Kardinal: Papst wäre „am liebsten selbst“ in Irak gereist

Papst Franziskus wäre nach Einschätzung seines Sondergesandten für den Irak „am liebsten“ selbst in das Land gereist. Das sagte Kurienkardinal Fernando Filoni nach einer Besprechung mit dem Papst am Sonntagabend dem vatikanischen Fernsehen.

Die Fürsorge von Franziskus sei in dem Gespräch „sehr stark zu spüren“ gewesen, zitierte der Radio Vatikan am Montag aus dem Fernsehinterview. „Am liebsten wäre Papst Franziskus, denke ich, selbst gefahren, um vor Ort inmitten der armen Menschen zu sein“.

Franziskus hatte Filoni, der Präfekt der vatikanischen Missionskongregation ist, am Sonntagabend persönliche Anweisungen für dessen Reise in den Irak gegeben. Zudem übergab er Filoni eine Spende für die Flüchtlinge im Irak. Der italienische Kurienkardinal war von Franziskus am Freitag zum persönlichen Sondergesandten für den Irak ernannt worden. Am Sonntag kündigte er an, dass dieser tags darauf in den Irak aufbrechen werde. Dem Vernehmen nach könnte sich die Abreise allerdings auf die kommenden Tage verschieben.

Filoni wird zunächst nach Bagdad reisen, um dort Gespräche mit der irakischen Regierung zu führen. Anschließend ist ein Besuch der Autonomen Region Kurdistan vorgesehen, wo die meisten vor der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) geflohenen Christen Schutz gefunden haben. Dort will er mit Flüchtlingen sprechen und mit den örtlichen Bischöfen über Hilfsmaßnahmen sowie die Zukunft der Christen im Irak beraten.

Krisengipfel im Vatikan

Im Vatikan werden indes die diplomatischen Initiativen im Blick auf den Krisenherd vertieft: Laut Vatikansprecher Federico Lombardi plant der Papst in den kommenden Tagen einen Krisengipfel mit den vatikanischen Botschaftern in der Region. „Es geht darum, die Lage zu untersuchen, sich über mögliche Initiativen auszutauschen, Ideen zu sammeln und auch auf diese Weise die Nähe des Papstes und der Weltkirche zu diesem Krisengebiet zu bekunden“, so Lombardi gegenüber Radio Vatikan.

Zuvor hatte der Vatikan bereits mit einem Schreiben an Regierungen von mehr als 170 Staaten, die über die jeweiligen Nuntiaturen versendet wurden, zur Hilfe für die verfolgten Christen in Mossul aufgerufen.

Papst für politische Lösung

Beim traditionellen Angelus-Gebet am Sonntag hatte der Papst dezidiert eine politische Lösung gefordert. Er vertraue darauf, dass eine „wirksame politische Lösung auf internationaler und lokaler Ebene diese Verbrechen beenden und das Recht wieder herstellen kann“, sagte er. Zugleich dankte er all jenen, die „diesen Schwestern und Brüdern mutig Hilfe leisten“. Auf das militärische Eingreifen der USA im Irak ging Franziskus nicht ausdrücklich ein.

Die Vertreibung der Christen und anderer Minderheiten verurteilte der Papst als „schwerwiegende Beleidigung Gottes und der Menschheit“. Er fuhr fort: „Im Namen Gottes verbreitet man keinen Hass. Man führt keinen Krieg im Namen Gottes!“ Bereits am Samstag hatte er in einer via Twitter verbreiteten Botschaft die internationale Gemeinschaft zum Schutz der verfolgten religiösen Minderheiten im Irak aufgefordert.

Papst Franziskus im Gespräch mit Kardinal Fernando Filoni

APA/EPA/Osservatore Romano/Handout

Papst Franziskus mit seinem Sondergesandten, Kardinal Fernando Filoni

Patriarch spricht von „Völkermord“

Filoni äußerte gegenüber Radio Vatikan vor seiner Abreise auch sein Verständnis für die drastische Wortwahl des chaldäischen Patriarchen Louis Raphael Sako. Dieser hatte die Verfolgung und Vertreibung der Christen in der Ninive-Ebene durch die IS-Terroristen als „Völkermord“ bezeichnet. Filoni dazu: „Die christliche Bevölkerung jenes Gebiets wird leider nicht zum ersten Mal in die Emigration gezwungen und zu unsäglichem Leid verurteilt. Es ist eine Bevölkerung, die in sich noch viel Leiden trägt, und so verstehe ich den Ausdruck des Patriarchen gut.“

Sako hatte sich gemeinsam mit Vertretern anderer orientalischer Kirchen mit einem dramatischen Appell an die Vereinten Nationen gewendet. In dem Schreiben wird die Vorgangsweise der IS u.a. mit den Verbrechen der deutschen Nationalsozialisten verglichen. Wörtlich heißt es: „Die Praktiken der IS entsprechen genau dem, was die Nazis taten: Massive Mordtaten, Plünderungen, Raub und Verletzung der grundlegenden Menschenrechte“.

In einem weiteren Brief, der am Sonntag veröffentlicht wurde, zeigt sich Sako enttäuscht vom Umfang der US-Intervention im Irak. Die Haltung von US-Präsident Barack Obama, lediglich militärische Hilfe zum Schutz der Kurden-Hauptstadt Erbil zu leisten, sei enttäuschend, schrieb der Patriarch. Damit gebe es wenig Hoffnung, dass die Jihadisten besiegt werden und die Vertriebenen zurückkehren könnten.

300.000 Christen auf der Flucht

Derzeit befinden sich im Irak rund 300.000 Christen auf der Flucht vor IS. Diese Zahl nannte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Matthias Kopp, am Sonntag dem Westdeutschen Rundfunk gegenüber. Die Zahl der Christen, die im Irak eine jahrtausendalte Tradition haben, hätten sich laut Kopp zwischen 2000 und 2010 von 6,6 auf 3,3 Prozent der Bevölkerung halbiert.

Schutz suchten die Menschen gegenwärtig in Flüchtlingslagern an der irakisch-jordanischen Grenze, weiter gebe es Fluchtbewegungen in Richtung Türkei, „solange die Türkei die Grenzen offen lässt“. Der einstmals wichtige Flüchtlingskorridor nach Syrien existiere nicht mehr, weil auch dort IS patrouilliere. Demzufolge habe Jordanien „eine unglaubliche Masse von Menschen aufzunehmen“.

religion.ORF.at/APA/KAP

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