Keine Mehrheit: Kopftuchverbot wird aufgeschoben

Der Initiativantrag von ÖVP und FPÖ zur Einführung eines Kopftuchverbots an Volksschulen ist am Mittwoch im Unterrichtsausschuss des Nationalrats vertagt worden. Es gibt vorerst keine Mehrheit für den Antrag.

Die Regelung sollte als Verfassungsbestimmung beschlossen werden, dafür gab es allerdings nicht die dafür nötige Zustimmung von SPÖ oder NEOS. Nach Ansicht der beiden Parteien brauche es nicht bloß eine Einzelmaßnahme, sondern vielmehr eine umfassende Diskussion über das Thema Integration.

Mit der Gesetzesinitiative soll generell „das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“, untersagt werden. Begründet wird dies mit „der sozialen Integration von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele der Bundesverfassung sowie der Gleichstellung von Mann und Frau“.

Breite Kritik an Kopftuchverbot

Vor der neuerlichen Behandlung des Kopftuchverbots im Ausschuss soll ein Expertenhearing abgehalten werden. Das Vorhaben der Regierung, Kindern bis zum Alter von zehn Jahren, das Kopftuchtragen gesetzlich zu verbieten, hatte viele Kritikerinnen und Kritiker auf den Plan gerufen.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) sieht ein solches Gesetz als Eingriff in innere Angelegenheiten einer Religionsgesellschaft und möchte statt Zwangsmaßnahmen auf Aufklärung setzen. Die Schulamtsleiterin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati, sagte am Dienstag im Gespräch mit religion.ORF.at, Muslime hätten eine „bewährte Praxis“ im Umgang mit Kindern, die plötzlich mit Kopftuch in der Schule auftauchen - mehr dazu in IGGÖ zu Kopftuch in Schulen: „Haben bewährte Praxis“.

Bischöfe gegen Verbot

Auch die Österreichische Bischofskonferenz hatte das geplante Kopftuchverbot kritisiert und als einen „Eingriff in die Grund- und Menschenrechte“ bezeichnet. Konkret sehen sie die Religionsfreiheit gemäß Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK) der betroffenen Kinder und ihrer Eltern sowie in das Erziehungsrecht der Eltern (Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK) tangiert.

Eingriffe in diese Grundrechte seien nur legitim, wenn sie „im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer sind“, führt die Bischofskonferenz aus. Die in den Erläuterungen zum Initiativantrag dafür angeführten Argumente könnten jedoch insgesamt „nicht überzeugen“.

Pädagogen: Debatte „kontraproduktiv“

Auch mehrere Religionspädagoginnen und -pädagogen äußerten sich ablehnend zum Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Regierung. Die Religionspädagoginnen Martina Kraml (Universität Innsbruck) und Andrea Lehner-Hartmann (Universität Wien) sowie Religionspädagoge Wolfgang Weirer (Universität Graz) appellierten im Dezember sogar in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) von Zwangsmaßnahmen abzusehen. Die Debatte über ein Kopftuchverbot in Volksschulen bezeichneten sie als „kontraproduktiv“.

Gerade bei jüngeren Kindern sollte kein „Zwang bezüglich einer speziell religiös konnotierten Kleidung ausgeübt werden“, so die Professoren für katholische Religionspädagogik. Kinder sollten zwar vor „fundamentalistischer Vereinnahmung geschützt werden“, die aktuellen „islam- und in der Folge religionsfeindlichen Debatten verfehlen aber dieses Ziel“. Die Diskussion würde eher eine Radikalisierung vorantreiben und „religiöse Menschen in Opposition zur Gesamtgesellschaft setzen“.

akin, religion.ORF.at/APA/KAP

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