Diarmaid MacCulloch im Pitt-Rivers-Museum, Oxford.

ORF/BBC/Kimberly Arms

Sex und Co. in der Moderne

Der zweite Teil der Doku „Das Christentum und die Sexualität“ beleuchtet die liberale Haltung zu Sex in der Moderne. Der zweite Teil der Doku „Die biblischen Plagen“ beschäftigt sich mit dem Exodus des Volkes Israel und damit, ob er nur eine Legende ist.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 14. Juli 2015
um 22.30 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:

Mittwoch, 15. Juli 2015
um 20.15 Uhr, ORF III

In „Sex und Co. in der Moderne“, dem letzten Teil des BBC-Dreiteilers „Das Christentum und die Sexualität“, den „kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – am Dienstag, dem 14. Juli 2015, um 22.30 Uhr in ORF 2 zeigt, führt Diarmaid MacCulloch durch das Zeitalter der Moderne und dokumentiert, wie sich schließlich die heutige, im Westen vorherrschende liberale Haltung zu Sex und Ehe entwickelt hat.

Die dritte Folge der dreiteiligen Reihe „Die biblischen Plagen“ von Gabriele Wengler und Sandra Papadopoulos beschäftigt sich danach ab 23.25 Uhr mit der „Flucht aus dem Pharaonenreich“.

„Das Christentum und die Sexualität“ – Teil 3: „Sex und Co. in der Moderne“

Langezeit war eine generell negative Sicht der Sexualität vorherrschend gewesen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts schlug die Sexualität zurück. Beispiel England: Nur eineinhalb Kilometer von der Pracht der Londoner St. Paul’s Cathedral entfernt fand sich eine völlig andere Welt – Sex war an jeder Straßenecke käuflich. Das Phänomen an sich war zwar nicht neu, aber doch die Ausmaße. Die Bordelle von Covent Garden handelten mit jeder Art von Sex, mit Striptease und sogar mit dem Spektakel halbnackter Ringkämpferinnen. Es gab für jeden Geschmack etwas.

Es gab ebenso Orte, an denen sich schwule Männer trafen und die bald als „Molly Houses“ bekannt waren – schwule Clubs, in denen Sex nicht länger als Sünde galt. Die Church of England versuchte, diese Ausschweifungen zu bekämpfen. Doch das Christentum sprach nicht länger mit einer Stimme: Neben der etablierten Kirche gab es nun protestantische Konkurrenzkirchen. Die Kontrolle über die Sexualität entglitt der Kirche.

Diarmaid MacCulloch vor der Kathedrale von Wells im englischen Somerset.

ORF/BBC/Kimberly Arms

Diarmaid MacCulloch vor der Kathedrale von Wells im englischen Somerset.]

In den protestantischen Kirchen begann sich allmählich auch das Bild der Frauen zu ändern. Viele frühe christliche Denker hatten dazu geneigt, Frauen als sexuelle Verführerinnen darzustellen. Nun begann man, Frauen den größeren moralischen Ernst zuzuschreiben. Die Männer galten als Sklaven der Leidenschaft und Lust. Doch die Stellung, die Frauen etwa in der methodistischen Kirche kurzfristig erhielten, wurde ihnen im spätestens im 19. Jahrhundert wieder von den Männern streitig gemacht. Dennoch hatte der frühe Aufbruch Auswirkungen bis heute.

Auch eine ganze andere, ebenso radikale Umwälzung im 20. Jahrhundert wird in diesem dritten Teil der Dokumentation thematisiert: Die 1960er Jahre bringen die Antibabypille – und machen Verhütung damit so einfach wie nie zuvor. Auf diese neue Herausforderung fanden die verschiedenen christlichen Kirchen unterschiedliche Antworten.

BBC, ein Film präsentiert von Diarmaid MacCulloch

„Die biblischen Plagen“ – Teil 3: „Flucht aus dem Pharaonenreich“

Erst nach dem finalen Schlag des Gottes Jahwe, als dieser den Tod über alle Erstgeborenen in Ägypten schickt, lässt der Pharao die geknechteten Israeliten ziehen. Wie ist diese letzte der großen „Plagen“ zu verstehen? Und: Ist der Exodus des Volkes Israel reine Legende – oder hat die Erzählung einen historischen Kern?

