Orthodoxie: Chance auf Wiedervereinigung mit Katholiken

Es gibt eine Chance auf Wiedervereinigung von orthodoxer und katholischer Kirche: Das sagte der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. im Gespräch mti Journalisten in Istanbul.

Zwar werde eine Wiedervereinigung der beiden Kirchen „wahrscheinlich“ zu seinen Lebzeiten nicht vollzogen werden, so das Oberhaupt der Weltorthodoxie. Doch habe er im Vatikan im Zuge seines Gesprächs mit Papst Franziskus nach dessen Amtseinführung eine neue Haltung und einen neuen Stil erlebt, die ihn „optimistisch“ stimme. Er sei "überrascht gewesen, dass ihn Papst Franziskus zu einem Essen mit den Kardinälen eingeladen habe. Bartholomaios I. war der erste Ökumenische Patriarch seit der Kirchenspaltung von 1054, der an der Amtseinführung eines Papstes teilnahm.

Papst Franziskus und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I.

APA/EPA/ANSA/Osservatore Romano

Papst Franziskus und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. bei einer Privataudienz

Gemeinsame Pilgerreise

In Rom hatte Bartholomaios I. den neuen Papst zu einem Besuch im Phanar in Konstantinopel aus Anlass des Andreas-Festes Ende November eingeladen; zugleich unterbreitete er aber auch den Vorschlag für eine gemeinsame Pilgerreise nach Jerusalem im Jahr 2014. Die Pilgerreise soll an das erste Treffen eines Papstes mit einem Ökumenischen Patriarchen vor 50 Jahren in Jerusalem erinnern. Im Jänner 1964 waren mit Patriarch Athenagoras und Papst Paul VI. erstmals seit der Kirchenspaltung von 1054 die höchsten Repräsentanten von Ost-und Westkirche zusammengetroffen und hatten den ökumenischen Dialog eingeleitet.

Bei der Begegnung in Rom waren sich Bartholomaios I. und Papst Franziskus auch einig, den theologischen Dialog zwischen den beiden Kirchen zu verstärken und gemeinsame Initiativen zum Schutz der Umwelt zu entwickeln. Der Patriarch regte an, Papst Franziskus und er könnten gemeinsam eine für 2015 geplante Ausstellung zur Bewahrung der Schöpfung auf dem Berg Athos eröffnen. Die Schau soll anschließend in den Scuderie del Quirinale in Rom gezeigt werden.

Nach dem Gespräch mit Franziskus unterstrich Bartholomaios I. die Notwendigkeit, den begonnenen theologischen Dialog entschlossen fortzusetzen. Dieser Dialog müsse ein „Dialog der Liebe und der Wahrheit“ sein, der in einem Geist der „Demut, Milde und Aufrichtigkeit“ geführt wird.

Gemeinsam gegen Wirtschaftskrise

Nur so könnten sich die Christen gemeinsam der weltweiten wirtschaftlichen Krise stellen, die Papst Franziskus durch seinen „langen und fruchtbaren Dienst als ‚barmherziger Samariter‘ in Lateinamerika“ gut kenne, betonte der Patriarch. Es gehe darum, die Besitzenden zu motivieren, dass sie bereitwillig den Nichtbesitzenden etwas abgeben. Auf diese Weise könne der Frieden durch Gerechtigkeit gesichert werden. „Wir müssen die Hungernden speisen, die Nackten kleiden, den Leidenden helfen“, zitierte der Ökumenische Patriarch - ebenso wie es tags zuvor Papst Franziskus getan hatte - die Gerichtsrede im 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums.

„Mein Bruder Andreas“

Außer Programm hatte Papst Franziskus den Patriarchen als „meinen Bruder Andreas“ bezeichnet, als er Bartholomaios I. begrüßte und ihn einlud, das Wort zu ergreifen. Der Papst nahm damit darauf Bezug, dass der Hl. Andreas, Bruder des Petrus und „Erstberufener“, Schutzpatron von Konstantinopel ist, während Petrus als Schutzpatron von Rom verehrt wird. Papst und Patriarch saßen bei der Begegnung mit den Repräsentanten der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften auf gleich großen Stühlen auf gleicher Höhe.

Der orthodoxe Metropolit von Paris, Emmanuel (Adamakis), betonte vor Journalisten, er sei überrascht über den „neuen Stil des Papsttums“, wie er in den Begegnungen zwischen Papst Franziskus und dem Ökumenischen Patriarchen zum Ausdruck gekommen sei. Eine gemeinsame Jerusalem-Pilgerfahrt von Papst und Patriarch könne den von Papst Benedikt XVI. so sehr geförderten Dialog mit der Orthodoxie noch weiter vertiefen. Die Persönlichkeit von Papst Franziskus werde es ihm erlauben, noch konkretere Gesten zu setzen, etwa im Bereich der Ökologie, der beiden Bischöfen so sehr am Herzen liege.

Außerordentliches Ereignis

Der an der Fordham University lehrende Historiker George E. Demacopoulos hat die außerordentliche Bedeutung der Präsenz von Bartholomaios I. bei der Amtseinführung von Papst Franziskus besonders hervorgehoben. Zweifellos sei es das erste Mal in der Geschichte gewesen, dass ein Ökumenischer Patriarch bei der Amtseinführung eines Papstes präsent war. Die Präsenz von Bartholomaios I. in Rom am 19. März sei daher ein „außerordentliches Ereignis in der Geschichte der Christenheit“, so der Historiker.

Auch den Leiter der russisch-orthodoxen Delegation bei der Amtseinführung des Papstes, Metropolit Hilarion (Alfejew) von Wolokolamsk, empfing Franziskus zu einem privaten Gespräch. Der Chef des Außenamts des Moskauer Patriarchats überbrachte dem Papst die Grüße von Patriarch Kyrill I. und die Geschenke des Patriarchen (u.a. eine Ikone der Gottesmutter). Metropolit Hilarion versicherte Papst Franziskus, dass die russisch-orthodoxe Kirche auf dem Weg zur Einheit weiter voranschreiten wolle, wies aber auch auf die Hindernisse hin, die einer persönlichen Begegnung zwischen Papst und Moskauer Patriarch im Weg stehen, insbesondere die Situation in der westlichen Ukraine.
KAP

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