Friedensnobelpreis geht an jesidische Aktivistin

Der diesjährige Friedensnobelpreis wird an die irakische Jesidin Nadia Murad und den kongolesischen Arzt Denis Mukwege vergeben. Das teilte das Nobelkomitee am Freitag in Oslo mit.

Damit ehrt das Komitee die Arbeit Mukweges, der in seiner Heimat vergewaltigte Frauen behandelt. Murad setzt sich ebenfalls gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen ein. Sie war von der Terrormiliz IS in ihrer Heimat Irak entführt, sexuell ausgebeutet und gefoltert worden.

Die Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad

Reuters/Lucas Jackson

Mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet: Nadia Murad

Murad hatte im Dezember 2016 gemeinsam mit Lamia Hadschi Baschar den Sacharow-Preis für Menschenrechte des Europaparlaments erhalten. Zuvor war sie schon mit dem Vaclav-Havel-Preis des Europarats ausgezeichnet worden. Beide Preisträger hätten wesentliche Beiträge dazu geleistet, die Aufmerksamkeit der Welt auf derartige Kriegsverbrechen zu lenken, begründete das Nobelkomitee seine Entscheidung.

Dreimonatige IS-Gefangenschaft überlebt

Die 25-jährige Murad, die eine dreimonatige IS-Gefangenschaft überlebte, macht als Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen auf die Qualen der IS-Opfer aufmerksam. Im August 2014 drangen der IS in ihr Dorf im Sindschar-Gebiet ein und nahmen sie mit in die Großstadt Mossul. Murads Mutter und sechs Brüder wurden bei dem Überfall umgebracht. Insgesamt töteten die IS-Terroristen mehr als 40 Mitglieder ihrer Familie.

Nadia Murad selbst wurde in Mossul auf einem Sklavenmarkt an einen Mann verkauft, der sie später an einen anderen weiterverkaufte. Diesem entfloh sie beim Kauf einer Burka. Eine Familie half ihr schließlich, ins kurdische Grenzgebiet zu kommen, wo sie in einem Flüchtlingslager nahe Dohuk Unterschlupf fand. Murad lebt heute in Baden-Württemberg, wo rund 1.000 Jesidinnen aus dem Nordirak Schutz gefunden haben, und macht seit Jahren unermüdlich auf das Schicksal ihrer Leidensgenossinnen aufmerksam.

Klischee „Teufelsanbeter“

Verfolgung und Vertreibung sind für die seit Jahrtausenden bestehende Religionsgruppe nichts Neues. Für den IS sind die Jesiden eine Ansammlung von Teufelsanbetern und Ungläubigen. Diese Vorurteile werden auch von vielen orthodoxen Muslimen geteilt. Jesidinnen und Jesiden glauben an einen Gott wie Christen und Muslime auch. Allerdings verehren sie auch Melek Taus, einen der Überlieferung nach gefallenen Engel.

Jesidische Frauen am Tempel in den Bergen von Lalish rund 50 Kilometer von Dohuk, Irak

APA/AFP/SAFIN HAMED

Jesidische Frauen am Tempel in den Bergen von Lalish rund 50 Kilometer von Dohuk, Irak

Mit dem Teufel hat dieser, nach Angaben irakischer Jesiden, nichts zu tun. Sie folgen damit einem uralten Glauben, der aus Mesopotamien stammt. Er soll vor 3.500 bis 4.000 Jahren entstanden sein und hat seine Wurzeln im Zoroastrismus, einer antiken persischen Religion und Philosophie. Später beeinflusste die Religion auch das Christentum und den Islam. Jesidinnen und Jesiden beten mehrmals am Tag zu ihrem Gott und verehren seine sieben Engel.

Weltweit etwa 500.000 Jesiden

Während die Religion vor tausenden Jahren zu einer der mächtigsten der Welt gehörte, gibt es heute nur mehr rund 500.000 Jesidinnen und Jesiden - die pessimistischste Schätzung spricht von lediglich 100.000. Die meisten Jesiden lebten bis vor kurzem in der irakischen Provinz Nineveh, die 400 Kilometer nordwestlich von Bagdad entfernt ist. Von Saddams Husseins Regime wurden sie brutal verfolgt, tausende Familien flohen aus dem Land.

Der Sturz Husseins durch die von den USA angeführte Invasion 2003 verbesserte die Situation der Jesiden nicht. Sie fanden sich nun im Mittelpunkt mehrerer Konflikte wieder: Einerseits zwischen jenem der irakischen Zentralregierung und islamistischen Gruppierungen, anderseits zwischen dem der Zentralregierung und den autonomen kurdischen Regionen. In August 2007 töteten Extremisten zwischen 400 und 700 Menschen bei Attacken auf jesidische Dörfer in Nineveh.

Seit dem Vormarsch von IS befinden sich die Jesidinnen und Jesiden- neben vielen anderen religiösen Minderheiten- auf der Flucht vor der Terrorgruppe. In Deutschland lebt mit geschätzten 40.000 Menschen die größte Auslandgemeinschaft der Religionsgruppe, während es in Österreich nur sehr wenige Jesiden gibt, rund 1.000.

religion.ORF.at/Reuters/APA/dpa

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