Streit über Burkini-Verbote in Frankreich verschärft sich

Der Streit um das Verbot von Ganzkörperbadeanzügen für Musliminnen in Frankreich eskaliert. Bilder einer Frau, die am Strand von Nizza von vier Polizisten kontrolliert wird, lösten Empörung aus.

In der Ferienmetropole am Mittelmeer gilt das Burkini-Verbot seit vergangener Woche, ebenso wie in Cannes und einigen anderen Badeorten der französischen Riviera. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve schaltete sich in die aufgeheizte Debatte ein.

Franzosen nicht gegen einander aufbringen

Burkini-Verbote dürften nicht zu Stigmatisierungen führen, sagte Cazeneuve am Mittwoch in Paris laut Nachrichtenagentur AFP. Franzosen dürften nicht gegeneinander aufgebracht werden, fügte er nach einem Gespräch mit dem Chef des islamischen Dachverbandes CFCM, Anouar Kbibech, hinzu.

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve (li.) und Muslimevertreter Marwan Muhammad

APA/AFP/Matthieu Alexandre

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve (li.) und Muslimevertreter Marwan Muhammad

„Polizei der Schande“, kommentierte Marwan Muhammad, Präsident des Kollektivs gegen Islamophobie in Frankreich (CCIF), laut AFP. Die Organisation hatte bereits angekündigt, gegen die Burkini-Verbote der südfranzösischen Kommunen rechtlich vorzugehen.

Frau musste Oberteil ausziehen

Fotos, die unter anderem vom britischen „Guardian“ veröffentlicht wurden, zeigen vier Polizisten, die die mit einem türkisfarbenen Turban und einer Bluse mit langen Ärmeln bekleidete Frau am Strand von Nizza umringen. Man sieht, dass sie diese Bluse auszieht, wobei nicht deutlich wird, ob das aus eigener Initiative oder auf Anweisung der Ordnungshüter geschieht.

Seit Wochenbeginn bekamen in Nizza etwa 15 Frauen Strafzettel. Diskutiert wird auch über eine Frau, die verhüllt am Strand von Cannes war und verwarnt wurde. In Nizza herrscht seit dem Terrorattentat vom 14. Juli eine besonders gereizte Stimmung. An der Strandpromenade hatte ein Islamist einen Lastwagen in eine Menschenmenge gesteuert und 86 Menschen umgebracht.

Menschenrechtsliga beantragte Beratung

Mehrere Kommunen in Südfrankreich hatten Burkinis verboten. Im Erlass von Cannes ist diese Badebekleidung mit integrierter Kopfbedeckung nicht explizit erwähnt; gefordert wird eine korrekte Strandbekleidung. Der französische Staatsrat wird am Donnerstag über das Burkini-Verbot einer Riviera-Gemeinde beraten. Die Menschenrechtsliga hatte das beantragt.

In den lokalen wie auch internationalen Medien sorgte der Vorfall am Strand von Nizza für starken Widerhall: Die linksliberale französische Zeitung „Liberation“ verurteilte am Donnerstag die Burkini-Verbote an mehreren Stränden des Landes, die zum Teil mit der Tradition der Trennung von Kirche und Staat (Laizität) begründet werden. Die Laizität bestehe nicht darin, die Glaubensrichtungen zu unterdrücken, so die Zeitung.

„Radikale“ Positionen auch in Medien

„Es geht vielmehr darum, sicherzustellen, dass sie nicht unberechtigterweise die Staatsgewalt oder die Entstehung der Gesetze beeinflussen. Wir hoffen, dass (Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht, Anm.) der Staatsrat, der sich an diesem Donnerstag in seiner juristischen Weisheit mit den ‚Anti-Burkini‘-Verordnungen befasst, dieser diskriminierenden Posse ein Ende setzt.“

Die konservative Zeitung „Le Figaro“ kommentierte hingegen am Donnerstag: „Laizität und Religion sind hier nicht das Thema. Der Burkini ist keine Koranvorschrift, sondern die x-te Manifestation eines politischen, aktivistischen, zerstörerischen Islam, der versucht, unseren Lebensstil, unsere Kultur und unsere Zivilisation infrage zu stellen. Kopftuch in der Schule, Straßengebet, Halal-Menüs in der Schule, sexuelle Apartheid in den Schwimmbädern, den Krankenhäusern, den Fahrschulen, Nikab, Burka ... Seit 30 Jahren gefährdet diese Unterwanderung unsere Gesellschaft und versucht, sie zu destabilisieren. Es ist Zeit, ihr die Tür vor der Nase zuzuknallen.“

„Die Positionen werden immer radikaler. Der Kampf ist geprägt von harten Worten und gegenseitigen Verdammungen. Die Vernunft ist verschwunden“, schrieb die französische Wirtschaftszeitung „Les Echos“.

religion.ORF.at/dpa

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