Papst startete Ein-Tages-Besuch in Lettland

Papst Franziskus hat an seinem Ein-Tages-Besuch im protestantisch geprägten Lettland an die Rolle spiritueller Werte für wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung erinnert. Anlass des Besuchs ist die Unabhängigkeitserklärung Lettlands vor 100 Jahren.

Ohne diesen „Bezug zum Höheren“ wäre der Wiederaufbau nach dem Ende des Ostblocks nicht möglich gewesen, sagte der Papst am Montag vor Vertretern und Vertreterinnen aus Politik und Gesellschaft in Riga. Die geistlichen Wurzeln, die sich auch in konkreter Solidarität äußerten, hätten der Nation Zusammenhalt und Kreativität für eine neue soziale Dynamik verliehen.

Franziskus war zur zweiten Station seiner viertägigen Baltikumreise in der Früh von Vilnius aus kommend in Riga eingetroffen, wo er von Staatspräsident Raimonds Vejonis und den Ortsbischöfen um Rigas Erzbischof Zbignevs Stankevics begrüßt wurde. Nach einer kurzen privaten Unterredung mit Vejonis wandte sich Franziskus am Amtssitz des Präsidenten im Rigaer Schloss an die Vertreter von Staat und Gesellschaft. Danach legte er im Stadtzentrum einen Kranz am Freiheitsdenkmal nieder. Die Sowjets hatten das 1935 errichtete Denkmal nach der Machtübernahme abreißen wollen, fürchteten aber die Reaktion der Bevölkerung.

Freiheit ist „Geschenk und Aufgabe“

Der Papst macht seine Reise wegen dem Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Lettlands und seiner baltischen Nachbarn Litauen und Estland, der sich nun zum 100. Mal jährt. Franziskus betonte gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern von Staat und Gesellschaft in Riga, Freiheit und Unabhängigkeit seien ein Geschenk, aber auch eine Aufgabe.

Dass andere der lettischen Nation „Wege, Türen und Zukunft eröffnet“ hätten, bedeute zugleich die Verantwortung, ebenfalls Zukunft zu ermöglichen. Dabei mahnte der Papst zu einer Politik, die Familien, alte Menschen und Jugendliche mehr in den Mittelpunkt stelle als die Wirtschaft. Dazu zähle auch, Arbeitsplätze zu schaffen, damit niemand sein Land verlassen müsse. Die Entwicklung einer Gesellschaft lasse sich „nicht allein am Umfang der Güter oder Ressourcen ablesen, die man besitzt, sondern am Wunsch, Leben zu zeugen und Zukunft zu schaffen“.

Papst Franziskus hält eine Rede im Präsidentenpalast in Riga (Lettland)

APA/AFP/Vatican Media/Handout

Papst Franziskus hielt eine Rede im Präsidentenpalast in Riga

Die Zusammenarbeit der katholischen Minderheitskirche in Lettland mit anderen Konfessionen nannte Franziskus ein Beispiel, „wie man bei allen Unterschieden dennoch eine Gemeinschaft bilden kann“. Dafür sei es nötig, über Konflikte hinauszugehen und den anderen in seiner Würde zu sehen.

Letzter Papstbesuch vor 25 Jahren

Der Besuch von Franziskus in Lettland folgt 25 Jahre nach der ersten und bislang letzten Papstvisite von Johannes Paul II. und unter stark veränderten Umständen. Riga, größtes Ballungszentrum im Baltikum, ist zum wirtschaftlichen Motor der Region geworden.

Die Wirtschaftsleistung wächst seit 2010 wieder stetig; die Arbeitslosenquote sank im vergangenen Jahrzehnt um etwa 13 Prozentpunkte auf jetzt 8 Prozent. Lettlands ökonomische Entwicklung liegt über dem EU-Durchschnitt. Zugleich ist die Bevölkerung seit der Wende um ein Viertel geschrumpft; Hauptfaktoren sind Abwanderung und eine niedrige Geburtenrate.

„Kraftvoller Anstoß“, Ideale zu verfolgen

„Der lettische Staat hat sich schnell entwickelt, aber nicht alle von uns spüren diesen Fortschritt in unserem täglichen Leben“, sagte Staatspräsident Vejonis in seiner Begrüßungsansprache vor dem Papst. Migration, aber auch das Zerbrechen von Beziehungen seien häufig die Folge der noch immer weiter verbreiteten Armut.

Den Besuch von Franziskus bezeichnete Vejonis als „kraftvollen Anstoß“, um die Ideale von Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit zu verfolgen. „Die Schicksale der baltischen Staaten im 20. Jahrhundert sind ein lebendiges Zeugnis dafür, dass ein geteiltes Europa nur zu Leiden führt“, betonte der Präsident. Die Zukunft Lettlands liege in einer Union, die auf Menschenrechten, Demokratie und Solidarität statt auf egoistischen Interessen und Gewinnen beruhe.

Vejonis hob zudem die Bedeutung von Familien für die Gesellschaft hervor. Ein starkes Land sei ohne starke Familien nicht vorstellbar, „Glaube, Hoffnung und Liebe“ bildeten das Fundament für Familien.

Große Messe im Heiligtum Aglona

In Lettland, der zweiten Station der aktuellen Baltikumreise des Papstes, stehen am Montag das Thema Ökumene, aber auch die starke Marienverehrung im Land im Zentrum. In Riga steht noch am Montagvormittag ein ökumenisches Gebet im lutherischen Dom, dem größten Gotteshaus der baltischen Staaten, auf dem Programm. Anschließend besucht Franziskus auch die katholische Kathedrale der Stadt. Lettland ist traditionell protestantisch geprägt. Die katholische Kirche bildet nach Vatikanangaben eine Minderheit von 21 Prozent. Eine Rolle als drittgrößte Konfession spielt auch die russisch-ortodoxe Kirche. Rund ein Viertel der Bewohner Lettlands sind ethnische Russen.

Nach dem Mittagessen fliegt der Papst am Nachmittag per Hubschrauber in das Marienheiligtum Aglona, wo er eine große Messe feiert. Der Gottesdienst gilt als einer der Höhepunkt des gesamten viertägigen Baltikum-Besuchs. Die Basilika von Aglona ist ein Heiligtum, dessen Anziehungskraft seit dem 19. Jahrhundert über das Baltikum und Weißrussland hinaus bis tief nach Russland reicht. Deshalb trägt die Basilika auch den seltenen Titel eines „internationalen Heiligtums“. Das lettische Parlament hat den 24. September zu einem öffentlichen Feiertag erklärt, damit die Gläubigen bei der Visite des Papstes dabei sein können.

Reise nach Estland

Am Abend kehrt der Papst ins litauische Vilnius zurück, wo er während seiner Reise durch die baltischen Staaten nächtigt. Der letzte Tag der Baltikumreise führt Papst Franziskua am Dienstag nach Estland.

religion.ORF.at/KAP

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