Lexikon der Religionen:

Ökumene

Interkonfessionelles Streben nach Einheit im Christentum

Der Begriff Ökumene bezeichnete in der Antike den ganzen Bereich des römischen Imperiums, meint aber auch die ganze Welt. Für die christliche Religion ergibt sich aus dieser Sicht das Problem von Einheit und Vielfalt.

Der Konflikt zwischen dem universalen Anspruch des Christentums und seiner vielfachen Aufsplitterung wurde im vorigen Jahrhundert besonders spürbar, als Christen verschiedener Konfessionen auf den Spuren des Kolonialismus in Afrika und Asien „gegeneinander“ missionierten - mehr dazu im Eintrag Mission. Aus der Einsicht, wie sehr sich das Christentum damit fortgesetzt kompromittierte, entwickelte sich unter den protestantischen Kirchen eine „Ökumenische Bewegung“, die in den verschiedenen Traditionen das Bewusstsein der fundamentalen Einheit des Christentums weckte.

Interkonfessioneller Austausch seit mehr als 200 Jahren

Schon um 1800 waren erste interkonfessionelle „Bibelgesellschaften“ entstanden, 1878 und 1888 fanden in London internationale „Missionskonferenzen“ statt, denen die „Weltmissionskonferenzen“ von New York (1900) und Edinburgh (1910) folgten. Von da an formierte sich eine ganze Reihe von Initiativen, die schließlich 1948 zur Bildung des „Ökumenischen Rates der Kirchen“ führte (ÖRK, „Weltkirchenrat“, mit Zentrale in Genf). Bei der Gründungsversammlung in Amsterdam waren 147 Kirchen aus 44 Ländern vertreten. 1961 traten die großen orthodoxen Kirchen Osteuropas und die ersten Pfingstkirchen dem ÖRK bei.

Heute hat der ÖRK über 345 Mitglieder aus 110 Ländern. Als christliches „Minimalerfordernis“ der Mitgliedschaft schreibt die Verfassung die Bibel als Grundlage und den Glauben an Christus und die Trinität - Dreifaltigkeit vor: „Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

Römisch-katholische Kirche kein ÖRK-Mitglied

Der ÖRK versteht sich nicht als „Überkirche“, die Mitgliedschaft bedeutet keine Vereinigung mit anderen Kirchen. Trotzdem gehört die größte christliche Kirche, die römisch-katholische Kirche, dem ÖRK nicht an. Einheit der Christen und Zusammenarbeit zwischen Christen verschiedener Bekenntnisse war für römische Vorstellungen lange Zeit nur als Rückkehr zur Papstkirche denkbar. Erst das 2. Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) anerkannte nicht-römische Christengemeinschaften und widmete dem Ökumenismus ein eigenes Dekret.

Seit 1961 hat die römisch-katholische Kirche auf Initiative Papst Johannes’ XXIII. beim ÖRK Beobachterstatus und arbeitet in Kommissionen und Ausschüssen mit. Unterschiede gibt es in den nationalen Ökumenischen Räten. Im österreichischen ökumenischen Rat ist die römisch-katholische Kirche Vollmitglied.

Heute Trend Richtung Ökumene spürbar

In Westeuropa und Nordamerika ist Ökumene als Zusammenarbeit von Kirchen, von Gemeinden und einzelnen Christen verschiedener Traditionen heute eine Selbstverständlichkeit; in anderen Teilen der Welt, etwa in Osteuropa, haben die neuen Nationalismen eine interkonfessionelle Zusammenarbeit behindert, manche Ansätze dazu sogar wieder zerstört.

Nach einer 2000-jährigen Zersplitterungsgeschichte hat die ökumenische Bewegung ein neues Klima zwischen den christlichen Konfessionen entstehen lassen. Wurde Einheit des Christentums lange Zeit vorwiegend als organisatorischer Zusammenschluss verstanden, der die unterschiedlichen Traditionen auf die jeweils beherrschende reduziert, so denken Christen und Christinnen heute demokratischer und föderalistischer; denn nur wenn die gegenseitige Verketzerung, der zwischenkirchliche Krieg gegeneinander, ein Ende nimmt, wird das Christentum seinen Platz unter den Weltreligionen bewahren können.

Übersichtsartikel zum Christentum

Siehe dazu auch im ORF-Religionslexikon:

ORF-TVthek-Medienarchiv Christentum:

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