Giovanna Chirri: Mit Latein zum großen Scoop

Am 11. Februar 2013 kamen der Vatikan-Journalistin Giovanna Chirri ihre Latein-Kenntnisse zu Gute: Um 11.46 Uhr ging ihre Eilmeldung „Papst gibt Pontifikat zum 28. Februar ab“ um die Welt.

Dank ihrer Latein-Kenntnisse konnte die erfahrene „Vaticanista“ von der Nachrichtenagentur ANSA als Erste die Ankündigung von Benedikt XVI. bei einem Konsistorium für die Seligsprechung zweier Märtyrer verstehen, was der Reporterin nicht nur in Italien, sondern weltweit sofortigen Ruhm bescherte.

Von diesem Tag erinnert sie sich an fast jedes Details: "Nach einem Jahr erlebe immer wieder dieses Gefühl des Schreckens. Die Botschaft des Papstes war auf Latein, aber klar und deutlich und die versteinerten Gesichter der Kardinäle waren vielsagend. Ich hatte instinktiv begriffen, dass etwas Großes geschehen war. Mir zitterten die Knie, als ich die Meldung tippte. Als sie gesendet wurde, bin ich wie von einer Lawine überrollt worden“, berichtet Chirri im Gespräch mit der APA.

„Entspricht dem Stil Benedikts“

„Viele Journalisten waren verblüfft, dass der Papst seine Rücktrittsankündigung bei einem relativ anonymen Konsistorium und noch dazu auf Latein gegeben hat“, meint die Journalistin. „Doch ich finde, das entspricht dem Stil Benedikts, der auf die Sprache der Kirche zurückgegriffen hat, um seinen Amtsverzicht anzukündigen. Josef Ratzinger hat alles genau durchdacht.“

Benedikts Rücktritt hat Chirris Leben als Journalistin verändert. Neben dem plötzlichen Ruhm ist ihr Beruf jetzt viel hektischer geworden. Zuletzt hat sie auch ein Buch über Benedikts Pontifikat veröffentlicht. „Seit 20 Jahren berichte ich aus dem Vatikan und bis zum 11. Februar 2013 war ich überzeugt, dass ich beruflich nicht viel Neues im Vatikan erleben würde. Aber ich habe mich getäuscht“, sagt die Journalistin heute. Benedikts Amtsverzicht habe die Reform der Kirche stark beschleunigt. „Damit hat eine neue Phase begonnen und für mich ist es eine Freude, sie zu beobachten und darüber berichten zu können.“

Frau an Schreibtisch

APA/EPA/Maurizio Brambatti

Giovanna Chirri in ihrem Büro

Über Benedikts achtjähriges Pontifikat zieht Chirri eine grundsätzlich positive Bilanz: „Benedikt XVI. ist meiner Ansicht nach von der Öffentlichkeit und den Medien wenig begriffen worden“, sagt sie. „An ihm hingen einige Klischees, von denen er sich nicht befreien konnte. Man begeistert sich heute für die Schlichtheit von Franziskus, doch auch Benedikt hatte dieselbe Eigenschaft. Benedikt hatte zwar keine so herzliche Beziehung zu den Massen wie Johannes Paul II., doch er hatte eine reiche und tiefe Persönlichkeit, er konnte den Mitmenschen wirklich zuhören.“

religion.ORF.at/APA