kreuz und quer Tauschen und Teilen

ORF/Langbein & Partner

„Tauschen & Teilen – Der Trend zum Leben ohne Geld“

In Zeiten von Finanzkrise und unbefriedigenden Arbeitsverhältnissen wächst das Interesse nach Alternativen zum kapitalistischen Gesellschaftsmodell. Selbsternte-Projekte, Car-Sharing, Tauschkreise mit eigenen Währungen sind keine reinen Nischen-Phänomene mehr. Manche wagen auch den Totalausstieg – in die Land-Kooperative oder ins Kloster.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 21. Juli 2015
um 22.30 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:

Mittwoch, 22. Juli 2015
um 20.15 Uhr, ORF III
(nur „Der Vatikan und das Geld“)

„kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – beschäftigt sich mit dem Trend zum Leben ohne Geld und zeigt dazu um 22.30 Uhr Bert Ehgartners Film „Tauschen & Teilen“.

Um 23.05 Uhr folgt Andreas Sawalls Dokumentation „Der Vatikan und das Geld“ über das Dilemma zwischen einer ursprünglichen „Kirche der Armen“ und einer „Kirche der Habenden“.

Gedreht wurde an historischen Schauplätzen in Rom und Avignon. Zu Wort kommen führende Experten wie der angesehene Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf von der Universität Münster und investigative Journalisten, die sich mit Korruption und Verbrechen rund um die Vatikanbank sowie den undurchsichtigen Immobiliengeschäften in Rom befasst haben.

„Tauschen & Teilen – Der Trend zum Leben ohne Geld“

Die Kooperative „Longo Maï“ ist eines der wenigen Gesellschafts-Experimente der 68er-Generation, das die Zeiten überdauerte: In der Zentrale von Longo Maï in der französischen Provence leben rund 80 Erwachsene und Kinder. Die Arbeit wird geteilt, Geld ist weitgehend abgeschafft, Entscheidungen werden im Konsens getroffen.

Heinz Schwarz aus Wien gehörte zur Gruppe der Pioniere, die Anfang der 1970er Jahre das Land erwarben und die desolaten Gebäude renovierten. „Wir waren alle aus der Stadt“, erzählt er, „von Landwirtschaft haben wir keine Ahnung gehabt.“ Mittlerweile feierte die Kooperative, die zehn Niederlassungen betreibt, ihr 40-jähriges Bestehen.

Bert Ehgartner porträtiert im Film „Tauschen & Teilen“ eine Gruppe von Österreichern in Longo Maï, aber auch andere Initiativen, die Alternativen zum kapitalistischen Gesellschaftsmodell erproben. Selbsternte-Projekte, Couchsurfing, Tauschkreise mit eigenen Währungen sind keine reinen Nischenphänomene mehr. Gerade in Zeiten von Finanzkrise und zunehmend unbefriedigenden Arbeitsverhältnissen wächst eine Sehnsucht nach anderen Lebensformen. Unter dem Oberbegriff der „Commons-Bewegung“ entsteht eine neue Kultur des gegenseitigen Gebens und Nehmens.

Österreichweit florieren die „Talente-Tauschkreise“. Dabei werden eigene Talente genützt und gegen fremde Talente eingetauscht. Dass „Commoning“ längst mehr als graue Theorie ist, zeigen auch florierende Gemeinschaftsgärten.

Gemeinschaftliches Leben ist bei Ordensleuten seit jeher üblich. „Eigentlich sind wir ja die Erfinder der Commons-Idee“, sagt Franz Helm von den Steyler Missionaren. „Wir sind sehr froh, dass dieser Gedanke nun auch in der normalen Gesellschaft modern wird und immer mehr mit Ideen und konkreten Projekten gefüllt wird.“

Ein Film von Bert Ehgartner

Vatikan und das Geld

ORF/IFAGE/Melanie Weiss

„Der Vatikan und das Geld“

Zu ersten Mal in der fast 2.000-jährigen Geschichte der Kirche hat sich ein Papst einen Namenspatron ausgewählt, der für Armut, kompromisslose Ehrlichkeit und unbedingte Menschlichkeit steht: Franziskus.

