Ein Ort kämpft um seine Flüchtlinge

ORF/Zoran Dobric

„Ein Ort kämpft um seine Flüchtlinge“ und „Verehrt oder geschlagen – Islam, Frauen und Familie“

Im Dezember des Vorjahres ist Familie Hamazeez aus der irakischen Stadt Kirkuk nach Österreich geflüchtet. Gemeinsam mit dem neunjährigen Sohn und der achtjährigen Tochter ist das Ehepaar im steirischen Kumberg nahe Graz untergekommen.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 13. Dezember 2016
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholung:

Mittwoch, 14. Dezember 2016
um 20.15 Uhr, ORF III

„kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – zeigt um 22.35 Uhr in ORF 2 Ein Ort kämpft um seine Flüchtlinge. Um 23.15 Uhr folgt „Verehrt oder geschlagen – Islam, Frauen und Familie“.

Ein Jahr lang haben die Kumberger und Kumbergerinnen gemeinsam mit den Flüchtlingen gegen die eigenen Ängste und Vorurteile gearbeitet, um einander besser verstehen und vertrauen zu können. Das Resultat: Eine beispielhafte und gelungene Integration trotz einer politisch gespaltenen Gemeinde.

Im vergangenen September sollte die Familie nun nach Kroatien abgeschoben werden. Dort hätte – so die österreichischen Behörden – ihr Asylverfahren abgewickelt werden müssen. Rechtlich wäre das möglich gewesen. Rechtlich wäre es aber genauso möglich gewesen, das Asylverfahren in Österreich durchzuführen und der Familie die Möglichkeit zu geben – sollte der Asylantrag positiv erledigt werden – in Österreich zu bleiben.

Die Kumberger und Kumbergerinnen hätten das zu einem großen Teil begrüßt und versuchten mit allen Mitteln, die Abschiebung zu verhindern. Als ein zweiter Abschiebe-Versuch im Oktober im Raum stand, haben die engagierten Steirer sogar den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeschaltet, der der österreichischen Regierung empfahl, den Fall zu prüfen.

Die engagierten Gemeindemitglieder von Kumberg fühlen sich von der Regierung betrogen: „Vor einem Jahr wurde uns ein klarer Auftrag erteilt: ‚Nehmt Flüchtlinge auf und integriert sie!‘ – Jetzt sind sie bestens integriert, und jetzt sollen sie abgeschoben werden, ohne dass jemals jemand mit uns gesprochen hat!“, heißt es von Seiten der Kumbergerinnen und Kumberger.

Die Integrationsversuche der Einwohner haben den Ort verändert – es ist viel diskutiert worden, es haben sich Menschen zusammengefunden, die bisher wenig bis gar nichts miteinander zu tun hatten. Freilich – auch darüber schweigt man nicht – gibt es kritische und besorgte Stimmen im Ort, die den Flüchtlingen skeptisch gegenüber stehen. „kreuz und quer“ hat nachgefragt: bei den Kumbergerinnen und Kumbergern, bei politischen und kirchlichen Verantwortungsträgern und in Kroatien, wohin die Familie abgeschoben werden soll.

Ein Film von Zoran Dobric
Redaktion: Barbara Krenn

Verehrt oder geschlagen Islam, Frauen und Familie

ORF/Tausend Rosen

Verehrt oder geschlagen Islam, Frauen und Familie

Zwangsverheiratungen von Minderjährigen, Gewalt in der Ehe und Übergriffe auf Frauen: Meldungen mit solchen Inhalten werden in den Medien verstärkt wahrgenommen, seit der Zustrom von Flüchtlingen aus islamischen Ländern nach Europa angestiegen ist.

Auch interessiert die Frage zunehmend, wie im Islam das Verhältnis der Geschlechter zueinander in Bezug auf Ehe und Familie geregelt ist. Häufig steht die muslimische Frau im Zentrum der Debatten: hochverehrt und geachtet oder unterdrückt und unfrei?

Die Reportage fragt glücklich verheiratete und nach langem Martyrium geschiedene Frauen nach ihren Erfahrungen mit Ehe und Familie, afghanische Einwanderer, selbstbewusste junge Musliminnen und Islam-Experten diskutieren, welche Rolle Tradition, Religion, Kultur und individuelle Werthaltungen in Beziehungsfragen spielen.

Özlem Akar ist Psychotherapeutin und arbeitet seit vielen Jahren als türkischsprachige Beraterin im Frauengesundheitszentrum FEM Süd in Wien: „Ich spüre in den letzten Jahren eine starke Rückbesinnung auf den Islam, insofern sind die Rollen auch wieder wichtiger geworden als noch vor sechs oder sieben Jahren.

Die Rolle des Mannes ist es, die Familie zu ernähren, die Rolle der Frau ist Gehorsam.“ Für Frauen ist es oft schwierig oder unmöglich, aus schlechten Ehen auszubrechen, das Aushalten und Dulden ist ein über die Generationen überlieferter Weg, mit einer solchen Situation umzugehen.

Edina Cokić und Mahdi Mekić aus Graz prägen ein anderes Bild einer muslimischen Ehe: Seit 16 Jahren glücklich verheiratet, lebt die ursprünglich aus Bosnien stammende Familie ihren Glauben selbstbewusst und aktiv. Der tägliche respektvolle Umgang miteinander gehört genauso dazu wie das gemeinsame Beten.

Komplexe Fragestellungen ergeben sich, wenn man nach den Ursachen für frauenverachtende Praktiken in islamischen Familien fragt. Imam Ramazan Demir ist sich sicher, dass es die Verirrungen einzelner Männer sind, die ein schlechtes Image des Islam in Frauenangelegenheiten verursachen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass irgendwelche Idioten unsere Religion missbrauchen“, argumentiert er.

Fatal in seinen Augen ist auch die Idee, den Koran heute „wortwörtlich“ zu nehmen, er plädiert für ein kontextgebundenes Verstehen dieses 1400 Jahre alten Buches. Dass Gewalt gegen Frauen keine Erfindung des Islam ist, scheint evident, dennoch lassen sich – wenn man möchte – im Koran wie in keinem anderen heiligen Buch Stellen finden, die zur Legitimation von Gewalt dienen können.

Gegen das „Schönreden“ solcher Koranstellen wehrt sich Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi: „Wir müssen die Sachen so benennen, wie sie sind, und wir müssen auch keine Angst haben, Koranstellen zu kritisieren“. Der Koran ist gedacht für eine Gesellschaft des siebten Jahrhunderts und sollte auch im historischen Kontext gelesen werden, so Ourghi.

Buch und Regie: Thomas Grusch und Elisabeth Krimbacher
Redaktion: Helmut Tatzreiter