Papst Franziskus zu brisantem Besuch in Armenien

Papst Franziskus ist am Freitag zu einem brisanten Besuch in der Südkaukasusrepublik Armenien eingetroffen. Franziskus will nach eigenem Bekunden zu Frieden und Versöhnung in der konfliktreichen Kaukasus-Region aufrufen.

Mit militärischen Ehren begrüßten Armeniens Präsident Sersch Sargsjan und das Oberhaupt der Armenischen Kirche, Katholikos Karekin II., den Pontifex am Freitag am Flughafen der Hauptstadt Eriwan. Zum Auftakt seines Besuchs in Armenien richtete der Papst am Freitag in der Patriarchatskathedrale von Etschmiadzin einen eindringlichen Appell an die Christen in der Region zum Einsatz für Versöhnung.

Papst Franziskus in der Patriarchatskathedrale von Etschmiadzin, Armenien

APA/AP/Andrew Medichini

Papst Franziskus in der Patriarchatskathedrale von Etschmiadzin

Die Welt bedürfe dringend eines überzeugendes Zeugnisses dafür, „dass Christus lebt und wirkt und fähig ist, immer neue Wege der Versöhnung zwischen den Nationen, den Kulturen und den Religionen zu öffnen. So wird bestätigt und glaubwürdig gemacht, dass Gott Liebe und Barmherzigkeit ist“, sagte er.

Katholikos: „Dankbar“ für Messe für Opfer

In seiner Ansprache dankte Karekin dem Papst für die Messe im Petersdom im April 2015: „Unser Volk erinnert sich mit Dankbarkeit für Ihre feierliche Messe in Erinnerung an die Opfer des Genozids in der Basilika St. Peter, mit der historischen Predigt, in der Sie den Völkermord verurteilt haben“, so der Katholikos-Patriarch.

„Wir richten jetzt unser Gebet für die Anliegen der Stabilität und des Wohlergehens der heiligen Kirche Christi, für die Verbreitung des Geistes der Liebe und Barmherzigkeit unseres Herrn, um in der Welt Solidarität und Frieden zu stärken. Wir rufen den Herrn an, Eure Heiligkeit zu unterstützen, und wünschen Ihnen ein langes Pontifikat und Gesundheit, im Interesse des Gedeihens der römisch-katholischen Kirche und zum Trost der Gläubigen. Willkommen im biblischen Land Armenien!“, sagte Karekin weiter.

„Engagement auf volle Einheit“ nötig

Papst Franziskus sagte in seiner Antwort, die von Spaltungen und Konflikten gezeichnete Welt „erwartet von den Christen ein Zeugnis gegenseitiger Achtung und brüderlicher Zusammenarbeit“. Nötig sei das „geduldige und immer neue Engagement auf die volle Einheit hin“. Der Papst rief in der Kathedrale zu einer „Intensivierung der gemeinsamen Initiativen“ unter „unter allen Jüngern des Herrn“ für das Gemeinwohl auf. Solche Schritte könnten ein „helles Licht in dunkler Nacht“ sein und ein Appell, „auch die Verschiedenheiten in Liebe und gegenseitigem Verständnis zu leben“, sagte Franziskus weiter.

Franziskus würdigte zugleich die konkreten Fortschritte im Dialog zwischen der armenisch-apostolischen und der armenisch-katholischen Kirche in den vergangenen Jahrzehnten. Zugleich bekundete der Papst seine hohe Wertschätzung für die armenisch-apostolische Kirche. „Ich verneige mich vor der Barmherzigkeit des Herrn, dessen Wille es war, dass Armenien die erste Nation werden sollte, die - bereits im Jahr 301 - das Christentum als ihre Religion annahm: in einer Zeit, als im Römischen Reich noch die Verfolgungen wüteten“, so Franziskus.

Gedenken im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt der 14. Auslandsreise des argentinischen Papstes stehen das Gedenken an die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren, die Ökumene mit der armenisch-orthodoxen Kirche sowie die Begegnung mit der katholischen Minderheit des Landes. Mit Spannung wurde erwartet, ob Papst Franziskus trotz eines möglichen Konflikts mit der Türkei die Verfolgung der Armenier im Ersten Weltkrieg wie schon 2015 als „Völkermord“ bezeichnen würde. Die Türkei lehnt den Begriff ab.

