertrinken gegeben, als das Mare-Nostrum-Programm noch gelaufen sei. „Wenn die politisch Verantwortlichen aus Lampedusa irgendetwas gelernt haben, dürfen sie nicht nur betroffene Gesichter über die Toten machen und dann wieder gehen und Abwehrprogramme beschließen.“

Nach UNO-Angaben waren beim Untergang eines Flüchtlingsschiffs vor der Küste Libyens möglicherweise über 950 Menschen umgekommen. Wichtig sei, dass sich alle EU-Staaten im Verhältnis zu ihre Größe und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an Resettlement-Programmen beteiligen, sagte der Caritas-Präsident. Ebenso dringend müsse die Entwicklungshilfe aufgestockt, zumindest im ersten Schritt „die Kürzungen zurückgenommen werden“.

Landau: „Kein legaler Weg zu Asyl“

Einen Grund für die Todesfahrten auf Schlepperbooten sei die Unmöglichkeit, in Europa auf legalem Weg Asyl zu beantragen. Es gebe zwar ein Bekenntnis zu Asyl als internationalem Recht, aber faktisch für viele Verfolgte keine Möglichkeit, dieses Recht auch zu erreichen. Ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Somalia „hat gar keine andere Wahl als ein klappriges Boot zu besteigen“.

Deutsches Schiff nimmt Flüchtlinge in einem Boot auf dem Mittelmeer auf

APA/dpa/EPA/Opielok Offshore Carriers

Nicht nur „betroffene Gesichter“, sondern Hilfe für Flüchtlinge fordert die Caritas

Landau wörtlich: „Wer Schleppern das Handwerk legen möchte, muss Menschen auf der Flucht die Möglichkeit geben, legal Europa zu erreichen und legal einen Antrag zu stellen.“ Ob das in Lagern in Afrika - wie es etwa Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vertritt - erfolgen könne, ist aus seiner Sicht „mehr als fraglich“ - hinsichtlich des erforderlichen Schutzes, der Sicherheit, aber auch der rechtsstaatlichen Verfahrensqualität. Indem die Innenminister die Festung Europa aufgerüstet hätten, machten sie sich mitschuldig, „wenn sie jetzt nicht rasch und wirksam helfen“. Landau: „Aber wir alle tun das auch, wenn wir wegsehen.“

Diakonie: Mehr Lager auch keine Lösung

„Die Politik der europäischen Regierungen, die Aktion Mare Nostrum einzustellen hat, wie zu erwarten war, zu Hunderten Toten geführt. Eine Politik, die mit dem Tod von Menschen als Mittel der Abschreckung rechnet, ist verantwortungs- und gewissenlos“, kritisierte Diakonie-Direktor Michael Chalupka in einer Aussendung von Montag. „Der Vorschlag unter anderem von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, weitere Flüchtlingslager in Nordafrika zu errichten, ist weltfremd“, so Chalupka. „Es mangelt der Welt nicht an überfüllten Flüchtlingslagern, sondern an Staaten, die bereit sind, namhafte Zahlen von Flüchtlingen aufzunehmen“, so Chalupka.

Derzeit gebe es bereits zahlreiche Flüchtlingslager unter der Führung des UNHCR. Europa könnte jederzeit Menschen aus diesen Lagern Schutz bieten. In Lagern in Afrika könne es aber keine Verfahrensgarantien geben, die europäischen Rechtsschutzstandards gerecht werden, argumentiert die Diakonie. Bisher habe die Interventionspolitik der EU zum Beispiel in Libyen die politischen Verhältnisse nicht stabilisieren können. „Warum gerade dort ein funktionierendes Asylsystem, zu dem sich Europa auf eigenem Territorium nicht im Stande sieht, umgesetzt werden können soll, bleibt schleierhaft“, so Michael Chalupka.

