Ecuador: Papst prangert autoritäre Regierungen an

Der Papst hat in Ecuador am Dienstag autoritäre Tendenzen in lateinamerikanischen Regierungen kritisiert und von einem Schrei nach Freiheit gesprochen. Kritiker werfen auch Rafael Correa Staatschef von Ecuador einen autoritären Regierungsstil vor.

Der Schrei nach Freiheit, der vor 200 Jahren zur Unabhängigkeit der lateinamerikanischen Staaten geführt habe, habe auch heute nicht an Überzeugungskraft eingebüßt, sagte Franziskus am Dienstag (Ortszeit) bei einem Gottesdienst mit rund einer Million Menschen in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. Der Gottesdienst fand im „Bicentenario-Park“ statt, dessen Name an die Unabhängigkeit der südamerikanischen Staaten von der spanischen Kolonialmacht vor 200 Jahren erinnert.

Franziskus sagte, dass die Anliegen der Unabhängigkeitsbewegungen in den lateinamerikanischen Staaten mit denen des Christentums „tief überstimmten“. Er verglich das „Flüstern Jesu beim Letzen Abendmahl“ mit dem Schrei nach Freiheit, der damals aus dem Bewusstsein der Freiheitsberaubung und der Unterdrückung durch die jeweiligen Machthaber hervorgegangen sei.

Kriege durch Individualismus

Kriege und Gewaltausbrüche der aktuellen Welt seien nicht nur auf Spannungen zwischen Staaten und sozialen Gruppen zu beziehen. „In Wirklichkeit sind sie ein Ausdruck dieses verbreiteten Individualismus, der uns trennt und uns gegeneinanderstellt“, sagte der 78-Jährige.

Papst Franziskus bei der Messe in Quito, Ecuador

Reuters/Guillermo Granja

Papst Franziskus will Freiheit für Unterdrückte Staaten und Menschen.

Er rief auch dazu auf, „Brücken zu bauen“ und ideologischen sowie diktatorischen Bestrebungen nach „Alleinherrschaft“ etwas entgegen zu setzen. Seine Äußerungen im Bicentenario-Park wurden auch als Appell an den ecuadorianischen Staatschef Rafael Correa verstanden, der sich seit rund einem Monat mit Demonstranten konfrontiert sieht, die seinen Rücktritt fordern. Correa, ein großer Bewunderer des Papstes, war unter den Gläubigen.

„Mehr Menschlichkeit“

Kritiker halten mehreren Staatspräsidenten Lateinamerikas einen autoritären Regierungsstil vor, etwa Nicolas Maduro in Venezuela, Evo Morales in Bolivien, aber auch Rafael Correa im Gasgeberland Ecuador.

Der Papst rief außerdem zu mehr Mitmenschlichkeit und Respekt der Vielfältigkeit auf. Auf allen Ebenen müsse „für die Inklusion gekämpft“ und der „Dialog“ unterstützt werden, sagte er. Die Evangelisierung solle nicht „hochtönigen Worten“ folgen, sondern dem Antrieb zur Einheit der Menschen in „vielgestaltiger Harmonie“, sagte Franziskus.

Mutter Erde schützen

Papst Franziskus rief bei seinem Besuch in Ecuador aber auch zum Schutz der Umwelt auf: „Eins ist sicher: Wir können nicht der Realität, unseren Brüdern, unserer Mutter Erde weiter den Rücken zukehren“, sagte der Papst am Dienstag bei einem Zusammentreffen mit Studenten und Dozenten.

In seiner Rede vor tausenden geladenen Gästen äußerte er sich auch erstmals öffentlich über seine vergangenen Monat veröffentlichte Umwelt-Enzyklika „Laudato si“. „Diese Erde haben wir als Erbe erhalten, als Gabe, als ein Geschenk“, sagte der Papst. „Wir täten gut daran, uns zu fragen: In welchem Zustand wollen wir sie hinterlassen?“, fragte der Papst.

Frau mit Kreuz bei Papst-Besuch in Quito, Ecuador

APA/EPA/Jose Jacome

Gläubige warten vor dem Bicentenario-Park, wo der Gottesdienst stattfindet.

Schutz des Amazonas-Gebietes

Zuvor hatte der Papst bei einem Treffen mit ecuadorianischen Ureinwohnern und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft zum Schutz des Amazonas-Gebietes aufgerufen. Dessen „enorme Artenvielfalt“ verdiene „besondere Pflege“, sagte Franziskus. Damit stärkte er auch den Ureinwohnern in Ecuador den Rücken, die vielfach gegen den Verlust ihres Lebensraums wegen der Förderung von Erdöl und Erdgas kämpfen.

In seiner Umwelt-Enzyklika hatte der Papst vor allem die Industrienationen zu einer „ökologischen Umkehr“ aufgerufen und ein Ende des „unersättlichen und unverantwortlichen Wachstums“ gefordert. Der Klimawandel sei nicht zu leugnen, stellte das mehr als 200-seitige Lehrschreiben fest. Der Papst forderte darin eine Abkehr von fossilen Energieträgern.

Unabhängigkeit und Minderheiten

Der Papst trat in einem weiß-schwarzen Gewand auf, das von indigenen Ureinwohnern gefertigt wurde. Am Montag hatte Franziskus bereits vor hunderttausenden Gläubigen eine Messe in der ecuadorianischen Hafenstadt Guayaquil gehalten und dabei die Bedeutung der Familie betont.

Zum Auftakt seiner Reise hatte er am Sonntag in Quito zum Schutz der Ureinwohner und anderer Minderheiten aufgerufen. Während seiner Lateinamerika-Reise besucht Franziskus bis Sonntag auch Bolivien und Paraguay. Es ist die längste Reise des aus Argentinien stammenden Papsts seit seiner Wahl im März 2013. Papst Franziskus war am Sonntag in Ecuador eingetroffen. Während seiner Lateinamerika-Reise besucht er bis Sonntag auch Bolivien und Paraguay. Es ist die längste Reise des aus Argentinien stammenden Papstes seit seiner Wahl im März 2013.

Reise nach Bolivien

Erstmals seit 27 Jahren besucht am Mittwoch wieder ein Papst den Andenstaat Bolivien. Im 3600 Meter hoch gelegenen Regierungssitz La Paz trifft Papst Franziskus mit Staatschef Evo Morales zusammen. Er ist der erste indigene Präsident des Landes, das seit 1825 unabhängig ist. Morales steht der katholischen Kirche kritisch gegenüber, hat Privilegien gestrichen und in die Bildungsarbeit eingegriffen. Franziskus sieht er aber als einen Anwalt der Armen.

Wegen der Höhe reist der 78-Jährige, der nur einen voll funktionstüchtigen Lungenflügel hat, nach wenigen Stunden weiter nach Santa Cruz ins Tiefland. Dort will er eine Messe feiern, zu der weit über einer Million Menschen erwartet werden, auch viele Gläubige aus der argentinischen Heimat des Papstes. Letzte Station der achttägigen Papst-Reise ist Paraguay.

religion.ORF.at/APA/KAP/dpa

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