Dschihadist: Kalifat führt zu islamischen Flügelkämpfen

Abu Mohammed al-Makdisi, ein dschihadistischer Vordenker und eine der einflussreichsten Stimmen im islamistischen Diskurs, hat vor „blutigen Flügelkämpfen“ wegen der Ausrufung eines Kalifats durch die Terrorgruppe IS gewarnt.

Das berichtete Suleiman al-Khalidi auf der Nachrichtenwebsite Faith World der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. Der jordanischstämmige Makdisi warnte vergangene Woche auf seiner Website davor, dass die Ausrufung eines Kalifats im Irak und in Syrien durch die Gruppe Islamischer Staat (IS, vormals ISIS) ohnehin bereits bestehende „blutige Flügelkämpfe“ zwischen einzelnen dschihadistischen Gruppen zur Folge haben werde.

ISIS, die sich mittlerweile in Islamischer Staat (IS) umbenannte, hatte ihren Anführer Abu Bakr al-Baghdadi zum „Kalifen“ ausgerufen - ein Herrschaftstitel aus der Zeit nach dem Tod des Propheten Mohammed im siebenten Jahrhundert - mehr dazu in ISIS: Die Islamisten und das Kalifat.

„Schwert gegen Muslime erheben?“

„Wird dieses Kalifat ein Heiligtum für alle Unterdrückten und ein Zufluchtsort für jeden Muslim?“, fragte Makdisi in einem Posting auf seiner Website. „Oder wird diese Schöpfung das Schwert gegen Muslime erheben, die sich dagegen stellen, und damit alle Emirate hinwegfegen, die vorher kamen ... und alle Gruppen zunichtemachen, die für die Sache Allahs Dschihad auf den verschiedenen Schlachtfeldern vor ihnen führen?“, so Makdisi weiter.

ISIS-Kämpfer in Mossul, Irak

Reuters/Stringer

IS-Kämpfer in Mossul im Irak

Auf eine Stellungnahme des dschihadistischen Theoretikers hatten viele in der islamistischen Szene bereits gewartet. Der Autodidakt Makdisi war der spirituelle Berater des ursprünglichen Chefs des Terrornetzwerks Al-Kaida im Irak, Abu Mussab al-Sarkawi. Seine Schriften haben immer noch zahlreiche Anhänger in der islamischen Welt. Makdisi wurde vom Thinktank der US-Militärakademie West Point als der „einflussreichste lebende islamistische Mentor“ tituliert.

Aus jordanischer Haft entlassen

Der Zeitpunkt seiner Aussagen einen Monat, nachdem er nach fünf Jahren aus jordanischer Haft entlassen wurde, werfe die Frage auf, ob dahinter jordanische Beamte steckten, so Reuters-Reporter Al-Khalidi. Die Regierung des Landes fürchtet eine „Ansteckung“ durch die Ausrufung eines islamischen Kalifats in Teilen des Irak und Syriens. Experten zufolge könnte Jordanien das nächste Ziel der Dschihadisten werden. Möglicherweise hatte man Makdisi deshalb dazu aufgefordert, sich gegen IS und das IS-Kalifat auszusprechen.

In seinem Posting vergleicht Makdisi das selbst ernannte Kalifat, in dem das Töten von Muslimen auf der Tagesordnung stehe, mit seinen Worten zufolge „guten“ islamischen Emiraten, wie sie von den Dschihadisten in Tschetschenien und Mullah Omar, dem spirituellen Führer der afghanischen Taliban, errichtet worden seien. „Als die Brüder im Kaukasus ihr gesegnetes Emirat ausriefen, verpflichteten sie die muslimischen Massen zu nichts ... sie vergossen auch kein unantastbares Blut in dessen Namen ...“, so der islamistische Theoretiker weiter.

ISIS-Parade in Rakka in Nordsyrien zur Feier der Deklaration des Kalifats

Reuters/Stringer

IS-Parade in Rakka in Nordsyrien zur Feier der Ausrufung des Kalifats

ISIS hatte dschihadistische Gruppierungen weltweit dazu gedrängt, sich ihr zur Gefolgschaft zu verpflichten. Damit begibt sie sich in direkte Konkurrenz zu dem Terrornetzwerk Al-Kaida und regionalen Gruppen um die Hegemonie in der Region - und das, obwohl IS zunächst eine Untergruppe von Al-Kaida war. Der Vormarsch von IS in Syrien führte zum Aufflammen von Kampfhandlungen zwischen rivalisierenden dschihadistischen Gruppen, darunter die Al-Kaida nahestehende Al-Nusra-Front, in denen schon Tausende Menschen umkamen.

Abweichung vom „wahren Islam“

Makdisi sagte weiter, die Handlungen der IS-Extremisten würden vom „wahren Islam“ abweichen. „Meine Augen sind nicht erfreut über das Vergießen von Muslimblut seitens irgendeiner Partei im Kreise des Islam, sogar wenn sie (die Ziele, Anm.) Angreifer sind“, so seine Botschaft. „Wir warnen davor, die Religion Allahs zu verstümmeln und sie zu verderben und mit dem Blut der Muslime und der Mudschahedin (jene, die Dschihad führen, Anm.) zu besudeln“, so der islamistische Theoretiker.

Gemäßigte islamische Gelehrte aus aller Welt hatten bereits davor das von der dschihadistischen IS ausgerufene Kalifat abgelehnt. Die über Teile des Irak und Syriens herrschenden Terroristen werden von vielen als unislamisch bezeichnet - mehr dazu in Islamische Gelehrte lehnen ISIS-Kalifat ab.

religion.ORF.at

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