Seenotrettung massiv verstärken

Stattdessen brauche es „konzertierte Bemühungen der Europäischen Union und der europäischen Nationalstaaten“. Gemeinsam müssten Möglichkeiten geschaffen werden, dass Flüchtlinge auf legalem Weg in Sicherheit gelangen, und Schutz erhalten können. Flüchtlinge brauchten „sichere Korridore nach Europa“, sie sollten sich nicht mehr der Gefahr des Ertrinkens aussetzen müssen, um in Sicherheit gelangen zu können. „Wenn Europa diese Tragödien verhindern will, muss es die Seenotrettung massiv verstärken und sich wesentlich mehr als bisher für geschützte Einreisemöglichkeiten engagieren“, so Chalupka.

Das solle auf dreierlei Wegen erfolgen, so die Diakonie: durch Visaerleichterungen für Flüchtlinge in Kriegssituationen, durch die Möglichkeit, Asylanträge in den Botschaften und europäischen Vertretungsbehörden zu stellen und durch eine Beteiligung am weltweiten Settlementsystem. „Europa muss in einen Wettbewerb der Lebensrettung eintreten und den unwürdigen Wettbewerb des Wegschauens endlich beenden“, so der Diakonie-Direktor abschließend.

Papst-Appell: „Rasch handeln“

Auch Papst Franziskus rief angesichts der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer die Staatengemeinschaft zu raschem Handeln auf, um solche Unglücke zu vermeiden. In seinem Angelus-Gebet sprach er am Sonntag von einer Tragödie und rief die Zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz auf, für die Opfer zu beten. „Das sind Männer und Frauen wie wir, unsere Brüder auf der Suche nach einem besseren Leben, weil sie hungern, verfolgt, verwundet und ausgenutzt wurden und Kriegsopfer sind“, sagte der Papst. „Ich appelliere von ganzem Herzen an die internationale Gemeinschaft, entschlossen und rasch zu handeln, damit sich solche Tragödien nicht wiederholen“, so Papst Franziskus.

Der Papst setzt sich seit seinem Amtsantritt vehement für die Flüchtlinge ein, die aus den Krisengebieten Afrikas und des Nahen Ostens vor allem die Überfahrt nach Italien versuchen. Seine erste Reise als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche unternahm Franziskus im Juli 2013 nach Lampedusa, wo die meisten Flüchtlinge Italien erreichen. Dort besuchte er ein Aufnahmelager und gedachte in einer Zeremonie der Ertrunkenen.

Metropolit für Asylzentren in Afrika

Wesentlich mehr innereuropäische Solidarität zur Bewältigung der Flüchtlingskrise hat der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) eingefordert. Spanien, Italien und Griechenland dürften nicht mehr länger allein die Hauptlast tragen. „Das Problem der Flüchtlingsströme betrifft nicht nur die Grenzländer, sondern das ganze Europa, das hier solidarisch seine christlichen und menschlichen Werte zeigen muss“, so der Metropolit in einer Stellungnahme am Montag.

Jeder könne plötzlich selbst vom Schicksal eines Flüchtlings betroffen sein. „Dann werden auch wir dankbar sein für jede Hilfe und Solidarität der Anderen. Es ist an der Zeit, dass wir uns mehr für das Wohl unserer Mitmenschen interessieren und weniger für Zahlen.“

Metropolit Arsenios sprach sich auch für verstärkte Hilfsmaßnahmen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge aus: „Nur wenn die gesellschaftlichen und sozialen Strukturen vor Ort gestärkt werden, wird dauerhafter Frieden herrschen, und es werden die Not leidenden Menschen die notwendige Sicherheit in ihrer Heimat verspüren, die schließlich verhindert, dass sie unmenschlich auf die reißenden Wellen und in die Stürme des Mittelmeeres getrieben werden.“ Unterstützung kam vom Metropoliten auch für die Idee der Errichtung von Asylzentren in den Ursprungsländern der Flüchtlinge.

religion.ORF.at/KAP/Reuters

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