Evangelische Kirche: Kopftuchdebatte „unnötig“

Der Evangelische Oberkirchenrat A.und H.B. bedauert die Kopftuchdebatte über ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und bezeichnet sie als „unnötig und dem gesellschaftlichen Klima abträglich“.

In einer aktuellen Stellungnahme appelliert der Rat an die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen, nicht ein Klima zu schüren, das von Verdächtigungen und Unterstellungen gegen eine bestimmte Glaubensgemeinschaft geprägt ist, sondern die Glaubenspraxis aller Religionsgemeinschaften, zu der auch das sichtbare Tragen religiöser Symbole gehören kann, zu respektieren und zu schützen.

Jurist: Einstellung wesentlicher als Symbol

Auch Peter Krömer, Präsident der Synode A.B. und der Generalsynode der Evangelischen Kirche in Österreich, hat für die derzeitige Diskussion wenig Verständnis. In vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, so der Experte in Fragen der Religionsfreiheit auf europäischer Ebene, sei der Umgang mit religiösen Symbolen bereits geregelt.

Jurist Peter Krömer

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Jurist Peter Krömer

In Bezug auf Schulen sagte Krömer gegenüber dem Evangelischen Pressedienst: „Das Problem liegt nicht im Tragen einer Kopfbedeckung aus religiösen Gründen oder eines religiösen Symbols, wesentlich ist die Grundeinstellung des Lehrers bzw. der Lehrerin zum österreichischen Staat, dessen Verfassung und Grundordnung sowie in der Durchführung des Unterrichts.“

Einschränkungen aus bestimmten Gründen zulässig

Verbote des Tragens von Kopftüchern, aber auch Halsketten mit religiösen Symbolen wie dem Kreuz in Krankenhäusern (in Operationssälen, für Mediziner und Gesundheitspersonal), ebenso für Köche in Küchen sei aus Gesundheitsgründen und Hygienevorschriften „sicherlich zulässig“. Nicht zulässig sei ein generelles Verbot des Tragens einer religiösen Kopfbedeckung oder religiöser Symbole für die Besucher eines Krankenhauses, erklärte der Jurist.

Für Personen, die im Hoheitsbereich eines Staates für diesen im Rahmen von Amtshandlungen (z.B. in öffentlichen Verhandlungen) tätig sind, wie Richterinnen, Rechtspfleger, Exekutivbeamte, Justizwachebeamte sowie Verwaltungsbeamte können Einschränkungen der Religionsfreiheit im Rahmen von Amtshandlungen durchaus zulässig und gerechtfertigt sein, dies stehe im Zusammenhang mit der gebotenen Neutralität des Staates, betonte Krömer. Letztgenanntes wird in Österreich derzeit bereits gehandhabt, daher sei die diesbezügliche Diskussion „entbehrlich“.

Verbot der Vollverschleierung im Gericht bereits Praxis

Dies bedeute allerdings nicht, dass beispielsweise nicht ein Richter/eine Richterin das Gerichtsgebäude zunächst mit einer religiösen Kopfbedeckung (nicht Vollverschleierung) betreten darf, ebenso die Parteien bzw. rechtsschutzsuchende Bevölkerung mit einer religiösen Kopfbedeckung und Tragen von religiösen Symbolen wie Halskette mit Kreuz im Gerichts- und Verwaltungsgebäude erscheinen und dort auch entsprechend auftreten kann.

Eine Vollverschleierung während Amtshandlungen wie die Einvernahme als Zeuge/Zeugin oder Angeklagte/r werde sicherlich in allen Fällen religionsrechtlich einwandfrei verboten sein dürfen, dies sei in Europa bereits gängige Rechtspraxis.

Richter: Alleiniges Tuch-Verbot „nicht möglich“

Auch die österreichische Richtervereinigung zeigt sich angesichts der Debatte über ein Kopftuchverbot irritiert. Der Idee, das Kopftuch für Richterinnen und Lehrerinnen zu verbieten, gleichzeitig aber das Kreuz im Verhandlungssaal nicht infrage zu stellen, kann Richtervereinigungs-Vizepräsidentin Sabine Matejka nichts abgewinnen. „Eine solche Regelung wäre rechtlich nicht möglich“, sagte sie im Mittwoch-„Standard“.

„Entweder man verbietet religiöse und weltanschauliche Symbole bei Richtern und im Gerichtssaal, oder man lässt alle zu“, so die Vizepräsidentin. Diese Ansicht untermauert laut „Standard“ auch das Ergebnis einer von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bereits im Sommer ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe. Laut dem Endbericht der rechtlichen Analyse sei eine Differenzierung zwischen Symbolen verschiedener Religionen verfassungsrechtlich nicht zulässig, schreibt der „Standard“.

religion.ORF.at/epdÖ/APA

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