Schwert mit Kreuz am Griff

ORF/Meta Film/Fritz Kalteis

Gewalt und Religion - eine unheimliche Allianz

Angesichts des islamistischen Terrors im Nahen Osten macht kreuz und quer einen Streifzug durch die Religionsgeschichte, um in einer Dokumentation und einer Diskussion der Frage nach der Verbindung zwischen Religion und Gewalt auf den Grund zu gehen.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 28. Oktober 2014
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:

Mittwoch, 29. Oktober 2014
um 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 30. Oktober 2014
11.50 Uhr, ORF 2
Nur „Gewalt und Religion - eine unheimliche Allianz“

Der Terror der Extremistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) ist eine neue Dimension religiös motivierter Brutalität. Doch der Blick in die Geschichte zeigt: Gewalt gehört ebenso wie Religion zu den Urphänomenen der Menschheit. Warum vergießt der Mensch im Namen Gottes Blut, während gleichzeitig in den Weltreligionen Friede, Barmherzigkeit und Liebe zentrale Bedeutung haben? Fritz Kalteis sucht in seiner Dokumentation „Gewalt und Religion – Eine unheilige Allianz“, die „kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – am 28. Oktober zeigt, nach Antworten auf diese brandaktuelle Frage.

Um 23.05 Uhr folgt eine „kreuz und quer“-Diskussion zum Thema „Gewalt im Islam – Was wirklich im Koran steht“: Was steht wirklich im Koran – etwa über den „Dschihad“? Was kann die Weltreligion Islam extremistischen Konzepten entgegensetzen? Und wie funktioniert die Radikalisierung junger Menschen, die bereit sind, für vermeintlich religiöse Ideen Gewalt anzuwenden?

„Gewalt und Religion – Eine unheilige Allianz“

Frau Leila (Name von der Redaktion geändert) hat schwere Wochen hinter sich. Sie musste die Veränderung ihrer 15-jährigen Tochter vom fröhlichen Teenager zur Dschihadistin beobachten. Die junge Frau wollte im Irak an der Seite des IS kämpfen – zum Entsetzen ihrer Mutter: „Meiner Meinung nach ist das alles eine Gehirnwäsche. Die suchen Kinder aus, die nur sehr wenig von Religion verstehen“, sagt Frau Leila im „kreuz und quer“-Interview.

Der Pädagoge Moussa Al-Hassan Diaw, Mitbegründer des Netzwerks „Sozialer Zusammenhalt“, sieht darin ein Muster: „Sie wissen ganz genau, dass ein traditionelles religiöses Verständnis die Jugendlichen nicht mehr erreicht.“ Deshalb setzt der IS neben Propagandavideos im Computerspiel-Look auf ein radikales Schwarz-Weiß-Denken. Hier der vermeintlich „Wahre Islam“, dort die Ungläubigen, die bekämpft werden müssen. Dieses Schema ist nicht neu in der Geschichte.

Dschihad und Heiliger Krieg: „Man kann sehr gut die Parallelen zwischen einem Kreuzritter und einem Dschihadisten ziehen. Es gibt viele Berichte, die zeigen, dass sich diese Ritter in einem Gottesdienst verstanden, als sie gegen die Ungläubigen zogen. Und auch überzeugt waren, dass das Töten eine gottgefällige Aufgabe war.“ Das sagt Thomas Prügl, Kirchenhistoriker der theologischen Universität Wien. Tatsächlich sind die Kreuzzüge im christlichen Kulturkreis ein historischer Bruch, der bis heute nachwirkt. Zum ersten Mal wurde ein Krieg, ein Feldzug religiös gerechtfertigt und vom Papst selbst gutgeheißen. Bis heute sehen sich Muslime weltweit einem vermeintlichen Kreuzzug des Westens gegenüber.

