„Die Zeichen der Zeit erkennen“

Am 3. Juni jährt sich das Ableben des „Konzil-Papstes“ Johannes XXIII. zum 50. Mal. Hubert Gaisbauer, der 2011 eine Biografie über den Roncalli-Papst veröffentlicht hat, über die „Faszination Johannes XXIII.“.

Die Faszination, die von diesem Menschen und Papst noch immer ausgeht, liegt in der überraschenden Verbindung tief empfundener Frömmigkeit in gelebter kirchlicher Tradition mit dem untrüglichen Gespür für die Herausforderungen einer neuen Zeit und dem Mut, notwendige Reformen in Angriff zu nehmen. Seine größte Leistung bleibt die Einberufung des II. Vatikanischen Konzils.

Selbst kurz vor seinem Tod sprach er noch einmal von der Notwendigkeit, „die Zeichen der Zeit zu erkennen und in die Zukunft zu blicken.“ Sein Grundsatz war: „Wer Glauben hat, überstürzt nicht die Ereignisse. Er ist nicht pessimistisch, er verliert nicht seine Nerven.“

Papst Johannes XXIII.

APA/EPA PHOTO/ANSA/FILES

Johannes XXIII.

„Ich bin bereit, zu gehen“

Als man ihm die endgültige Diagnose seines Krebsleidens mitteilte, versuchte der Papst, den Arzt zu trösten: „Aber seien Sie nicht traurig“, sagte er, „meine Koffer sind gepackt. Ich bin bereit zu gehen.“ In diesen Koffern war auch, wofür ihn die ganze Welt liebte: Güte, Einfachheit und jener Humor, der ihn sagen ließ: „Johannes, nimm dich nicht so wichtig!“

Es wird keinen zweiten Papst in der Kirchengeschichte geben, von dem so viele liebenswürdige Anekdoten existieren. Jene Geschichten, die vielleicht nicht ganz wahr sind, sind zumindest treffend erfunden.

Auf die Frage, was denn nun – abgesehen vom Mut, ein Konzil einzuberufen – das Vermächtnis dieses Papstes sei, der vor fünfzig Jahren gestorben ist, sagte Erzbischof Loris Francesco Capovilla, sein ehemaliger Sekretär, der heute 98-jährig in Sotto il Monte, dem Geburtsort von Angelo Giuseppe Roncalli, lebt und dort sein Andenken pflegt und bewahrt:

Hubert Gaisbauer

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Hubert Gaisbauer ist ehemaliger Leiter der ORF Hauptabteilung Religion Hörfunk und Autor des Buches „Ruhig und froh lebe ich weiter – Älterwerden mit Johannes XXIII.“, erschienen im Wiener Dom-Verlag 2011

„Es ist der Respekt dem einzelnen Menschen gegenüber. Es ist sein Vertrauen. Es ist seine Überzeugung, daß der Same des Evangeliums nicht unfruchtbar bleibt, wenn er nur sanft in die Herzen gelegt wird. Es ist der Hinweis, daß die Methode Jesu neu entdeckt werden muss: zuerst tun, dann lehren!“

„Pacem in terris“

Wenige Wochen vor seinem Tod veröffentlichte Johannes XXIII. noch sein bedeutendstes Rundschreiben, die Enzyklika „Pacem in terris“ – Frieden auf Erden -, adressiert an „alle Menschen guten Willens“. Es ist dies einer der wichtigsten Friedenstexte des 20. Jahrhunderts, der aber heute – gerade angesichts der Krisen unserer Zeit – nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt hat.

Johannes XXIII. sieht darin die Respektierung der Würde des Menschen als Voraussetzung des Friedens, verwirklicht in Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität und Wahrheit.

Hubert Gaisbauer

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