Insider: Papst entscheidet über früheres Konklave

Der Chefredakteur der Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano“ hält eine Vorverlegung des Konklaves für denkbar, meint aber gleichzeitig, dass die Entscheidung der Papst treffen müsse.

Eine vorgezogene Papstwahl ist nach Meinung des Direktors der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ denkbar. „Es gibt keine strikten Normen, die Normen sind flexibel“, sagte Chefredakteur Giovanni Maria Vian am Montag im italienischen Sender Radio24. Die Entscheidung darüber liege beim Papst und seinen Mitarbeitern. Benedikt XVI. behalte die Leitungsgewalt „bis zum Ende des Monats, bis 20 Uhr am 28. Februar“, betonte Vian, der auch Professor für Kirchengeschichte ist.

Bereits Samstag hatte Vatikansprecher Federico Lombardi von einem möglichen früheren Konklave gesprochen - mehr dazu in: Vatikan prüft früheren Termin für Papst-Wahl. Die offizielle Regelung sehe einen Beginn zwischen dem 15. und 20. Tag nach Beginn der Sedisvakanz vor, um allen Kardinälen die Anreise zu ermöglichen. „Aber wenn diese bereits alle eingetroffen sind, besteht auch die Möglichkeit, es vorzuziehen“, sagte Lombardi.

Dazu müsse überprüft werden, ob die geltenden Vorschriften eine entsprechende Interpretation zuließen. Solche Überlegungen habe die Apostolische Kammer zu führen, die in der Sedisvakanz die laufenden Amtsgeschäft der Kirche und die Vorbereitung des Konklaves koordiniert, erläuterte Lombardi.

Kardinäle versammeln sich zum Konklave in der Sixtinischen Kapelle

APA/EPA/Osservatore Romano

Theologen und Kirchenrechtler prüfen derzeit, ob die Kardinäle sich schon früher als am 15. Tag der Sedivakanz zum Konklave zusammenfinden können

Wahlordnung von Johannes Paul II.

Von Kirchenjuristen und Kardinälen intensiv studiert wird die noch vom Vorgänger verkündete und von Benedikt XVI. bestätigte Wahlordnung mit dem Titel „Universi dominici gregis“, heißt es in Rom. Paragraf 37 lautet: „Ferner bestimme ich, dass die anwesenden wahlberechtigten Kardinäle nach Eintritt der rechtmäßigen Vakanz des Apostolischen Stuhles 15 volle Tage auf die abwesenden warten müssen.“

Befürworter einer Vorverlegung argumentierten, diese Bestimmung sei überholt, wenn bereits alle reisefähigen Kardinäle in Rom anwesend sind. Der nächste Satz aus der Wahlordnung eröffne die Möglichkeit einer situationsbedingten Neuinterpretation. Da heißt es nämlich: „Allerdings überlasse ich es dem Kardinalskollegium, den Beginn der Wahl, wenn schwerwiegende Gründe vorhanden sind, noch um einige Tage hinauszuschieben. Doch nach Ablauf von höchstens 20 Tagen nach Beginn der Sedisvakanz sind alle anwesenden wahlberechtigten Kardinäle gehalten, sich zur Wahl zu begeben.“

Wenn also die Wahlordnung den Kardinälen die Möglichkeit gebe, den Beginn um einige Tage nach hinten zu verschieben, dann müsste es ihnen im Analogieschluss auch erlaubt sein, ihn um einige Tage vorzuverlegen - etwa, weil bereits alle Kardinäle angereist sind, heißt es.

Bezug auf Papst-Tod als Schlupfloch?

Kritiker einer Vorverlegung des Termins halten dagegen, dass der Papst als Gesetzgeber, hätte er die Vorverlegung erlauben wollen, diese wohl auch erwähnt hätte. In Paragraf 49 heißt es nämlich: „Nachdem ... alles vorbereitet worden ist, was zum geordneten Ablauf der Wahl notwendig ist, versammeln sich am festgesetzten Tag - also am 15. Tag nach dem Tode des Papstes, oder ... nicht später als am 20. Tag - die wahlberechtigten Kardinäle in der Petersbasilika im Vatikan.“ Zwar gehe der Text an dieser Stelle vom Todesfall aus; doch ergebe sich aus dem Kontext kein Grund zu der Annahme, dass für den Rücktrittsfall andere Fristen gelten sollten.

Somit ergebe sich, dass ein kirchenrechtlich abgesicherter Weg zur Vorverlegung der Wahl nur durch eine Entscheidung des noch amtierenden Papstes freigemacht werden könne, so „Osservatore“-Chef Vian. Mit einem päpstlichen Erlass könnte er noch vor dem 28. Februar die Paragrafen 37 und 49 ändern und festlegen, dass es der Kardinalsversammlung freisteht, den Beginn der Wahl um einige Tage vorzuverlegen. Bliebe eine solche Gesetzesänderung durch den Papst aus, stünde ein durch bloßes Kardinalsvotum vorverlegtes Konklave zumindest prinzipiell unter dem Vorbehalt der Anfechtbarkeit.

Kardinal Timothy Dolan

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US-Kardinal Dolan ist gegen eine Vorverlegung des Konklaves. Er selbst sieht sich nicht als Anwärter auf die Nachfolge von Benedikt XVI.

US-Kardinal Dolan gegen Vorverlegung

Einer der wahlberechtigten Kardinäle hat sich indes am Montag klar gegen eine Vorverlegung ausgesprochen: Der US-Amerikaner Timothy Dolan, der selbst von einigen Experten zum erweiterten Favoritenkreis auf die Papst-Nachfolge gezählt wird. „Man muss Geduld haben, weil man viele heikle Fragen in Angriff nehmen muss“, sagte der Kardinal im Interview mit der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ am Montag. „Ich denke, dass wir nicht das Konklave beschleunigen sollten. Wichtig ist, anwesend zu sein, Benedikt unsere Liebe auszudrücken, zusammen zu beten und dann die Beschlüsse zu fassen.“

Auf die Behauptung des Journalisten, er zähle zu den Favoriten im Rennen um Benedikts Nachfolge, antwortete der 63-Jährige: „Wer das behauptet, hat Marihuana geraucht“. Auf den Einwand, laut dem katholischen US-Philosophen Michael Nowak wäre es an der Zeit, auch einen Englisch sprechenden Kandidaten zu erwägen, antwortete Dolan: „Wir hatten ihn schon: Sowohl Johannes Paul II. als auch Benedikt XVI. sprachen sehr gut Englisch“, sagte Dolan.

APA/KAP

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