Rabbinerkonferenz kritisiert Aussagen Benedikts XVI.

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland hat Aussagen des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zu Judentum und Israel kritisiert. „Für uns stellen sich damit mehr Fragen und Zweifel als positive, zukunftsgerichtete Denkanstöße“, so die Rabbinerkonferenz.

Das betonen die Rabbiner in einem in Köln veröffentlichten Schreiben an den Präsidenten der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum, Kardinal Kurt Koch. Der 91-jährige Benedikt XVI. hatte vor einigen Wochen einen Beitrag in der theologischen Fachzeitschrift „Communio“ veröffentlicht. Darin beschäftigt er sich auch mit der sogenannten Substitutionstheologie.

Benedikt XVI.

APA/AFP/Vincenzo Pinto

Benedikt XVI.

Diese Lehre besagt, dass Gott seinen Bund mit dem Volk Israel aufgekündigt habe, weil sich die Juden weigern, Jesus als Messias anzuerkennen. An die Stelle des Volkes Israel sei die Kirche getreten. Diese Auffassung gilt als mitverantwortlich für den jahrhundertelangen christlichen Antisemitismus.

In seinem Aufsatz vertritt Benedikt nun die Ansicht, in der offiziellen Lehre der christlichen Kirchen habe es die Substitutionstheologie „nicht gegeben“. Als Beleg dafür führt er Nachschlagewerke an, in denen sie nicht verzeichnet sei.

„Religiöse Begründung für Diskriminierung“

Die Rabbinerkonferenz merkt dazu kritisch an, dass sich die Substitutionstheologie doch bis in die christliche Kunst hinein ganz eindeutig manifestiert habe. „Nicht zuletzt diente sie in Zeiten sozialer Krisen als religiöse Begründung für die Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung unserer Vorfahren.“

Es gehe ihnen weniger um die einzelnen Punkte, die der emeritierte Papst behandele, als um „die sehr grundsätzliche Frage, ob die katholische Kirche das gegenwärtige Judentum wertschätzen kann und worin sich diese Wertschätzung theologisch ausdrückt“, heißt es in dem dreiseitigen Schreiben. „Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass Papst Benedikt XVI. in seinen theologischen Überlegungen für eine religiöse Wertschätzung des heutigen Judentums und einen darauf gegründeten Dialog wenig Platz lässt.“

Dies zeige sich exemplarisch an seinen Überlegungen zur biblischen Landverheißung an Israel und seine „apodiktische“ Feststellung, dass „eine theologische Deutung des Staates Israel, die die Staatsgründung in Bezug zur biblischen Landverheißung setzt, nach christlichem Verständnis unmöglich“ sei, kritisieren die Rabbiner. Benedikt leugne zwar keineswegs das Existenzrecht Israels, erwecke aber den Eindruck, „dass der Staat Israel sich eher historisch zufällig auf seinem heutigen Territorium befindet“.

Viel diskutierter Beitrag

An Koch richtet die Rabbinerkonferenz die Frage, „inwiefern dieser Aufsatz das jüdisch-christliche Gespräch bereichern soll“. Zudem will sie wissen, wie die Überlegungen des emeritierten Papstes in Einklang mit den Aussagen von Papst Franziskus zum Judentum stehen.

Der vor allem in Fachkreisen viel diskutierte Beitrag war in der Juli-Ausgabe der theologischen Fachzeitschrift „Communio“ unter dem Namen „Joseph Ratzinger - Benedikt XVI.“ erschienen. Seine Äußerungen lösten eine Debatte in Fachkreisen aus; zunächst äußerten sich sowohl katholische als auch jüdische Theologen überwiegend kritisch, andere wiesen die Kritik zurück.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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