Orthodoxes „Rumpfkonzil“ auf Kreta hat begonnen

Das erste Konzil der zersplitterten orthodoxen Kirchen seit mehr als 1.000 Jahren hat trotz eines erbitterten innerkirchlichen Machtkampfs in verkleinerter Runde auf Kreta begonnen.

Das berichtete am Freitag der staatliche Rundfunk. Am Konzil nehmen jetzt nur zehn der 14 orthodoxen Kirchen teil. Angereist sind nach Angaben des Konzilssekretariats außer der Delegation des federführenden Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel auch die Vertretungen der Serben und der Rumänen, des Patriarchats von Jerusalem, der orthodoxen Kirchen von Tschechien und der Slowakei, Polen, Griechenland, Albanien sowie von Zypern.

Ihre Teilnahme abgesagt haben die Patriarchate von Antiochia und von Moskau sowie die Kirchen von Bulgarien und Georgien. Keine Angabe machte das Sekretariat zur Teilnahme des Patriarchats von Alexandrien.

(V. l. n. r.:) Erzbischof von Albanien Anastasios, Erzbischof von Griechenland Hieronymus, Patriarch von Serbien Irinej, Patriarch von Jerusalem Theophilos auf dem Flughafen Chania auf Kreta

APA/AP/Sean Hawkey/Holy and Great Council

(V. l. n. r.:) Erzbischof von Albanien Anastasios, Erzbischof von Griechenland Hieronymus, Patriarch von Serbien Irinej, Patriarch von Jerusalem Theophilos auf dem Flughafen Chania auf Kreta

Treffen hinter verschlossenen Türen

Die eigentlichen Arbeiten des historischen Konzils beginnen am Sonntag und sollen bis zum 27. Juni gehen. Am Freitag kam es zu einer ersten Sitzung. Zunächst soll eine Nachricht an die Gläubigen verfasst werden. Für Freitagabend war ein feierlicher Gottesdienst geplant. Die meisten Treffen sollen hinter verschlossenen Türen stattfinden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Kirche Griechenlands.

Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel und damit Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie ist seit 1991 Bartholomaios I. Er gilt als Nachfolger des Apostels Andreas. Da die Orthodoxie aus gleichberechtigten „autokephalen“ Landeskirchen besteht, besitzt der Ökumenische Patriarch - anders als der Papst in der römisch-katholischen Kirche - keine universale Weisungsbefugnis. Als „primus inter pares“ hat aber nur er die Vollmacht, ein panorthodoxes Konzil einzuberufen. Sein Gegenspieler ist der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I.

Gottesdienst am Sonntag

Mit einer Sitzung der angereisten Vorsteher der eigenständigen orthodoxen Kirchen haben Freitagfrüh die letzten Vorbereitungen auf das Panorthodoxe Konzil auf Kreta begonnen. Es soll am Sonntag mit einem feierlichen Gottesdienst eröffnet werden. Die Kirchenoberen beraten bei ihrer regulären „Kleinen Synaxis“ in der Orthodoxen Akademie in Kolymbari unter anderem jene Fragen, die durch den Boykott mehrerer Nationalkirchen entstanden sind.

Der Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Hieronymos II., erklärte bei seiner Ankunft auf Kreta: „Wir werden jede Anstrengung unternehmen, die Probleme der Welt, unserer Gemeinden und unserer Kirche zu sehen und anzugehen und in angemessener Weise für unsere Zeit und für die Christenheit darauf zu reagieren.“

Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I.

APA/AP/Sean Hawkey/Holy and Great Council

Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I.

Die Kirchen, die kurzfristig eine Verschiebung des Konzils gefordert hatten, begründeten das mit Kritik an der Verfahrensordnung und inhaltlichen Einwänden gegen die zur Beratung stehenden sechs Vorlagen über innerorthodoxe Fragen sowie das Verhältnis zu anderen Kirchen und die Weltverantwortung der Orthodoxie. Das Patriarchat von Antiochia verwies zudem auf seinen Konflikt mit dem Patriarchat von Jerusalem über die Zuständigkeit für die orthodoxen Christen im Golf-Emirat Katar.

Pressesprecher: Moskau nicht ehrlich

Die Begründung des Moskauer Patriarchats für die Absage der Teilnahme am Panorthodoxen Konzil, das am Sonntag im griechischen Kolymbari (Kreta) beginnt, ist nicht ehrlich, so der Pressesprecher des Ökumenischen Patriarchats, Erzdiakon John Chryssavgis, in einem Beitrag für das New Yorker Ökumene-Portal „www.firstthings.com“ (Freitag). Die Entscheidung mehrerer Kirchen, darunter der russisch-orthodoxen, sich der Teilnahme zu entziehen, mache allerdings Meinungsverschiedenheiten und vorhandene Hintergedanken deutlich, die innerhalb der Orthodoxie bestünden.

„Eine Mehrheit von lokalen Kirchen hat den Wunsch, ‚gemeinsam zu gehen‘ - die wörtliche Bedeutung des Wortes ‚Synode‘ - und zur Einheit zu kommen, während eine Minderheit die ethnische Isolation wünscht“, so der grecoaustralische Theologe. Dennoch dürfe es keine Konzilsverschiebung wegen einer Minderheit geben, und die Teilnahme von nur zwei Dritteln der orthodoxen Kirchen entwerte das Konzil auch nicht.

Von Anfang an blockiert

Chryssavgis erklärte, dass Moskau bereits von Anfang an blockiert habe. "Die offiziellen Vertreter aller orthodoxen Kirchen haben die Idee der Konziliarität zwar prinzipiell unterstützt, aber einige haben versucht, den konziliaren Prozess in der Praxis zu blockieren. Insbesondere die Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) haben auf einer sehr engen Auslegung der Konsensregel bestanden, die für alle konziliaren Entscheidungen gelten sollte.

Das Moskauer Patriarchat forderte eine totale Einstimmigkeit aller Kirchendelegationen und sogar, dass auch jeder Bischof in jeder Delegation auf Linie ist. Eine derartige Auslegung des Konsensprinzips weicht ab von der Tradition der Kirche", so der Theologe und Patriarchatssprecher.

Einstimmigkeit nicht erforderlich

Die Kirchengeschichte ergebe vielmehr einen anderen Befund, erinnerte er. Die Entscheidungen in den Konzilen und Synoden seien „aufgrund von Mehrheitsbeschlüssen oder per acclamationem getroffen“ worden.

Das sei sogar innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche der Fall, erinnerte Chryssagvis: „Zum Beispiel erfordert der örtliche Kirchenrat und die Bischofskonferenz der russisch-orthodoxen Kirche ein Quorum von zwei Dritteln der Mitglieder und keinesfalls die Einstimmigkeit.“ Historisch gesehen hätten konziliare Entscheidungen eine „breite Repräsentanz“ von Ortskirchenvertretern erfordert, jedoch nicht die Teilnahme der Vertreter aller Ortskirchen ohne Ausnahme.

religion.ORF.at/dpa/KAP/APA

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