„Kalif“ zeigt sich öffentlich - Priester entführt

Nach dem angeblich ersten öffentlichen Auftritt ihres „Kalifen“ geht die sunnitische Terrorgruppe ISIS mit rücksichtsloser Gewalt weiter gegen Andersgläubige vor. Es wird berichtet, dass Priester entführt wurden.

ISIS-Kämpfer (Islamischer Stadt im Irak und in Syrien) entführten am Sonntag zwei Priester und eine Nonne aus einer Kirche östlich von Mossul, wie Augenzeugen berichteten. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Iraq Press richtete sich der Angriff auf eine syrisch-orthodoxe Kirche. Iraq Press spricht jedoch von nur einem entführten Geistlichen und einer Nonne.

Zuvor hatten die Extremisten Moscheen und Grabmäler von Schiiten und als Abtrünnige angesehene Sunniten dem Erdboden gleichgemacht. Bilder im Internet zeigten, wie ISIS-Kämpfer in Mossul und in der Umgebung der Stadt mindestens zehn Moscheen und Grabmäler von Schiiten und als Abtrünnigen eingeschätzten Sunniten in die Luft sprengen oder mit Baumaschinen zerstörten. ISIS -Kämpfer hätten die religiösen Stätten als „heidnische Tempel“ bezeichnet, berichtete das irakische Nachrichtenportal „Al-Mada“. ISIS hatte Mossul, die zweitgrößte Stadt des Iraks, Mitte Juni eingenommen.

Abu Bakr al-Bagdadi in der Großen Moschee in Mossul

REUTERS/Reuters TV

Angeblich sieht man auf einem am Samstag verbreiteten Video Abu Bakr al-Baghdadi, den Anführer von ISIS

Der „unsichtbare Scheich“ wird sichtbar?

ISIS verbreitete am Samstag im Internet auch ein 21 Minuten langes Video ihres Anführers Abu Bakr al-Baghdadi, das in der Großen Moschee in Mossul aufgenommen wurde. Darin hält der selbsternannte Kalif aller Muslime die Freitagspredigt und ruft die Gläubigen zum Dschihad auf. Das Video zeigt angeblich Al-Bagdadi schwarz gekleidet und mit einem langen Bart.

Bisher hatte sich al-Baghdadi vor der Öffentlichkeit verborgen. Von ihm gibt es nur sehr wenige Fotos, weshalb er auch der „unsichtbare Scheich“ genannt wurde. Irakische Medien hatten am Freitag berichtet, der ISIS-Chef sei wahrscheinlich bei einem Luftangriff verletzt worden. Auf dem Video sind jedoch keine Verletzungen zu erkennen. Aufnahmezeitpunkt und tatsächliche Identität, des auf dem Video abgebildeten Mannes, sind jeodoch auch noch nicht durch unabhängige Quellen bestätigt.

Die Terrorgruppe hatte vor einer Woche im Irak und in Syrien ein Kalifat mit al-Bagdadi als Kalifen ausgerufen. ISIS beherrscht weite Teile im Norden und Westen des Iraks und auch große Regionen im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien. Das erklärte Ziel der Gruppe ist der Marsch auf Bagdad.

Prediger: Kalifat verstößt gegen islamisches Recht

Nach einem langen „Heiligen Krieg“ seien die Muslime erfolgreich gewesen und hätten ein Kalifat errichtet, sagte al-Baghdadi in dem Video. Er habe die Führung übernommen. „Wenn ihr meint, dass ich im Recht bin, dann helft mir“, sagte al-Baghdadi. „Wenn ihr meint, dass ich gegen das islamische Recht verstoße, dann beratet mich.“

Der einflussreiche Prediger Jussef al-Karadawi hatte am Samstag erklärt, das Kalifat verstoße gegen das islamische Recht. Die Einführung eines grenzüberschreitenden Gottesstaats sei zwar wünschenswert, das Vorgehen der Extremisten sei aber nicht vereinbar mit der Scharia, erklärte der in Katar ansässige al-Karadawi. Einem Kalifat müsse die Gesamtheit der Muslime zustimmen. Der Titel könne nicht von einer einzigen Gruppierung beansprucht werden.

Militärisch stoßen die IS-Kämpfer dagegen kaum auf Widerstand. Die Gegenoffensive der irakischen Armee zur Rückeroberung von Tikrit stagniert. In Bagdad beharrt der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki nach seinem Wahlsieg darauf, im Amt zu bleiben. Die Bildung einer Einheitsregierung, die die Vertreter der sunnitischen Minderheit Iraks einschließt, lehnt er ab. Am Dienstag soll das Parlament zusammentreten, um einen Vorsitzenden sowie den neuen Präsidenten des Iraks zu wählen. Dieser muss dann den künftigen Ministerpräsidenten nominieren.

Stammesführer hingerichtet

In dem mehrheitlich von Kurden bewohnten Ort Zur Maghar richteten ISIS-Kämpfer zehn Stammesführer und andere Autoritäten hin. Die Opfer seien erschossen oder aufhängt worden, meldete die kurdische Nachrichtenagentur Bas News. Drei Tote seien an einer Kreuzung an Pfählen hängengelassen worden, um die Bevölkerung einzuschüchtern.

Die irakische Armee konnte einen weiteren Vormarsch von ISIS-Milizen Richtung Bagdad vorerst aufhalten. Regierungssoldaten wehrten einen Angriff der Miliz auf den Luftwaffenstützpunkt Camp Speicher nördlich der Stadt Tikrit ab, wie das irakische Nachrichtenportal „Al-Sumeria News“ am Sonntag berichtete. Bereits am Samstag hieß es aus irakischen Sicherheitskreisen, das Militär habe einen Angriff auf die strategisch wichtige Ölraffinerie in Baidshi zurückgeschlagen.

religion.ORF.at/APA

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