Kolonialzeit - Papst bedauert Sünden der Missionare

Papst Franziskus hat die indigenen Völker Amerikas für alle während der Kolonialzeit im Namen der Kirche begangenen Verbrechen um Vergebung gebeten und neuen Formen von Kolonialismus den Kampf angesagt.

„Ich sage Ihnen mit Bedauern: Im Namen Gottes sind viele und schwere Sünden gegen die Ureinwohner Amerikas begangen worden“, sagte der Papst am Donnerstagabend (Ortszeit) beim zweiten Welttreffen der Volksbewegungen im bolivianischen Santa Cruz.

Wie schon Johannes Paul II. bat er, „dass die Kirche vor Gott niederkniet und von ihm Vergebung für die Sünden ihrer Kinder aus Vergangenheit und Gegenwart erfleht.“ Der Jesuit aus Argentinien betonte, er bitte demütig um Vergebung für die von der katholischen Kirche begangenen Sünden, aber auch „für die Verbrechen gegen die Urbevölkerungen während der sogenannten Eroberung Amerikas“.

Neuer Kolonialismus

Er sagte, dass er an der Seite der Volksbewegungen und armen Länder stehe im Kampf gegen neue Formen von Kolonialismus. „Der neue wie der alte Kolonialismus, der die armen Länder zu bloßen Rohstofflieferanten und Zulieferern kostengünstiger Arbeit herabwürdigt, erzeugt Gewalt, Elend, Zwangsmigrationen und all die Übel, die wir vor Augen haben“, so Papst Franziskus. Eine der wichtigsten Aufgabe sei die Verteidigung der Mutter Erde - er erinnerte an seine jüngste Umwelt-Enzyklika.

„Man darf nicht zulassen, dass gewisse Interessen - die globalen aber nicht universalen Charakters sind - sich durchsetzen, die Staaten und die internationalen Organisationen unterwerfen und fortfahren, die Schöpfung zu zerstören“, so der 78-Jährige. Die Zukunft der Menschheit liege nicht allein in den Händen der großen Verantwortungsträger, der bedeutenden Mächte und der Eliten. „Sie liegt grundsätzlich in den Händen der Völker.“

Appell an Benachteiligte

Die Benachteiligten müssten sich zusammenschließen, um für ihre Rechte einzutreten und sich an den Wandlungsprozessen auf nationaler, regionaler und weltweiter Ebene zu beteiligen. „Lassen Sie sich nicht einschüchtern!“, sagte der Papst.

Papstbild und Menschen auf einer Tribüne, Bolivien

APA/EPA/Osseravatore Romano/Handout

Menschen in der Don-Bosco-Schule beim Papst-Besuch

Das gegenwärtige Wirtschaftssystem verstoße gegen den „Plan Jesu“, betonte das Kirchenoberhaupt. „Die landlosen Bauern ertragen es nicht, die Arbeiter ertragen es nicht, die Gemeinschaften ertragen es nicht, die Völker ertragen es nicht - und ebenso wenig erträgt es die Erde.“ Das Auferlegen von Sparprogrammen gehe immer nur zu Lasten der Arbeiter und der Armen.

Papst unerschrocken

In Santa Cruz wie schon in seinem Schreiben „Evangelii gaudium“ sprach der Papst ausdrücklich von einer Wirtschaft, die „tötet“, und er fügte hinzu: „Diese Wirtschaft schließt Menschen aus. Diese Wirtschaft zerstört die Mutter Erde.“

In einer Welt, „in der es so viele Kleinbauern ohne Grund und Boden, so viele Familien ohne Wohnung, so viele Arbeiter ohne Rechte gibt, so viele Menschen, die in ihrer Würde verletzt sind“, sei etwas „nicht in Ordnung“, so Franziskus weiter. Er fuhr fort: „Sagen wir es ganz unerschrocken: Wir wollen eine Veränderung; eine wirkliche Veränderung, eine Veränderung der Strukturen.“

Vereinigtes Lateinamerika

Die Völker Lateinamerikas erinnerte er an die früheren Visionen eines „Großen Vaterlandes“ aus der Ära nach der Kolonialherrschaft. Er rief sie auf, ihre Zusammenarbeit im gegenseitigen Respekt zu stärken; nur so könnten Frieden und Gerechtigkeit in der Region wachsen.

Die katholische Kirche ermahnte Franziskus zu konsequenter Unterstützung der vielfältigen Volksbewegungen, Kooperativen und Sozialinitiativen. „Die Kirche kann und darf in ihrer Verkündigung des Evangeliums diesem Prozess nicht fern stehen“, so der Papst. „Alle Bischöfe, Priester und Laien“ müssten die Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen in den städtischen und ländlichen Randgebieten vertiefen. Es müsse in jeder Diözese und in jeder kirchlichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden eine „echte, dauerhafte und verbindliche Zusammenarbeit mit den Volksbewegungen geben“.

Papst Franziskus in Bolivien

Reuters/David Mercado

Papst Franziskus bedauert die Sünden der Missionare in der Kolonialzeit.

Nach einem Besuch in Ecuador war Papst Franziskus am Mittwoch an Boliviens Regierungssitz La Paz eingetroffen und von Präsident Evo Morales empfangen worden. Dem Papst war in jungen Jahren ein Teil der Lunge entfernt worden, er ertrug aber ohne größere Schwierigkeiten die Höhe von 4.000 Metern in der an La Paz angrenzenden Stadt El Alto, bevor er nach Santa Cruz weiterreiste.

Besuch der Häftlingsstadt

Am Freitag (15.30 Uhr MESZ) wird der Papst im Rahmen seines Bolivien-Besuches in die Gefangenenstadt Palmasola reisen. Er will für einen humanen Umgang mit Gefangenen werben. In Palmasola sind 4874 Menschen inhaftiert, davon 339 Frauen, und innerhalb der Mauern weitgehend sich selbst überlassen. Wer Geld hat, kann sich in Bolivien oft bessere Haftbedingungen erkaufen.

Zuletzt lag die Kapazität der bolivianischen Gefängnisse bei rund 5000 -aber nach Angaben der Stiftung Jubileo waren mehr als 14 000 dort eingesperrt, davon 84 Prozent in Untersuchungshaft und ohne rechtskräftige Verurteilung. Ein Problem ist auch, dass viele Kinder in den Gefängnissen mit ihren Eltern leben müssen und sie dort immer wieder Augenzeugen von Gewalt und Verbrechen werden. Nach einer Begegnung mit den Bischöfen des Andenstaates fliegt Papst Franziskus weiter zur letzten Station seiner ersten großen Südamerikareise, nach Paraguay.

religion.ORF.at/APA/KAP/dpa

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