Kardinal Müller sieht in Kurienreform „keinen Plan“

Der vor drei Wochen aus dem Amt geschiedene Glaubenspräfekt Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat sich in einem Interview skeptisch über die von Papst Franziskus vorangetriebene Kurienreform geäußert.

Die Kurienreform gegen Korruption und Misswirtschaft soll von Müller behindert worden sein. Für die Reformen zuständig ist der Kardinalsrat („K9“-Rat) unter dem Vorsitz von Koordinator Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga. „Man sieht allenfalls einige Baustellen, aber welcher Plan dahintersteht, erschließt sich mir bisher nicht“, so Müller, dessen Amt als Präfekt der Kongregation für den Glauben nicht verlängert wurde.

Die römische Kurie sei eine kirchliche Wirklichkeit, so der deutsche Kardinal am Wochenende gegenüber der deutschen katholischen „Tagespost“. Sie sei nicht einfach ein Verwaltungsapparat für eine weltliche Institution.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller

Reuters/Alessandro Bianchi

Kardinal Gerhard Ludwig Müller

„Was Reform heißt, kann einerseits eine strukturelle oder organisatorische Anpassung an die moderne Kommunikation sein. Aber kirchlich betrachtet verstehen wir unter Reform eine innere geistige und geistliche Erneuerung in Christus mit dem Willen, seiner Kirche treu zu dienen“, sagte Müller.

Zu Spannungen mit Papst befragt

Zur Frage allfälliger Spannungen mit Papst Franziskus sagte er, die Kardinäle dienten der Weltkirche „mit dem Papst zusammen unter seiner Leitung“. Die Kirche solle nicht mit politischen Organisationen verglichen werden, einem Sozialkonzern oder einer Hilfsorganisation. „Sie ist Zeichen und Werkzeug, Sakrament des Heils der Welt in Christus. Die Kirche dient der Wahrheit und steht nicht unter dem Gesetz politischer und ideologischer Machtkämpfe“, erklärte der Kardinal.

Kardinalsrat und Kurienreform

Papst Franziskus gründete den Kardinalsrat am 13. April 2013, einen Monat nach seiner Wahl zum Papst. Die auch als „K9“ bezeichnete Beraterrunde soll die seit 1988 geltende Kurienordnung „Pastor bonus“ überarbeiten und neu fassen.

Das Gremium unterstützt den Papst auch in anderen wichtigen Fragen der Kirchenleitung. Es gilt inzwischen als die engste Beratungsinstanz von Franziskus.

Der Eindruck, dass die Nichtverlängerung seiner Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation von außen instrumentalisiert wurde, um gegen Papst Franziskus Stimmung zu machen, gebe es verschiedenerseits, räumte er ein. Es gebe aber auch Jubel aus einem „gewissen Teil der Medien, hinter denen bestimmte ideologische Gruppierungen stehen“.

Doch diese schätzten „die Rolle des Präfekten völlig falsch“ ein. Der Präfekt habe dem Papst zu dienen in seinem Dienst an der Einheit der Kirche in der Wahrheit des Evangeliums, „deshalb ist es von vorneherein falsch, die Kirche sozusagen in zwei ideologische Flügel aufzuteilen und die eigene Energie darin zu investieren, dass der eine den anderen überwindet“.

Lob für Nachfolger Ferrer

Müller lobte auch seinen Nachfolger Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer: "Wir haben die Arbeit in der Glaubens- und Disziplinarabteilung in vollkommener Harmonie ausgeführt. Er ist in seinem theologischen Grundverständnis vom Zweiten Vaticanum, von den Kirchenvätern sowie den großen Theologen des Mittelalters und der Neuzeit geprägt. Wir haben auch die Entwürfe zu „Amoris laetitia" gemeinsam kommentiert.“ Es habe hier keinen Dissens in der Auslegung gegeben.

Zwischen Müller und Papst Franziskus hatte es Unstimmigkeiten in zentralen theologischen Fragen gegeben, beispielsweise über den Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen und die Interpretation von Franziskus’ Lehrschreiben „Amoris laetitia“. Umstritten war auch Müllers Rolle bei der Aufklärung von Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche. Kritiker werfen der Glaubenskongregation vor, diese behindert zu haben.

Müller sieht keine Lehramtsänderungen

Der Kardinal kritisierte in der „Tagespost“ jene Stimmen, die Lehramtsänderungen ausmachen wollten. "Es ist eigentlich kaum verständlich, dass jemand einen Zweifel daran haben kann, dass die Aussagen eines Papstes immer im Licht und in Konformität mit der Heiligen Schrift, der apostolischen Tradition und den bisherigen Lehrbestimmungen der Päpste und der Konzilien gelesen werden müssen. Sonst steht einer nicht mehr auf dem Boden des katholischen Glaubens. Man lese dazu nur die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung des Zweiten Vaticanums, „Dei verbum" Kapitel 10.“

Zu seiner Zukunft in Rom sagte Müller, er sei Bischof, das heiße, „Diener des Wortes“ in der Verkündigung des Evangeliums, und als Kardinal habe er „die besondere Verantwortung auch für die Weltkirche im Senat des Papstes“. Allerdings sei Ruhe nicht die erste Bürgerpflicht, „und ein Bischof, dem es nur darauf ankäme, keinen Ärger zu haben und möglichst alle Konflikte zu übertünchen, ist für mich eine abschreckende Vision“, zitierte der Kardinal aus dem Interviewbuch Benedikts XVI.

religion.ORF.at/KAP/dpa

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