Kirchen entsetzt über Ereignisse in Chemnitz

Kirchen und gesellschaftliche Organisationen in Deutschland haben mit Entsetzen auf die Ereignisse in Chemnitz reagiert und eine Stärkung der Demokratie gefordert.

Die katholische Kirche werde Rassismus und „Migranten-Bashing“ immer in aller Deutlichkeit zurückweisen, sagte der Leiter des Kommissariats der katholischen Bischöfe bei der deutschen Bundesregierung, Karl Jüsten, am Donnerstag in Köln. Die Kirche wolle dazu beitragen, die Demokratie zu stärken und das Gespräch mit denen zu suchen, „die sich aus dem demokratischen Diskurs verabschiedet haben“.

„Schleichende Verschiebung des Grundkonsenses“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warnte vor einer „schleichenden Verschiebung des gesellschaftlichen Grundkonsenses“. Rassismus, Antisemitismus, Hetzjagden oder pauschale Verdächtigungen des Islam müssten in der Gesellschaft tabu bleiben. Solche Taten seien „mit der Menschenwürde nicht vereinbar“, sagte der bayerische Landesbischof am Mittwochabend in einer Onlinediskussion mit der Juristin Beatrice von Weizsäcker.

Polizisten und Rechtsextreme in Chemnitz, Sachsen

APA/dpa/Sebastian Willnow

Rechte Demonstranten in Chemnitz, Sachsen

In der von den Initiatoren als „größte Videokonferenz der deutschen Kirchengeschichte“ bezeichneten Diskussion, an der sich mehr als 1.700 Internetnutzer beteiligten, warb Bedford-Strohm um Differenzierung im Umgang mit Rechtspopulisten. Man dürfe nicht das Gefühl verbreiten, dass, wenn jemand irgendwelche Fragen habe, er „bei einer bestimmten politischen Lösung gleich als Rechtspopulist verdächtigt“ werde, so der Bischof. Wo jedoch „nur Ängste geschürt werden, muss man es klar brandmarken und sich deutlich dagegen stellen“.

Auch Auschwitz-Komitee alarmiert

Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, erklärte am Donnerstag in der Gedenkstätte Auschwitz, KZ-Überlebende in aller Welt empfänden die rechtsextremen Entwicklungen in Chemnitz als dramatisch. Die Verachtung der Demokratie und der fanatische Hass der Demonstranten erinnere Überlebende des Holocaust „schmerzlich“ an den Niedergang Deutschlands, den sie miterlebt hätten. Gleichzeitig äußerte er Zweifel, dass allen politisch Verantwortlichen und Bürgern dieser Ernst der Lage bewusst sei.

Der Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm predigt auf der Kanzel

APA/AFP/Ferdinand Ostrop

Rassismus, Antisemitismus, Hetzjagden oder pauschale Verdächtigungen des Islam müssten in der Gesellschaft tabu bleiben, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.

Der Vizepräsident kritisierte, dass ein Anwachsen des Rechtsextremismus und „die immer wieder aufscheinende Nähe zwischen dem Ideengut der Rechten und politisch und polizeilich Verantwortlichen“ gerade in Sachsen über zu viele Jahre hinweg toleriert und verharmlost worden sei. „Der rechte Aufmarsch am kommenden Wochenende wird zeigen, ob die Polizei in der Lage ist, das Gewaltmonopol des Staates im Interesse Deutschlands und aller Bewohner von Chemnitz durchzusetzen.“

Unterstützer in Justiz- oder Polizeikreisen

Nach einer Messerstecherei, bei der am vergangenen Sonntag ein 35-jähriger Mann starb und Haftbefehl gegen einen Syrer und einen Iraker erlassen wurde, war es in Chemnitz am Sonntag und an den folgenden Tagen zu gewaltsamen Ausschreitungen in der Innenstadt gekommen, bei denen mehrere Menschen verletzt und Migranten massiv bedroht wurden.

In Folge wurde ein Dokument, bei dem es sich um einen vertraulichen Haftbefehl handeln soll, im Internet von rechten Gruppierungen veröffentlicht. Die rechtsextremen Drahtzieher der Ausschreitungen von Chemnitz dürften offenbar auch Unterstützer in Justiz- oder Polizeikreisen haben.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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