Caritas-Präsident : „Mit Armut im Land nicht abfinden“

In Österreich gibt es eine gute Tradition des sozialen Miteinanders - umso weniger dürften sich Politik und Gesellschaft mit der real bestehenden Armut im Land abfinden, sagte Caritas-Präsident Michael Landau am Sonntag im Wiener Stephansdom.

208.000 Frauen, Männer und Kinder lebten in Wohnungen, die sie im Winter nicht angemessen warm halten können, gab Landau ein Beispiel.

Michael Landau

APA/Herbert Pfarrhofer

Caritas Präsident Michael Landau mahnt gemeinsamer Hilfe gegen die Armut

„Wir sollen uns den Kopf darüber zerbrechen wie wir Armut wirksam bekämpfen und letztlich besiegen können, statt darüber zu diskutieren, mit wie wenig armutsbetroffene Menschen doch irgendwie noch über die Runden kommen könnten“, mahnte der Caritas-Präsident wohl mit Blick auf aktuelle Debatten wie jene um Mindestsicherung und Notstandshilfe am „Welttag der Armen“.

„Zuhören und Worten Taten folgen lassen“

Der vom Papst ausgerufene „Welttag der Armen“ erinnere daran, im Einsatz gegen Armut Menschen in Not wirklich zuzuhören und „Worten Taten folgen zu lassen“, sagte Landau. Dementsprechend „muss auch für Österreich das Ziel lauten, Armut zu bekämpfen und nicht armutsbetroffene Menschen“, betonte der Caritas-Präsident.

Bei Armut gehe es „nicht um Ziffern und Statistiken, sondern um ganz konkrete Menschen in Not mit ganz konkreten Geschichten“, erinnerte Landau. Armut sei „ein Stück Realität“ auch in Österreich. Gleichzeitig gebe es viele Menschen, die daran etwas ändern wollten und das auch tun. „Es gibt einen guten Grundwasserspiegel der Nächstenliebe in unserem Land, eine große Bereitschaft zu helfen.“

„Mit Zusammenhalt und Zuversicht Vieles änderbar“

Diese Bereitschaft zusammenzustehen und auf die Schwächsten nicht zu vergessen habe Österreich „groß gemacht“, sagte der Caritas-Präsident. „Diesen Weg gilt es weiterzugehen.“

Nichts hemme solidarisches Handeln aber so sehr wie Angst, fügte Landau hinzu: „Was wir als Einzelne und als Gesellschaft brauchen, das sind Zusammenhalt und Zuversicht. Wir können nicht alles ändern, aber erstaunlich viel, wenn wir es wollen.“

Hartes Auftreten in sozialen Medien

Sorge bereitet Landau indes, dass heute „gerade auch in den sogenannten sozialen Medien“ oft „verächtlich über jene gesprochen wird, die zu den Schwächsten der Gesellschaft zählen“.

Er habe den Eindruck, sagte der Caritas-Präsident, dass „heute viele in Österreich glauben, hart gegenüber den Schwächeren auftreten zu müssen“. Dabei gehe es gegen arbeitslose Menschen, armutsbetroffene Frauen, Männer, Kinder und Menschen auf der Flucht.

„Zu Sprache des Mitgefühls zurückzukehren“

„In einer Gesellschaft, die sich in Lager geteilt unversöhnlich gegenüber steht, herrscht vielfach eine Sprache, die das Trennende vor das Gemeinsame stellt“, warnte Landau. „Mein Appell und meine Bitte - an jede und jeden Einzelnen, aber auch an die Politik - ist zu einer Sprache des Mitgefühls, des Zusammenhalts zu finden oder zurückzukehren.“

Der „Welttag der Armen“ biete in diesem Sinn eine Einladung, „aufeinander zuzugehen, miteinander zu reden, einander zuzuhören, Brücken zu bauen, statt Gräben zu vertiefen“. Landau: „Wer die Sprache der Barmherzigkeit und des Mitgefühls fließend spricht, baut an einer zukunftstauglichen Gesellschaft.“

„Kirche, die Arme verachtet, verachtet Christus“

Der kirchliche „Welttag der Armen“ wurde von Papst Franziskus im Jahr 2016 ins Leben gerufen und wird heuer zum zweiten Mal begangen. Er findet jeweils am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, der in Österreich als „Elisabethsonntag“ gefeiert wird, statt und fällt heuer auf den 18. November.

In vielen Pfarren, Ordensgemeinschaften und kirchlichen Einrichtungen gibt es zum Welttag besondere Initiativen, um armen Menschen bewusst Aufmerksamkeit und Würde zu geben.

Einsatz für Gott und Menschheit untrennbar verbunden

Der Welttag rufe in Erinnerung, dass der Einsatz für Gott und der Einsatz für die Menschen untrennbar zusammengehören, sagte Caritas-Präsident Landau in seiner Predigt im Stephansdom.

Auch für die Kirche gehe es daher zunächst um Gewissenserforschung: „Wie kommt es, dass dieser Schrei der Armen, der zum Angesicht Gottes aufsteigt, nicht zu unseren Ohren gelangt und uns allzu oft gleichgültig und untätig lässt?“, fragte Landau um festzuhalten: „Eine Kirche, die die Armen verachtet, verachtet Christus“, und: „Distanz von den Armen bedeutet Distanz von Jesus.“

„Arme brauchen persönliches Engagement“

Arme bräuchten „das persönliche Engagement jener, die ihren Schrei hören“, zitierte Landau aus der Papstbotschaft zum Welttag. Daraus leite sich ein Appell zum Handeln „im Rahmen des Menschenmöglichen“ ab, nämlich, so der Caritas-Präsident:

„Der Aufruf zur Hilfe von Mensch zu Mensch, von Gesicht zu Gesicht, zum Bemühen um Gerechtigkeit, die an den Armen Maß nimmt, und um einen Weg der Inklusion, der Hineinnahme der Armen, der aus Außenseitern Innenseiter macht und Menschen von den Rändern der Gesellschaft wieder in die Mitte holt, so dass sie dazu gehören und am Leben der Gemeinschaft Anteil nehmen können.“

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu: