Deutschland: Ethikrat einstimmig für Beschneidung

Der Deutsche Ethikrat hat sich einstimmig für die Zulassung von Beschneidungen unter Vorbehalten ausgesprochen.

Das teilte dessen Vorsitzende Christiane Woopen der „Berliner Zeitung“ mit. Bedingung seien eine „qualifizierte Schmerzbehandlung, eine fachgerechte Durchführung und ein entwicklungsabhängiges Vetorecht des Betroffenen“.

Der Deutsche Ethikrat bei seiner öffentlichen Sitzung zum Thema Beschneidung minderjaehriger Buben aus religiösen Gründen.

Maja Hitij / dapd

Der Deutsche Ethikrat bei seiner öffentlichen Sitzung zum Thema Beschneidung von minderjährigen Burschen.

Letzteres sei „natürlich alters- und einsichtsfähigkeitsabhängig“ und betreffe vor allem die Muslime. Bei Juden werden Beschneidungen in der Regel am achten Tag nach der Geburt vorgenommen.

Fachliche Standards entwickeln

Der Ethikrat finde es Woopen zufolge wichtig, „dass fachliche Standards entwickelt und evaluiert werden unter Mitwirkung der Betroffenen und der beteiligten Gruppen“. Die Vorsitzende sagte: „Das ist eine einmütige Empfehlung des Ethikrates.“ Sie sei im Übrigen mit dem Ergebnis sehr zufrieden, weil es eine „sehr große Breite in der Diskussion“ gegeben habe, bestimmte Aspekte hätten vertieft und Meinungsverschiedenheiten aufgezeigt werden können. In dieser Situation lasse sich zu einer „guten gemeinsamen Lösung“ kommen.

Beschneidung als Körperverletzung?

Anlass für die Beratungen des Ethikrats am Donnerstag war ein Urteil des Landgerichts Köln. Dieses hatte im Juni die Beschneidung eines vierjährigen Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet und damit einen Sturm des Protests in muslimischen und jüdischen Gemeinden ausgelöst. Um die Verunsicherung zu beenden, forderte der Bundestag die Regierung im Juli auf, bis Herbst einen Vorschlag für die gesetzliche Regelung vorzulegen.

Weitere Diskussionen

Der Hamburger Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel wertete die Beschneidung als „rechtswidrig“. Angesichts möglicher schwerer psychischer wie körperlichen Folgen lasse sich die Beschneidung weder durch das Grundrecht auf Religionsfreiheit noch durch das elterliche Sorgerecht begründen. Der Gesetzgeber müsse in diesem „Notstand“ aber dennoch rechtspolitisch handeln, räumte Merkel ein, nämlich aufgrund der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber den Juden. Merkel begründete damit seine „religiöse Sonderrechtsthese“.

„Gleichstellung“ statt „Sonderbehandlung“

Diese wiederum verbat sich Latasch als Vertreter der Juden und verlangte eine rechtliche Gleichbehandlung aller. Ebenso wie der Vertreter der Muslime, Ilhan Ilkilic, verdeutlichte Latasch, dass die Beschneidung existenziell für die Religionszugehörigkeit sei: eine Besiegelung des Bundes zwischen Mensch und Gott. Es gebe kein „Judentum light“. Mehrere Ratsmitglieder hielten Merkel zudem vor, dass er das Kind auf seine Leiblichkeit verkürze. Zum Menschen gehöre wesentlich seine geistig-seelische Dimension, so etwa Edzard Schmidt-Jortzig.

Weihbischof Anton Losinger mahnte, dass jede Lösung zu kurz greife, die den religiös-kulturellen Aspekt bei der Frage des Kindeswohls außer acht lasse. In der Beschneidungsfrage gehe es eben auch um die Stellung der Religion in der säkularen Gesellschaft.

In einem Kommentar für die „Jüdische Allgemeine“ (Donnerstag), schreibt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, ihn erzürne in der Debatte, dass Kritiker immer wieder unterstellten, dass „wir unsere Kinder quälen oder misshandeln“. Graumann: „Wir haben seit 4.000 Jahren Beschneidungen vorgenommen und werden das auch die nächsten 4.000 Jahre tun. Und dann noch lange, lange weiter.“

(DPA / AFP /KAP)

Link:

Dokumente der Plenarsitzung des Ethikrates (www.ethikrat.org/sitzungen/2012/plenarsitzung-am-23.-august-2012/)

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