Papst besuchte NS-Vernichtungslager Auschwitz

Papst Franziskus hat am Freitag das ehemalige NS-Vernichtungslager Auschwitz besucht. Er durchschritt allein das Eingangstor des früheren Stammlagers, über dem der zynische Spruch „Arbeit macht frei“ steht.

Nach einer kurzen Fahrt in einem E-Mobil durch eine Straße zwischen den Blocks zog Franziskus sich auf eine Bank zurück und verharrte dann etwa 15 Minuten im stillen Gebet. Teilweise waren seine Augen dabei geschlossen. Am Weg zum Sammelgalgen verweilte der Papst eine Viertelstunde lang in sich gekehrt sitzend und mit geschlossenen Augen. Vor der Weiterfahrt küsste er den Galgen. Die Geste erinnerte an den traditionellen Kuss des Kreuzes Jesu an Karfreitag.

Treffen mit Überlebenden

Anschließend traf er Überlebende des Holocaust, unter ihnen die in Wien geborene 101-jährige Helena Dunicz Niwinska, die als Gefangene in Auschwitz in einem Orchester spielte. Die ehemaligen KZ-Gefangenen umarmte Franziskus einzeln und wechselte Worte mit ihnen. Von den früheren Häftlingen empfing Franziskus eine Kerze, mit der er ein Licht vor der Erschießungsmauer oder „Todeswand“ am sogenannten Todesblock 11 entzündete. Dort waren Tausende Menschen erschossen worden.

Papst Franziskus in Auschwitz

APA/AFP/Filippo Monteforte

Papst Franziskus betritt allein das NS-Vernichtungslager Auschwitz

Beten in der Todeszelle

Später zog sich Franziskus für ein Gebet in die frühere Zelle des Franziskaner-Minoriten Maximilian Kolbe zurück, der im KZ Auschwitz freiwillig anstelle eines Familienvaters in den Tod ging. Im nahe gelegenen Vernichtungslager Birkenau wird der Papst anschließend unter anderem Menschen begegnen, die während der Nazi-Herrschaft Juden vor der Ermordung gerettet haben. In Birkenau, dem eigentlichen Vernichtungslager, ermordeten die Nationalsozialisten mehr als 1,1 Millionen vor allem jüdische Menschen.

Papst Franziskus an der "Todeswand" in Auschwitz

Reuters/David W. Cerny

Gedenken an der „Todeswand“

Dann verließ er das Stammlager erneut zu Fuß und allein durch das Tor. Anschließend fuhr der Papst zum nahegelegenen Gelände des Vernichtungslagers Birkenau. Dort blieb der Papst an den Ruinen einer Gaskammer mit gesenktem Kopf stehen, um erneut alleine zu beten. Der Großrabbiner von Polen, Michael Schudrich, trug auf Hebräisch ein Gedicht für die Holocaust-Opfer vor.

„Herr, vergib so viel Grausamkeit!“

Franziskus kam anschließend mit etwa 25 polnischen Christen zusammen, die Juden vor den Nazis gerettet und dadurch ihr eigenes Leben riskiert hatten. Zu ihnen zählt Maria Augustyn, deren Familie über Jahre ein jüdisches Paar hinter einem Schrank versteckte, und Anna Bando, die ein Waisenkind aus dem Warschauer Ghetto rettete und Juden mit gefälschten Papieren ausstattete.

„Herr, erbarme dich über dein Volk! Herr, vergib so viel Grausamkeit!“, schrieb Franziskus auf Spanisch am Ende seiner Visite in das Besucherbuch. Die Gedenkstätte verbreitete ein Foto der Seite über Twitter.

Der Gästebucheintrag des Papstes in der Gedenkstätte in Auschwitz-Birkenau

APA/AP/Pawel Sawicki/Auschwitz-Birkenau State Museum

Der Gästebucheintrag des Papstes in der Gedenkstätte in Auschwitz-Birkenau

Zuvor zwei Päpste in Auschwitz

Franziskus ist der dritte Papst, der das ehemalige deutsche Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen besuchte. Der 2013 zurückgetretene deutsche Papst Benedikt XVI. besuchte 2006 zum Abschluss einer viertägigen Polen-Reise Auschwitz. Auch er ging allein durch das Tor des Stammlagers und betete beim Gang über das Gelände schweigend, bevor er vor dem Denkmal für die Opfer in einer Rede zu Versöhnung und Vergebung aufrief.

Er habe „als Sohn des deutschen Volkes“ hierher „an diesen Ort des Grauens“ kommen müssen, sagte er. Manche Themen wie den vergleichsweise geringen Widerstand der Kirche gegen die Barbarei schnitt er jedoch nicht an.

Bereits 1979 hatte Johannes Paul II. als erster Papst in dem Vernichtungslager der Millionen Toten durch die Naziverfolgung gedacht. Der 2005 verstorbene Pole war 1920 in der Nähe von Auschwitz geboren worden und hatte den Hitler-Terror erlebt. Schon als Erzbischof von Krakau hatte Karol Wojtyla mehrfach das ehemalige Lager besucht.

„Angemessene Geste“

Anders als seine Vorgänger zog der Argentinier es vor, in dem Lager zu schweigen und in Stille zu beten. Ronald Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, sprach von einer angemessenen Geste - mehr dazu in WJC: Papst engster Verbündeter der Juden.

Nach seinem Besuch in Auschwitz wollte der Papst nach Krakau zurückkehren, um mit Hunderttausenden Pilgern den Weltjugendtag zu feiern. Am Abend wollte er dort mit Jugendlichen den Kreuzweg beten. Höhepunkt des Samstags ist eine Nachtwache mit Franziskus. Der Weltjugendtag endet am Sonntag mit einer Abschlussmesse in Brzegi bei Krakau.

religion.ORF.at/dpa/AFP

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