Seit seiner Wahl im Jahr 2013 ist eine Frage wieder in den Vordergrund getreten, die beinahe so alt ist wie die Kirche selbst: Darf die Kirche, dürfen der Papst, kirchliche Würdenträger und Organisationen überhaupt Reichtum und Besitz anhäufen? Jesus, seine Jünger und die ersten Christen lehnten Geld und Besitz ab. Laut biblischer Überlieferung verlangte Jesus von denen, die ihm nachfolgen wollten, dass sie buchstäblich alles, was sie besaßen, an die Armen verschenken sollten.

Eine der historischen Schlüsselstellen nimmt dabei Kaiser Konstantin ein, der in der sogenannten Mailänder Vereinbarung (313 nach Christus) die christlichen Gemeinden tolerierte und ihnen erlaubte, Besitz zu haben und zu vererben. Wenige Jahrzehnte später sollte das Christentum zur Staatsreligion werden.

Die Päpste des Mittelalters und der frühen Neuzeit benötigten für ihren Machterhalt viel Geld, das sie u. a. durch ein ausgeklügeltes Steuer- und Abgabensystem sowie den Ablasshandel gewannen. Dagegen wandten sich nicht nur Luther, sondern auch schon Reformer der Kirche wie Franz von Assisi, der Namenspatron des jetzigen Papstes.

2009 veröffentlichte der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi in seinem Buch „Die Vatikan AG“ bis dahin geheime Dokumente über die Machenschaften der Vatikanbank: „Das IOR, die Vatikanbank, war immer eine geheime Bank gewesen, eine Offshore-Bank. Eine Bank, von der man nicht wusste, wer dort arbeitet, die Bilanzen nicht kannte, einfach nichts, null“, so Nuzzi in der „kreuz und quer“-Dokumentation.

Geheime Girokonten, die auf nicht existierende Namen und sogar Wohltätigkeitsorganisationen liefen, seien alle fingiert und vorgetäuscht worden. Nuzzi: „Natürlich standen aber real existierende Personen hinter diesen Decknamen. Die echten Inhaber der Konten waren Politiker, Industrielle und Berater. Dazu gehörten die mächtigsten Männer Italiens.“

Der Historiker Stefan Weiß führt zurück in die Vergangenheit: Er hat sich jahrelang damit beschäftigt, wie die Päpste im Mittelalter und der frühen Neuzeit zu Geld kamen und wie sie es ausgaben. Er berichtet über den Erfindungsreichtum der Päpste von Avignon, wenn es darum ging, die Kassen wieder zu füllen, und über die Motivation der Päpste, ihren Reichtum zu mehren.

Der Kirchenhistoriker Professor Dr. Hubert Wolf (Universität Münster) geht der Frage auf den Grund, was Papst Franziskus meint, wenn er von einer „armen Kirche für die Armen“ spricht.

Es sei bemerkenswert, dass sich ein Papst erstmals Franz von Assisi als Namenspatron gewählt habe: „Das klingt zunächst harmlos. Aber dahinter steckt viel mehr. Es steckt eigentlich eine ungeheure Provokation dahinter.“ Denn damit seien die beiden Grundlinien, die die Kirchengeschichte durchzögen und die immer miteinander gerungen hätten, in dem Mann an der Spitze der Kirche zusammengekommen.

„Die eine Linie ist: Die Kirche ist eine mächtige Institution. Sie braucht Geld, um sich darstellen zu können und das Reich Gottes auf dieser Welt sichtbar zu machen. Auf der anderen Seite Franziskus: Der Arme von Assisi, der Jesus Christus nachfolgt, der keinen Platz hat, wohin er sein Haupt legen kann. Das ist ein ungeheuer spannender Prozess, der sich da abspielt in der Person von Papst Franziskus und in seiner Kirche.“

Ein Film von Andreas Sawall