Obwohl bereits neun verheerende Plagen das Nilland verwüstet haben, zeigt sich der Pharao weiterhin verstockt und will Moses mit seinen Leuten nicht freigeben. Da holt Gott Jahwe zum finalen Schlag aus: Um Mitternacht schickt er den Tod über Ägypten. Alle Erstgeborenen – ob Mensch oder Tier – müssen sterben. Es gibt kein Entrinnen. Damit die Israeliten verschont werden, sollen sie mit dem Blut eines geschlachteten Lammes die Türpfosten ihrer Häuser bestreichen, das Fleisch bis auf den letzten Rest mit ungesäuertem Brot und bitteren Kräutern verzehren und sich fertig angekleidet zum Aufbruch bereit halten. Und tatsächlich lässt der Herrscher nach der unvorstellbaren Tragödie, die sein Volk getroffen hat, die Fremdarbeiter endlich ziehen. Mit der drastischen Schilderung der zehnten und schlimmsten Strafe endet die Kette der Plagen im 2. Buch Mose.

Der Tod der Erstgeborenen passt nicht in den Rahmen der vorangegangenen Naturkatastrophen. Fast alle naturwissenschaftlichen Erklärungsversuche wie die Verseuchung des Getreides durch Schimmelpilze bleiben unbefriedigend, weil keine These überzeugend belegt, warum nur die Ältesten der Heimsuchung Gottes zum Opfer fallen. Vielmehr sehen Forscher in der Episode ein religiöses Symbol: Die Erstgeburt alles Bösen soll mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden – ein Motiv, das auch im Nilland seit alters her bekannt war. Die genauen Anweisungen zum nächtlichen Passahmahl führen Experten auf uralte Traditionen von Bauern und Nomaden zurück. Denn aus diesen beiden Gruppen wächst Israel schließlich zusammen. Noch heute feiern die Juden das Passahfest in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten und die Befreiung aus der Knechtschaft als Geburtsstunde ihres Volkes.

Plagen - Tod aller erstgeborenen Söhne Ägyptens, auch der Sohn des Pharao stirbt.

ORF/ZDF/Holger Neuhäuser

Auch der Sohn des Pharao musste sterben, so die Bibel.

Allein 600.000 Männer führte Moses laut Bibel durch die Wüste. Eine utopische Zahl, wie die moderne Wissenschaft festgestellt hat. Die überhöhte Angabe beruht auf falscher Deutung der alten hebräischen Zahlen, vermutlich folgten etwa 6.000 Menschen dem von Jahwe erwählten Anführer. Die Frage, ob „der Exodus“ überhaupt als historisches Großereignis zu werten ist, diskutieren Fachleute nach wie vor kontrovers. Auf dem gesamten, intensiv erforschten Sinai, den die Wanderer auf dem Weg ins Gelobte Land durchqueren mussten, fanden Archäologen weder Grabmäler noch Scherben, die auf die Auswanderer schließen ließen. Aber ägyptische Papyri, Tempelreliefs und Inschriften dokumentieren die regelmäßige Anwesenheit von Ausländern im Nilland.

Aus zahllosen Puzzleteilen gewinnen Wissenschafter ein Bild über den historischen Hintergrund der Moses-Geschichte. Und aus ebenso vielen Bruchstücken aus unterschiedlichen Epochen bauten die Autoren des Alten Testaments ihren Text Jahrhunderte nach dem wahrscheinlichen Geschehen zusammen. Viele Details finden ihre Entsprechung in ägyptischen Quellen, einiges aber bleibt unbewiesen. Im Zentrum des biblischen Berichts jedoch steht die Botschaft von Jahwe, die zur ersten monotheistischen Weltreligion wurde. Den einen großen Exodus aus Ägypten gab es sicher nicht. Doch dass verschiedene Gruppen aus Kanaan zu verschiedenen Zeiten in Ägypten lebten und von dort entweder vertrieben wurden oder flohen, daran lässt die Forschung keinen Zweifel.

Ein Film von Gabriele Wengler und Sandra Papadopoulos