IKG gibt Wahlempfehlung für Van der Bellen ab

Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG), hat am Dienstag via Facebook eine vom IKG-Präsidenten, Oskar Deutsch, unterschriebene Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen abgegeben.

"Gestern Abend wurde auf Puls4 behauptet, dass die IKG Alexander Van der Bellen wegen dessen Haltung zum Antisemitismus nicht unterstützt. Nun, die IKG hat noch nie eine Wahlempfehlung abgegeben – bis zu der historischen Wahl, die wir am Sonntag sGw („so Gott will", Anm.) erleben werden“, so Deutsch auf seiner Facebook-Seite.

„Und hierfür hat der 24-köpfige Kultusvorstand, das höchste demokratisch legitimierte Gremium der IKG, in dem sämtliche Strömungen des Wiener Judentums vertreten sind, am 7.9.2016 beschlossen: Erstmals in der Geschichte der IKG wird eine Wahlempfehlung abgegeben, und zwar für Prof. Alexander Van der Bellen.“

„Nicht das geringere Übel“

Seiner persönlichen Überzeugung folgend könne er, Deutsch, Van der Bellen „guten Gewissens wählen, auch ohne dies nur aus Angst vor seinem Kontrahenten zu tun. Van der Bellen ist nicht das geringere Übel, er ist der geeignetere Kandidat und seit vielen Jahrzehnten ein Freund der jüdischen Gemeinde und Israels“, so der IKG-Präsident.

IKG-Präsident Oskar Deutsch

APA/Herbert Pfarrhofer

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien

Deutsch zieht einen Vergleich mit der Thora: „Die Thora, das heilige Buch der Jüdinnen und Juden und zugleich das Alte Testament in Christentum und Islam, kann ohne die Mehrdeutigkeit von Sätzen und einzelnen Worten nicht verstanden werden. Es gibt den ‚Pschat‘, den nackten Wortsinn, und den ‚Remes‘, den angedeuteten Sinn.“ Wer wirklich verstehen wolle, müsse zwischen den Zeilen lesen. Im aktuellen Bundespräsidentschaftswahlkampf sei das ähnlich. Auch hier gelte es, Codes zu dechiffrieren, so Deutsch.

Codes dechiffrieren

„Früher war es einfach: Da prangten Pschats wie ‚Ausländer raus!‘ oder ‚Stopp der Überfremdung‘ auf Plakaten einer Partei. Mittlerweile hat sie den Remes entdeckt und formuliert die alte Botschaft subtiler. Nun heißt es ‚Österreicher zuerst!‘“

Abseits der üblichen „Wahlempfehlungsfolklore“ gelte es, „einige zentrale Grundsätze bedenken. Im aufgeheizten Hickhack der vergangenen Wochen sind diese leider aus dem Blickfeld geraten. Der Fokus liegt auf überraschender Freundlichkeit oder taktischen Manövern von Kandidaten, ihrer Körpersprache oder ihren Kochkünsten.“

Kein „oberster Wutbürger“

Zentral ist für die IKG anderes, wie Deutsch in sieben Punkten ausführt: „Es geht nicht darum, als oberster Wutbürger in der Hofburg Bundesregierungen rauszuschmeißen oder vor sich her zu treiben. Es geht um eine verantwortungsvolle Interpretation des höchsten Amtes im Staat. Dabei darf der neue Präsident keiner Partei und schon gar nicht deren taktischen Zielen verpflichtet sein. Wer dieses Amtsverständnis verfolgt, schadet dem Amt und entwertet es.“

Die Antwort auf internationale Krisen könne „nie und nimmer der Rückzug ins österreichische Schneckenhaus sein. Das bedeutet zwar keine unkontrollierten und vollkommen offenen Grenzen. Aber für einen künftigen Präsidenten muss klar sein, dass er sich europäisch und international zu orientieren hat. Die EU ist in einer schweren Krise, doch wenn wir wegen dieser Schwierigkeiten das größte Friedensprojekt aller Zeiten aufs Spiel setzen, ist uns nicht zu helfen“, schrieb Deutsch.

Abgrenzung von autoritären Entwicklungen

Zur demokratiepolitischen Grundausstattung eines Bundespräsidenten gehöre weiters „die aktive und offensive Abgrenzung von jedweden autoritären Entwicklungen, etwa ungarischer (oder polnischer) Prägung“. Sonntagsreden und Kranzniederlegungen würden im „Kampf gegen de Rassismus“ nicht ausreichen. Die gerade rund um den 8. Mai, den Tag der Befreiung, der Kapitulation Nazi-Deutschlands, immer wieder vernehmbaren, bewusst missverständlichen Formulierungen seien nicht hinnehmbar, „schon gar nicht in der Hofburg“, so die IKG-Botschaft.

Als notwendig betrachtet Deutsch auch ein „Weg von der Anti-Haltung“: „Antizionismus, Antiamerikanismus, Antiwasauchimmer: Gefährliche Wut-Einstellungen sind sowohl links wie auch rechts der Mitte zu finden.“ Ein Bundespräsident müsse solchen Tendenzen entgegenwirken. Symbolische Israel-Besuche seien „nicht dazu geeignet, fragwürdige Wertekataloge zu kaschieren“.

Respekt auch für den Islam

Die IKG ruft auch zu „Respekt gegenüber Religionen“ auf, dieser Grundsatz inkludiere ausdrücklich den Islam. „Bedenken, dass aus den Kriegsgebieten auch Menschen zu uns kommen, die mit dem Hass auf Christen- und Judentum aufgewachsen sind, sind legitim. Diesem Problem müssen wir uns stellen und gegensteuern. Auch hier reichen keine bloßen Verurteilungen.“

Verbindendes vor Trennendes

Verbindendes ist für die Kultusgemeinde vor das Trennende zu stellen. „An Spaltungstendenzen haben wir in der Gesellschaft schon genug. Hier Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, wäre ein Spiel mit dem Feuer. Ein neuer Präsident muss das Verbindende vor das Trennende stellen. Es muss möglich sein, alle unter einem Dach zu versammeln und die Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Die Suche nach Sündenböcken hat in der Geschichte noch jedes Mal im Desaster geendet.“

Im letzten Punkt betont die IKG in dem Statement, wie wichtig es sei, Partner zu akzeptieren. „Man möge mir verzeihen, dass ich ein mir persönlich wichtiges Thema herausgreife“, so Deutsch. „Doch gerade das Existenzrecht Israels muss für einen Präsidenten – aber auch ausnahmslos alle Akteure auf Regierungsebene – außer Streit stehen.“ Es gelte, Beziehungen zu vertiefen und nicht aufs Spiel zu setzen. „Schon einmal war Österreich in einer Situation, in der hier Interpretationsspielräume entstanden sind. Ein gewisser Franz Vranitzky hat dann Tachles geredet. Zwischen den Zeilen musste dabei niemand lesen“, so der IKG-Präsident.

religion.ORF.at

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