Reformationsjahr 2017: Ökumenische Deutung

Katholiken und Lutheraner haben sich auf eine gemeinsame Darstellung der Reformationsgeschichte geeinigt. Der Lutherische Weltbund nahm am Montag das Studiendokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ entgegen.

Das in mehrjähriger Arbeit erstellte Studiendokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ enthält die gemeinsame lutherisch-katholische Aufarbeitung der Geschichte. Wie die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA berichtet, fordert der Text Katholiken und Lutheraner in fünf „ökumenischen Imperativen“ für die Zeit zum 500. Jahrestag des Beginns der Reformation 2017 dazu auf, „immer von der Perspektive der Einheit und nicht von der Perspektive der Spaltung auszugehen, um das zu stärken, was sie gemeinsam haben, auch wenn es viel leichter ist, die Unterschiede zu sehen und zu erfahren“.

Tor der Schlosskirche zu Wittenberg, an daws Martin Luther 1517 seine 95 Thesen schlug

APA/EPA/Jens Wolf

Martin Luthers an das Tor der Schlosskirche von Wittenberg geschlagene 95 Thesen waren Auslöser für die Reformation

Beide Konfessionen sollten sich ständig durch die Begegnung mit dem anderen und durch das gegenseitige Zeugnis des Glaubens verändern lassen, heißt es weiter in dem 90-seitigen Dokument. Ferner sollten Katholiken und Lutheraner die sichtbare Einheit der Kirchen suchen, die Kraft des Evangeliums von Jesus Christus wiederentdecken und zusammen Zeugnis für Gottes Gnade ablegen.

Freude und Schmerz

Der Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, verwies auf die unterschiedliche Bedeutung des Reformationsgedenkens für die jeweiligen kirchlichen Traditionen. „Es ist verständlich, dass für Lutheraner die Freude über die reformatorische Wiederentdeckung vor allem des Evangeliums von der Rechtfertigung des Menschen allein in Gnade im Vordergrund steht“, so Koch. Diese Freude teilten Katholiken.

Für Katholiken sei „das Reformationsgedenken aber auch mit tiefem Schmerz verbunden, weil es zur Spaltung der Kirche und vielen negativen Auswirkungen“ geführt habe. Man könne die tragischen Folgen der Kirchenspaltung nicht feiern, aber das Positive gemeinsam sehen und gemeinsam Wege in die Zukunft suchen.

Kein lehramtliches Dokument

Vor Journalisten erläuterte Koch, dass es sich bei dem neuen Papier nicht um ein lehramtliches Dokument der Kirchen handle. Sowohl Benedikt XVI. in seiner Amtszeit als auch Papst Franziskus hätten die Erarbeitung des Dokumentes unterstützt. Aufgabe der katholischen Kirche sei es nun, den Text in Bischofskonferenzen und Ortskirchen bekanntzumachen.

Tor der Schlosskirche zu Wittenberg, an daws Martin Luther 1517 seine 95 Thesen schlug

APA/EPA/Jens Wolf

Innenraum dert Schlosskirche Wittenberg

Die Impulse sollten „auf breiter Ebene“ aufgegriffen werden, „damit das Reformationsgedenken auch das ökumenische Miteinander“ voranbringe, so der Magdeburger Bischof Gehard Feige, Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz. Bemerkenswert aus katholischer Sicht sei die klare Aussage, dass die Spaltung der Kirche des Westens auch für die evangelischen Christen „Anlass für Schmerz und Klage“ sei: Für 2017 gebe dies neben Freude und Dankbarkeit auch „Schmerz über Versagen und Verletzungen auf beiden Seiten“ Raum.

Dass das Dokument erstmals die Geschichte der Reformation „gemeinsam und mit Blick auf die größere Gemeinschaft der beiden Konfessionen“ erzähle, hob Friedrich Weber, Braunschweiger Landesbischof und Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), hervor. Statt die allgemeinen und kulturellen Wirkungen der Reformation zu betrachten, werde nun die Theologie Luthers „in ihrer Breite“ dargestellt. Dies lasse erkennen, dass viele der zentralen theologischen Anliegen Luthers „heute bereits gemeinsam mit römisch-katholischen Christen“ gesagt werden könnten.

Bünker: „Wichtiger Anstoß im bilateralen Gespräch“

Der österreichische evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker bezeichnete das neue Dokument am Montag sls einen „ganz wichtigen Anstoß im bilateralen Gespräch“. Es zeige die Fortschritte im lutherisch-katholischen Gespräch, sagte der Bischof, der auch Generalsekretär der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa (GEKE) ist, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst Österreich (epdö). Zugleich werde darin auch deutlich, dass die Reformationsfeiern 2017 „nicht wie bisher konfessionalistisch abgrenzend“ gestaltet sein werden.

Man habe „deutliches Augenmerk“ auf das gemeinsame Gedenken gelegt, befand Bünker. „Wir allerdings werden sicherlich die Betonung auf die Freude und des Feiern legen und die Dankbarkeit für die Reformation herausstreichen“, kündigte der Bischof an. Die Evangelischen Kirchen in Österreich und in Europa hätten beschlossen, die Reformation in ihrer Dimension als europäisches und weltweites Ereignis zu beleuchten und zu feiern - mehr dazu in 500 Jahre Reformation: Grundsatzpapier verabschiedet.

Über Gedenken hinausgehen

Dabei solle über ein stark auf Luther konzentriertes Gedenken hinausgegangen werden. „Wir wollen die Reformation in einem weiteren Horizont sehen“, meinte Bünker. Er ortete hier auch einen Kritikpunkt am Dokument des Lutherischen Weltbundes und des Vatikans: Reformation sei mehr als ausschließlich die Geschichte Luthers, die dort angesprochen werde. So kämen etwa andere Reformatoren „gar nicht oder bloß am Rande“ vor. Auch der Wiener Theologe Ulrich Körtner kritisierte das Papier am Montag unter anderem in dieser Hinsicht - mehr dazu in Theologe Körtner kritisiert Reformationsdokument.

Bünker vermisst in dem Dokument außerdem „die wirklich heißen Eisen“, die im katholisch-evangelischen Gespräch „zu wenig angepackt worden sind“ - wie etwa das Verständnis von Kirche, Einheit oder des Papstamtes. „Aber das war wohl auch nicht Motivation des Papiers“.

KAP

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