Radikaler Eingottglaube? Es scheint paradox: Islam und Christentum ist der Friede heilig – und doch sahen die Gläubigen auch im Krieg einen Weg, ihrem Gott zum Sieg zu verhelfen. Liegt im Glauben an einen einzigen wahren Gott die Wurzel der unheiligen Allianz zwischen Religion und Gewalt? Tatsächlich sehen manche Forscher in der Entstehung des Monotheismus einen Hauptgrund für religiöse Gewalt. „Die Frage der richtigen oder falschen Religion hat sich bis dahin nicht gestellt. Das führt zu einem Radikalismus, der davor nicht existiert hat“, sagt der französische Mittelalterhistoriker Philippe Buc. Thomas Prügl hält dagegen: „Der Eingottglaube hat auch eine Schärfung des ethischen Bewusstseins gebracht.“

Schriftfundamentalisten: Islam, Judentum und Christentum sind zudem Buchreligionen, die sich auf eine Heilige Schrift berufen. Doch wie wörtlich darf man die Schrift nehmen? Je nach Antwort fächern sich die Religionen in verschiedenste Richtungen auf: von liberal bis fundamentalistisch. „Was Fundamentalisten in sämtlichen Religionen machen, ist, dass sie die gewachsene Tradition der Schriftinterpretation ablehnen“, bestätigt Moussa Al-Hassan Diaw. Sie sind Schriftfundamentalisten, die sich herauspicken, was sie brauchen.

Gegenerzählung: Die Tragik des Medienzeitalters: Extremisten aller Richtungen bekommen deutlich mehr Aufmerksamkeit als jene, die die Friedensbotschaft der Weltreligionen verbreiten wollen. Deshalb setzt etwa Moussa Diaw mit seinem Netzwerk „Sozialer Zusammenhalt“ auf sogenannte Peers – islamische Jugendliche, die anderen jungen Menschen eine Form des Islams nahebringen, „der dem widerspricht, was diese politischen Extremisten als den wahren Islam präsentieren“.

Kampf gegen den eigenen Vater: Diaw möchte auch Frau Leilas Tochter, die glücklicherweise noch vor ihrer Ausreise in den Irak aufgehalten und zu ihrer Mutter zurückgebracht wurde, in das Netzwerk einbinden. Der Wunsch, in den Dschihad zu ziehen, ist aber – vorerst – geblieben. Besonders paradox: Im Irak hätte die junge Frau gegen ihren eigenen Vater gekämpft. Er ist Offizier der kurdischen Peshmerga-Kämpfer und somit ein Gegner des IS.

Ein Film von Fritz Kalteis

Günter Kaindlstorfer

ORF/Hans Leitner

Günter Kaindlstorfer

„Gewalt im Islam – Was wirklich im Koran steht“

Enthauptungen, Vertreibungen, Versklavung von Frauen und Kindern: Ihre Gewaltorgien rechtfertigen islamistische Terroristen mit dem Koran und dem Vorbild des Propheten Mohammed. Sie geben vor, zum „Ursprung“ der Religion zurückkehren zu wollen, als im 7. Jahrhundert die Einheit von Religion, Sozial- und Staatswesen im Islam begründet wurde. Ihre Feinde sind alle „Ungläubigen“ – auch andersdenkende Muslime. Islamische Theologen widersprechen den Extremisten heftig und lehnen diese Auslegung als „vergiftete Ideologie“ ab, durch die der Islam missbraucht werde.

Doch was steht wirklich im Koran – etwa über den „Jihad“? Was kann die Weltreligion Islam extremistischen Konzepten entgegensetzen? Und wie funktioniert die Radikalisierung junger Menschen, die bereit sind, für vermeintlich religiöse Ideen Gewalt anzuwenden?

Darüber diskutieren bei Günter Kaindlstorfer Armina Omerika, Institut für Studien der Kultur und Religion des Islams, Universität Frankfurt; Politologe und Autor Hamed Abdel-Samad; Islamwissenschaftler Christian Troll, Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt; und Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer Österreicher/innen.