Du sollst Vater und Mutter pflegen

ORF/Posch TV/Ursula Merzeder

Du sollst Vater und Mutter pflegen

Einen an Alzheimer oder einer anderen Demenzerkrankung leidenden Menschen rund um die Uhr zu pflegen – und das oft jahrelang – stellt Betreuende vor enorme Herausforderungen und vor Probleme, die nicht selten unlösbar scheinen.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 21. April 2015
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:

Mittwoch, 22. April 2015
um 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 23. April 2015
11.50 Uhr, ORF 2
Nur „Du sollst Vater und Mutter pflegen“

„kreuz und quer“ – präsentiert von Christoph Riedl-Daser – zeigt die HD-Dokumentation „Du sollst Vater und Mutter pflegen!“ von Ruth Beckermann, die pflegende Angehörige in den Blick nimmt, deren Schwierigkeiten und Probleme thematisiert, aber auch Möglichkeiten vorstellt, mit der belastenden Situation besser zurechtzukommen.

Um 23.10 Uhr folgt Michael Cencigs in HD produzierter Dokumentarfilm „Die Liebe fürs Leben“, der die Lebensgeschichten sehr unterschiedlicher Paare erzählt und zu einer großen Liebesgeschichte verknüpft.

Vom porschefahrenden und golfspielenden Unternehmerpaar, das vor Kurzem silberne Hochzeit gefeiert hat, bis zum Bauern-Ehepaar, das bereits die Goldene Hochzeit hinter sich hat. Vom christlich geprägten Ehepaar der bürgerlichen Mittelschicht, rund 40 Jahre verheiratet, bis zu einem Lesbenpaar, das seit rund 30 Jahren zusammenlebt und nun vor der gesetzlichen Verpartnerung steht.

„Du sollst Vater und Mutter pflegen!“

In Österreich leiden derzeit etwa 130.000 Menschen an einer Form von Demenz – Tendenz steigend. Expertinnen und Experten rechnen bis 2050 sogar mit einer Verdoppelung der Zahl: Vermutlich werden dann mehr als eine Viertelmillion Menschen an einer demenziellen Erkrankung leiden – mit allen komplexen Auswirkungen, die diese für die Betroffenen und ihre Umwelt hat.

Die Filmemacherin Ruth Deutschmann stellt Betroffene aus der Steiermark und Kärnten vor, die rund um die Uhr betreut werden müssen. Die meisten von ihnen wollen daheim, in ihren eigenen vier Wänden, leben. Somit ruht die Last der Betreuung auf den Schultern von Angehörigen, in der Regel auf denen von Frauen.

Mit wenigen Ausnahmen sind es die Ehefrauen oder Töchter, die als pflegende Angehörige – neben ihrem Beruf, der Kindererziehung, dem Haushalt – die häusliche Betreuung von Menschen mit Desorientierung übernehmen – und dabei oft an ihre Belastungsgrenzen stoßen.

Nicht selten haben sie über kurz oder lang mit schweren Erschöpfungszuständen zu kämpfen und fühlen sich im Alltag aufgerieben zwischen der Verpflichtung, die sie übernommen haben, und den eigenen Bedürfnissen.

Es bleiben oft nicht nur die eigenen Wünsche und Sehnsüchte auf der Strecke, in vielen Fällen brechen Partnerschaften und Familien deswegen auseinander. Dazu kommt, dass Demenz und Verwirrtheit in unserer Gesellschaft heute noch ein Tabuthema sind und sich nicht nur Betroffene stigmatisiert fühlen, sondern auch deren Angehörige.

Zu den Möglichkeiten, die schwierige Situation als pflegender Angehöriger besser in den Griff zu bekommen, gehört die sogenannte Validation, die von der US-Psychologin und Gerontologin Naomi Feil entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um die Theorie und Praxis einer Kommunikationsform, die auch dazu beitragen kann, dass der Alltag von desorientierten, dementen Menschen und Angehörigen – oder dem Pflegepersonal – möglichst konfliktfrei gestaltet werden kann.

Zu Wort kommen neben der Begründerin der sogenannten Validations-Methode, Naomi Feil, u. a. die Krankenhausseelsorgerin, Altenbetreuerin und Validationslehrerin Sr. Anaclet vom Kloster Wernberg in Kärnten, der Grazer Neurologe und Alzheimerexperte Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt sowie Lotte Lettner, Leiterin der Seniorenheimstätte Sekirn am Wörthersee, und die Vizepräsidentin der Selbsthilfegruppe Alzheimer Austria, Monika Natlacen.

Ein Film von Ruth Deutschmann

Du sollst Vater und Mutter pflegen

ORF/Meta Film/Michael Cencig

„Die Liebe fürs Leben“

Es gibt sie noch, die Liebe fürs Leben – auch in Zeiten von Scheidungsraten an die 50 Prozent. Und während zeitweilig der Eindruck vermittelt wird, lebenslange Zweierbeziehungen seien ein Auslaufmodell, legt der Film das Augenmerk zur Abwechslung auf jene ebenfalls rund 50 Prozent, die entgegen allen Trends zusammenbleiben.

