KAICIID: Rabbiner kritisiert „Ignoranz“ der Politik

Seinem Ärger über die im österreichischen Parlament beschlossene Schließung des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) hat der britische Rabbiner David Rosen jetzt in einem „profil“-Interview Luft gemacht.

Zum Schwenk der damaligen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ, die das KAICIID nach Wien holten und sich nun davon distanzieren, sagte Rosen wörtlich: „Ich bin nicht sicher, was der bessere Begriff ist: Heuchelei oder Ignoranz.“ Was sich hier abgespielt habe, sei „kein rühmenswertes Zeugnis für das politische Leben in Österreich“. Rosen ist eines der Mitglieder des multireligiös besetzen KAICIID-Leitungsdirektoriums.

Für Standortwechsel

Wenn die Republik den Wert des von ihr gemeinsam mit Spanien, Saudi-Arabien und dem Vatikan gegründeten KAICIID nicht erkenne, „sollten wir dem Land nicht auch noch den Gefallen tun, zu bleiben“, sprach sich Rosen für einen Standortwechsel aus. Vielleicht sei es schon ein Fehler gewesen, das Zentrum in Wien zu gründen.

Rabbi David Rosen

APA/AFP/Vincenzo Pinto

Rabbi David Rosen kritisiert die österreichische Politik als „heuchlerisch“

„Manche politischen Elemente in Österreich hatten von Beginn an eine Agenda.“ Nach Ansicht des Rabbiners hätte man schon „viel früher an einen Platz denken sollen, der freundlicher ist“. Überall in Europa sei es derzeit besser. Spanien habe das Zentrum von Anfang an in Madrid ansiedeln wollen, aber Österreich habe sich um die Ansiedlung in Wien bemüht.

Schließung nicht im Interesse Österreichs

Vergangenen Mittwoch hatten sich im Nationalrat SPÖ, FPÖ und NEOS einem Entschließungsantrag der Liste JETZT für einen Ausstieg Österreichs aus dem Zentrum und die Kündigung des Amtssitzabkommens angeschlossen. Die ÖVP trug den Antrag nicht mit, sprach sich aber ebenfalls für eine Schließung des Zentrums bei gleichzeitiger Neugründung einer ähnlichen Institution unter dem Dach der UNO aus.

Der Parlamentsbeschluss habe ihn sehr überrascht, „weil man denken würde, das Parlament sei richtig über das Zentrum informiert“, kommentierte Rabbiner Rosen im „profil“ die Vorgänge. „Wenn die Parlamentarier die Fakten kennen, sollten sie intelligent genug sein, um zu verstehen, dass die Schließung nicht in ihrem Interesse ist.“

„Unglaubliche Heuchelei“

Unter Anspielung auf regelmäßige Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien erklärte der jüdische Dialog-Experte: „Wenn man ein bestimmtes saudisches Verhalten nicht mag, muss dann jede Institution gehen, die mit Saudi-Arabien verbunden ist oder von dort finanziert wird? Soll der Sitz der Opec (die Organisation der erdölexportierenden Länder, Anm.) in Wien auch schließen?“

Wenn ihn Leute für die Zusammenarbeit mit den Saudis kritisierten, sage er gerne, so Rosen: „Bin ich heiliger als der Papst, der Erzbischof von Canterbury und der ökumenische Patriarch? Diese drei entschieden, dass es im Interesse der Christen ist, mitzumachen.“ Das KAICIID habe von den Gründern nicht den Auftrag bekommen, politisch Stellung zu beziehen, etwa zum derzeit aktuellen Falle eines von Hinrichtung bedrohten Teenagers.

Derlei auf die Agenda zu setzen könnte der österreichische Außenminister vorbringen, sagte der Rabbiner. Und wenn es ein Problem sein sollte, dass das KAICIID allein von Saudi-Arabien finanziert wird, „hätte man einfach selbst Geld geben können“, wies Rosen auf „eine unglaubliche Heuchelei vonseiten Österreichs“ hin.

Lage in Saudi-Arabien nun besser

Nach der Einschätzung des Rabbiners hat sich Saudi-Arabien unter dem Einfluss des KAICIID geöffnet. Erstmals sei heuer im Land eine Messe gefeiert worden, Christen hätten offen gebetet. „Nur weil man es nicht von A bis Z geschafft hat, ist es dann schlecht, wenn man zumindest von A nach C gekommen ist?“, so die rhetorische Frage Rosens.

Er habe auch kein Problem damit, dass das KAICIID den Namen König Abdullahs trägt - was von Kritikern als Propaganda der Saudis gedeutet wird. Im Gegenteil, so Rosen: „Der Name gibt enormen zusätzlichen Wert“, weil er symbolisiere: Das Bemühen um interreligiösen Dialog zwischen Muslimen und Christen ist eine muslimische Initiative. „Wenn österreichische Politiker oder Bürger nicht die globale Perspektive haben, um das zu verstehen, ist das beklagenswert.“

„Kein politischer Arm Saudi-Arabiens“

Nach dem Nationalratsbeschluss hatte das mit Vertretern aus fünf Weltreligionen besetzte KAICIID-Leitungsdirektorium bereits am vergangenen Donnerstag dazu aufgerufen, das Zentrum an seinem Grundauftrag zur Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs zu messen.

Das Zentrum sei „keine Botschaft oder NGO, oder in irgendeiner Weise der politische Arm eines Staates, einschließlich Saudi-Arabien“, hielten die neun Direktoriumsmitglieder - unter ihnen der Präsident des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog Bischof Miguel Ayuso - in einer Erklärung fest. Im Rahmen von Programmen des Zentrums seien dagegen Tausende Menschen weltweit im interreligiösen und interkulturellen Dialog geschult worden.

religion.ORF.at/KAP

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