Priester gestand Weitergabe geheimer Dokumente

Im Prozess um die zweite „Vatileaks“-Affäre hat ein Priester die Weitergabe geheimer Dokumente an die Presse gestanden. Zur Verteidigung sagte der spanische Geistliche Lucio Angel Vallejo Balda am Montag, er sei emotional erpresst worden.

Vallejo Balda hatte ein Verhältnis mit seiner Kollegin Francesca Chaouqui. Vallejo Balda war Sekretär der Wirtschaftsprüfungskommission (Cosea), die von Papst Franziskus eingerichtet worden war, um mit dem dubiosen Finanzgebaren der Vatikan-Verwaltung aufzuräumen, Chaouqui war ebenfalls Mitglied dieser Kommission. Bei der Weitergabe der Dokumente sei er nicht „völlig bei klarem Verstand“ gewesen, sagte der Mann aus. In dem Prozess sind unter anderem Vallejo Balda und seine frühere Kollegin Chaouqui angeklagt, vertrauliche Unterlagen an die ebenfalls angeklagten Journalisten Emiliano Fittipaldi und Gianluigi Nuzzi übergeben zu haben.

Anfang November 2015 hatten Fittipaldi und Nuzzi jeweils ein Buch über das Finanzgebaren im Kirchenstaat veröffentlicht, in denen sie aus den internen Dokumenten des Vatikan zitierten - mehr dazu in Aufdeckerbuch: „Krieg“ im Vatikan und Veruntreuung, Verschwendung: Vatikan unter Beschuss. Laut den Enthüllungen der Journalisten versickerte ein Großteil der kirchlichen Spendengelder in der Vatikan-Bürokratie mangels korrekter Buchhaltung und finanzieller Unregelmäßigkeiten.

Liste mit 87 Passwörtern an Journalisten geschickt

„Ja, ich habe Dokumente an Journalisten geschickt. Ich habe eine fünfseitige Liste mit 87 Passwörtern übergeben“, sagte Vallejo Balda nun in dem Prozess. Die im sechsten Monat schwangere Chaouqui beschrieb der Priester als eine gefährliche und manipulative Frau, die ihn zur Übergabe der Dokumente an die Journalisten gezwungen habe, indem sie gedroht habe, eine romantische Beziehung mit ihm öffentlich zu machen.

Francesca Chaouqui und Lucio Angel Vallejo Balda

APA/AFP Umberto Pizzi

Francesca Chaouqui und Lucio Angel Vallejo Balda

Er sei sich sicher gewesen, dass „illegitime Interessen hinter Chaouqui“ gestanden hätten, sagte der Priester in dem Prozess, der vielen im Vatikan als äußerst schädlich gilt. Er habe geglaubt, dass Chaouqui und ihr Mann für den italienischen Geheimdienst arbeiteten. Die im sechsten Monat schwangere PR-Expertin reagierte erregt auf die Aussagen und wandte sich wiederholt an ihren Anwalt. Fittipaldi berichtete nach der Verhandlung, das Klima sei bei der Gerichtsverhandlung am Montag „sehr gespannt“ gewesen, vor allem wegen Konflikten zwischen Vallejo Balda und Chaouqui.

Der Prozess war im November nach kurzer Zeit ausgesetzt worden, um den Richtern Gelegenheit zu geben, mehr Beweisstücke zu sammeln und zu sichten. Den Angeklagten drohen vier- bis achtjährige Haftstrafen. Journalistengruppen kritisieren die strafrechtliche Verfolgung der beiden Journalisten, da diese nur ihren Job getan hätten, als sie Probleme enthüllten, die von öffentlichem Interesse waren.

Fortsetzung des Prozesses am Dienstag

Auf der Liste der Zeugen, die am Dienstag angehört werden sollten, steht auch der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der als zweitmächtigster Mann im Vatikan gilt. Ebenfalls als Zeugen wurden zwei weitere Papst-Vertraute benannt: der spanische Kurienkardinal Santos Abril y Castello und der für Wohltätigkeitswerke des Vatikans zuständige polnische Kurienerzbischof Konrad Krajewski.

Der Buchautor Nuzzi spielte bereits in der ersten „Vatileaks“-Affäre aus der Zeit von Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. eine prominente Rolle. Auch damals waren in größerem Stil geheime Papiere aus dem Vatikan geschmuggelt und publiziert worden. Im Lichte der Affäre verschärfte der Vatikan seine Gesetze gegen Enthüller in den eigenen Reihen. Ein Gesetz zum Schutz von Informanten existiert im Vatikan nicht.

religion.ORF.at/APA/AFP

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