Papst Franziskus bei seiner Ankunft in Armenien mit Armeniens Präsident Sersch Sargsjan (3. v. r.) und dem Oberhaupt der Armenischen Kirche, Katholikos Karekin II. (2. v. l.)

APA/AFP/Alexander Nemenov

Papst Franziskus mit Armeniens Präsident Sersch Sargsjan (3. v. r.) und dem Oberhaupt der Armenischen Kirche, Katholikos Karekin II. (2. v. l.)

Zu Beginn seiner Armenien-Reise hatte Papst Franziskus dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und der Türkei seine „besten Wünsche“ übermittelt - mehr dazu in Papst beginnt Armenien-Reise: Gruß an Erdogan.

Heikle Wortwahl

Zum Programm des dreitägigen Aufenthaltes zählen ein Gebet an der Gedenkstätte Zizernakaberd in der Hauptstadt Jerewan, die den Opfern der Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich gewidmet ist, und ein Besuch im Kloster Chor Virap mit Blick auf den Berg Ararat in der Türkei.

Franziskus hatte im April 2015 die Massaker als „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“ verurteilt. Die Türkei, Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs, lehnt den Begriff Genozid bis heute ab und hatte daraufhin ihren Botschafter aus dem Vatikan abberufen. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan drohte ihm damals mit den Worten „Der geehrte Papst wird diese Art von Fehler höchstwahrscheinlich nicht wieder begehen“. Er wolle ihn davor „warnen“. Nach armenischen Angaben starben bei den Massakern zwischen 1915 und 1917 rund 1,5 Millionen Armenier.

Sprecher: Begriff „Völkermord“ nicht zwingend

In der nach Überlieferungen ältesten christlichen Nation der Welt hoffen die Menschen auf deutliche Worte des Papstes zum Völkermord an den Armeniern. Die Kirche der Südkaukasusrepublik erwartet aber nicht zwingend, dass das katholische Kirchenoberhaupt erneut das Wort „Völkermord“ verwendet. „Wir kennen die Haltung des Papstes“, sagte der Sprecher der Armenischen Apostolischen Kirche, Wagram Melikjan.

„Allein, dass Franziskus die Genozid-Gedenkstätte besuchen wird, ist lebendiger Ausdruck seiner Haltung“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur am historischen Kirchensitz in Etschmiadsin bei der Hauptstadt Jerewan. „Die armenische Kirche und die Nation erwarten den Papst voller Dankbarkeit“, betonte Melikjan. Bauarbeiter bereiteten vielerorts Bühnen für den Papst-Besuch vor.

Im Dezember 2014 hatte Franziskus die Öffnung der Grenze zur Türkei zu seinem „Herzensanliegen“ erklärt. Am Sonntag fährt er im Zuge seiner Reise bis knapp an die stacheldrahtgesicherte Grenze, nämlich in das am Fuß des Ararat gelegene Chor-Virap-Kloster. Dort wird der Papst beten und den bereits in der Türkei gelegenen schneebedeckten Ararat-Bergkegel bewundern. Es ist jener Fünftausender, auf dem die Arche Noah glücklich gestrandet sein soll, der aber auch das historische Symbol der armenischen Nation ist.

Kirche mit großer Diaspora

Mehr als 90 Prozent der rund 3 Millionen armenischen Staatsbürger bekennen sich zu ihrer Nationalkirche. „Die armenische Kirche sieht sich als Garant der nationalen Identität“, erklärt Melikjan. Im postsowjetischen Armenien arbeiten Kirche und Staat eng zusammen.

Durch die große armenische Diaspora hat sich der Glaube in zahlreiche Länder verbreitet. Vor allem in Russland, Frankreich und den USA leben viele ethnische Armenier. Weltweit wird die Zahl der armenischen Kirchenanhänger auf rund neun Millionen geschätzt, die sich auf 37 Diözesen verteilen.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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