„Die Liebe fürs Leben“ – ein Film, der Mut machen will. Mut zum Leben, zur Beziehung, zur Liebe. Mut zum Leben in einer Liebesbeziehung. Was all diese höchst unterschiedlichen Paare, die im Film gezeigt werden, gemeinsam haben, ist die Liebe als Leitmotiv ihrer Beziehung. Ein Leitmotiv als tragendes Element, das sich auch von heftigen Dissonanzen nie gänzlich übertönen ließ.

„Ich weiß, du hast eine Leidenschaft“, sagt Margarete zu Franz, ihrem Mann: „Und was ist deine Leidenschaft?“ – „Du bist meine Leidenschaft“, antwortet er. Und das nach 64 Ehejahren. Im November vergangenen Jahres sind Margarete und Franz ins Seniorenheim gezogen.

Nach 50 Jahren in einer 30 Quadratmeter großen Gemeindewohnung am Schöpfwerk in Wien-Meidling. „Jetzt ist es am schönsten“, stellen sie übereinstimmend fest. In ihrem Zimmer haben sie mehr Platz als je zuvor, für Essen und Pflege ist gesorgt – und vor allem, betont Franz, für ein warmes Bett.

Davon konnte er damals nur träumen, 1947, als er Margarete kennenlernte – in einer Straßenbahn der Linie 8 im zertrümmerten Wien der Nachkriegszeit. „Er hatte so ein süßes Goscherl“, schwärmt Margarete heute noch: „Aber er war schüchtern. Gott sei Dank, sonst hätt er sich vielleicht eine andere genommen. Aber ich war nicht schüchtern. Und eines Tages hab ich mir gedacht, heut schnapp ich ihn mir.“

„Einmal zu Weihnachten wurde mir wieder alles zu viel. Und da dachte ich, wenn jetzt ein Mann vor der Türe stünde und mich einladen würde, mit ihm zu kommen, dann täte ich es“, erinnert sich Elisabeth an eine viele Jahre währende Beziehungskrise. Damals litt ihre Ehe mit Wolfgang unter akutem Kommunikationsmangel.

Nach 25 Jahren erfüllte ihr Wolfgang schließlich ihren Wunsch nach einem Eheseminar. Und dort ging ihm ein Licht auf: „Ich war immer der Meinung, ich würde meine Frau mit meinen beruflichen Problemen unnötig belasten. In Wahrheit schloss ich sie durch mein Schweigen von meinem Leben aus, statt sie teilhaben zu lassen.“

Franziska und Norbert sind 26 Jahre verheiratet, stolze Eltern dreier Kinder, und hatten sowohl privat als auch beruflich viel Glück im Leben. Wie tragfähig ihre Liebe ist, wurde ihnen jedoch nie so deutlich bewusst wie in jener Zeit, als Norbert plötzlich an einer mysteriösen Krankheit litt.

Er war wochenlang gelähmt. „Obwohl unsere Kinder noch klein waren und sie den Betrieb allein schupfen musste, besuchte mich Franziska jeden Tag im Krankenhaus und sprach mir Mut zu. Das hat wesentlich zu meiner Gesundung beigetragen, und das werde ich mein Lebtag nicht vergessen.“

Der Alltag auf einem Bergbauernhof ist ohnehin hart genug. Für Rosa, die frisch angetraute Jungbäuerin, kam erschwerend hinzu, dass sie sich von ihrer Schwiegermutter von Anfang an abgelehnt fühlte. Und Josef, einziges Kind seiner Mutter, die ihren Mann früh verloren hatte, saß zwischen zwei Stühlen.

Einerseits wollte er seiner Mutter gegenüber loyal sein, andererseits durfte er seine Frau nicht „im Regen stehen lassen“, wie er sagt. „Wenn man Geduld und einen guten Mann hat, geht alles“, erzählt Rosa: „Wir haben viel miteinander geredet. Er war einfach lieb zu mir.“ Heute, nach 52 Ehejahren, macht Josef seiner Rosa vor laufender Kamera eine Liebeserklärung: „Ich muss mich glücklich schätzen. So eine Frau findet man nicht alle Tage.“

„Ohne dich bin ich wie die Wolke ohne Regen, wie der Papst ohne Segen, wie der Müll ohne Tonne, wie der Sex ohne Wonne“, textet die eine Barbara in einem Liebeslied an die andere Barbara. Mit ihrer Band „enfemmes terribles“ geben sie die Nummer in der Wiener Sargfabrik zum Besten – und die Melodie wird zum Leitmotiv des Films.

Leitmotiv ihrer Beziehung ist die Veränderung, und auch wenn sie sich demnächst hochoffiziell aneinander binden, versprechen sie einander immer wieder von Neuem, nur so lange zusammenzubleiben, solange es für beide passt.

Und in den bisher 30 gemeinsamen Jahren hat einiges gepasst. Von der gemeinsamen Arbeit für eine Berliner Putzfirma bis zum kargen Leben auf einem Kärntner Bauernhof – „super alternativ und brotlos“, wie sie sich lachend erinnern.

Ein Film von Michael Cencig